Kern und Kurz über Zukunft der EU uneinig

Kern und Kurz über Zukunft der EU uneinig
Der Bundeskanzler sieht ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten bereits als Realität. Außenminister Kurz bekräftigt seine Pläne für die Stärkung der Subsidiarität.

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) haben am Mittwoch im EU-Hauptausschuss des Nationalrats unterschiedlich auf die von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorgestellten fünf möglichen EU-Reformmodelle reagiert