Vorsicht Falle? Warum ein Verbrenner-Kauf heute eine reine Geldverbrennung ist
Vieles ist beim Klimaschutz derzeit unklar, zudem kursieren viele falsche Gerüchte und Fake News. Um das etwas besser einordnen zu können, erklärt der Berliner Forscher Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin), wo die Probleme und wo die Lösungsansätze sind. Der KURIER hat ihn anlässlich eines Vortrages in Wien interviewt.
KURIER: In Brüssel wird gerade eine neue EU-Kommission gebildet, und mit ihr die Frage, welche Richtung beim Green Deal die EU weiterverfolgen wird. Was wäre denn aus Ihrer Sicht notwendig, angesichts eines Plus der Rechtspopulisten und eines Minus bei Grün-Parteien bei der EU-Wahl?
Volker Quaschning: Das wird eine spannende Frage, denn die Parteien wollen von Ursula von der Leyen ja sehr unterschiedliche Zusagen. Die Populisten wollen teils zurück zu Öl und Gas, das wäre natürlich fatal, aber die haben auch keine Mehrheiten im EU-Parlament, und können daher nichts umsetzen. Aus meiner Sicht macht eine Fortsetzung des Green Deals, wenn man schon das Klima nicht ganz oben auf seiner Agenda hat, auch aus wirtschaftspolitischen Gründen Sinn. Deshalb glaube ich auch, dass der Green Deal weitergehen wird.
Bei uns, und auch bei den deutschen Christlich-Sozialen, geht man davon aus, dass das Zulassungsverbot von Verbrenner-Neuwagen ab 2035 wieder fällt. Denken Sie, das wird passieren?
Nein. Was mir da am meisten Sorgen macht, ist dass dieser Populismus die Menschen zu Fehlentscheidungen verleitet. 2023 hatten wir in Deutschland die Diskussion um die Gasheizungen gehabt, die durch Wärmepumpen ersetzt werden sollen. Da gab es dann einen riesigen Aufstand, vor allem durch die Springer-Presse (u.a. Bild-Zeitung, Anm.), die AfD, aber auch die CDU/CSU sprangen mit auf. Da gab es eine regelrechte Hasskampagne gegen die Wärmepumpe, ich wurde als grüner Nazi beschimpft. Und die Folge war, dass fast 900.000 Öl- und Gasheizungen verkauft wurden in Deutschland, so viele wie noch nie, weil alle Leute so verunsichert wurden. Beim Verbrenner-Aus könnte etwas Ähnliches passieren.
Warum sind das dann Fehlentscheidungen, wenn man Gasheizung oder Verbrenner kauft?
Weil beides den Klimaschutz unmöglich macht und bald extrem teuer werden wird. Ein Auto kann man vielleicht noch verkaufen in ein paar Jahren, eine eingebaute Gasheizung sicher nicht. Keine Partei, wenn sie an die Regierung kommt, wird am dem Thema vorbeikommen. Sie werden Klimaziele einhalten müssen, wenn sie das nicht machen, wird es Gerichtsurteile geben. Und dann kann man sich die Physik anschauen, welche Technologien unsere Probleme lösen können, und das wird weder der Verbrenner noch die Gasheizung sein. Wir werden uns also früher oder später davon verabschieden. Das Problem ist nur, die aktuellen Diskussionen werfen uns wieder um Jahre zurück. Und 2035 wird niemand mehr über Verbrenner sprechen, weil dann die Chinesen den Weltmarkt mit preiswerten Elektroautos überrollt haben werden.
Aber fehlt in der Verbrenner-Debatte nicht der Hinweis, dass die CO2-Bepreisung 2027 in das Emissionshandelssystem II der EU übergehen wird? Die Financial Times hat dazu kürzlich einen Bericht, dass man etwa 2031 mit einem Plus von 51 Cent pro Liter Sprit ausgehen muss.
Ja, deshalb ist ein Verbrennerkauf heute einfach reine Geldverbrennung. Es wird viel Geld in den Sand gesetzt und Europa wirtschaftlich geschwächt. Das ist fatal. Denn wir haben jetzt schon wenig Chancen, unsere Klimaziele einzuhalten. Also werden die CO2-Zertifikate irgendwann preislich durch die Decke gehen. In Österreich soll 2040 klimaneutral sein, wenn also kein CO2 mehr emittiert werden darf, werden die Kosten der Verschmutzungsrechte absurd hohe Werte erreichen. Von den populistischen Parteien kann ich nicht erwarten, dass die vernünftig argumentieren, von allen anderen aber schon. Wir kommen an Entscheidungen wie dem Verbrenner-Aus und den Gasheizungs-Stopp ja nicht vorbei.
Die nächste große Entscheidung auf EU-Ebene ist das Klimaziel 2040, der wissenschaftliche Beirat schlägt ein Minus von 90 Prozent im Vergleich zu 1990 vor. Ist das überhaupt schaffbar?
Die Frage ist, ob man das schaffen will. Ich sehe weder national noch auf EU-Ebene den Willen dazu. Man kann ja ausrechnen, wie viel Wind- und Solarkraft dafür nötig sind. Da liegen wir in Deutschland und auch in Österreich stark daneben, mit den aktuellen Ausbauzahlen schaffen wir das also nicht. Aber das lässt sich ja steigern, wenn man will. Wir müssten den Ausbau bei Solar verdoppeln und beim Wind verfünffachen.
Aber wie soll die Akzeptanz speziell der Windkraft erhöht werden?
Indem man die Menschen, die das neue Windrad sehen oder hören, am Gewinn beteiligt. Solche Bürgerbeteiligungen helfen enorm, wenn klar wird, dass jede Umdrehung des Windrades plötzlich bares Geld bedeutet.
Dennoch scheint es so, dass der Klimaschutz die Menschen überfordert, oder?
Ja, es ist ja nicht nur der Klimaschutz, sondern auch die kriegerischen Auseinandersetzungen bis hin zu einem drohenden Atomkrieg. Die gleiche Bedrohung hat, wenn man die wissenschaftlichen Studien zu den Auswirkungen anschaut, die Klimakrise. Damit möchte man sich mit seinen Alltagssorgen nicht auch noch auseinandersetzen, und hofft, dass entweder Augen zu und es nicht so kommt oder dass es endlich eine ordentliche Politik gibt, die Probleme löst.
Wie geht es Ihnen als Wissenschaftler mit Parteien, die wissenschaftliche Fakten wie die Klimakrise negieren oder ausblenden?
Wenn man sich ansieht, welche Ziele wir uns seit 30 Jahren beim Klimaschutz setzen und aber nie danach gehandelt haben, etwa beim Ausbau der Erneuerbaren, sieht man, dass das kein neues Phänomen ist. Hinzu kommt der extreme Populismus. Früher gab es diese Stimmen ohne große Reichweite am Stammtisch, heute, durch die Sozialen Medien, hat man mit solchen Fakenews eine enorme Reichweite. Damit müssen wir umgehen lernen. Soziale Medien sind ja Fluch und Segen zugleich. Ich hoffe, dass am Ende die guten Argumente gehört werden, und nicht die Fakenews.
Wer in der EU macht eigentlich gute Klimaschutzpolitik?
Noch macht niemand genug, deswegen bleiben bei den Klimaschutzrankings die ersten drei Plätze immer frei. Aber dann kommen schon die Skandinavier, Dänemark hat sehr viel Windkraft ausgebaut, Schweden viel Wasserkraft, Norwegen hat das Geld aus dem Ölgeschäft immerhin in die Transformation gesteckt, die sind bei der Elektromobilität weit vorne.
Wir sind aber auch weit davon entfernt, den Klimawandel und damit den Klimaschutz politisch außer Frage zu stellen, warum ist das so?
Das hat seinen Ursprung in den USA. Wir wissen ja heute, dass etwa die Forscherteams bei Exon-Mobil schon in den 1970er Jahren fast auf das Zehntelgrad die Erderwärmung richtig berechnet haben. Aber weil das schlecht fürs Geschäft ist, haben die sich entschieden, viel Geld in Desinformationskampagnen zu stecken und ihre Macht genutzt, Forschende zu diskreditieren und Fakennews zu verbreiten. Das ist längst nach Europa geschwappt, da hängen viele wirtschaftliche Interessen dran. Und das betrifft natürlich auch manche Staaten, wenn Russland morgen kein Öl und kein Gas mehr verkaufen kann, sind die sehr schnell bankrott.
Lauter wird der Ruf nach Kernenergie, E-Fuels und Wasserstoff. Helfen diese Energieträger?
Nein. Kernenergie, sehen wir aktuell beim neuesten Kraftwerk in Großbritannien, ist die mit Abstand teuerste Energieform. Zudem gibt es immer die Verknüpfung von Atomkraft und Atombombe, siehe Frankreich, Iran oder Nordkorea. Würde Deutschland mit Kernenergie klimaneutral werden, müssten wir mindestens 150 Reaktoren bauen. Das wären alleine 30 in Bayern. Das ist gar nicht durchsetzbar. Bei den E-Fuels komme ich halt nicht an der Physik vorbei, das kann niemals effizient sein, da braucht man fünf bis sieben Mal so viel grünen Strom wie bei einem E-Auto.
Und beim Wasserstoff?
Damit zu Heizen, wird wirtschaftlich nicht darstellbar sein. Aber grünen Stahl wird es ohne Wasserstoff nicht geben. Aber nicht beim Autofahren oder beim Heizen.
Wie sehen sie eigentlich die Energiewende beim Flugverkehr? Die Firmen haben sich ja Ziele mit einem steigenden Anteil an klimaneutralen Treibstoff gesetzt, die sie bisher kein bisschen nicht einhalten.
Da ist die Politik gefragt. Fünf Prozent pro Jahr klimaneutrale Treibstoffe wären eine Lösung, im nächsten Jahr zehn Prozent und so weiter. Das würde natürlich die Tickets verteuern, deswegen traut man sich das nicht, und die Industrie setzt oft Nachhaltigkeit nur in homöopathischen Dosen um. So wird man kein Ziel schaffen.
Und das wäre eine Lösung für Sie?
Also ich persönlich fliege schon seit Jahren gar nicht mehr. Es gibt technisch keine Möglichkeit, in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren klimaneutral zu fliegen. Zu den Emissionen kommen ja die Kondensstreifen dazu, das Bundesumweltamt sagt, die sind zu zwei Drittel klimarelevant, das CO2 nur zu einem Drittel. Also selbst mit klimaneutralem Treibstoff bleibt ein großer Teil Klimaschadens. Alternativen wären irgendwann Elektroflieger oder Wasserstoff, die gibt es aber noch nicht. Und wären auch sehr teuer.
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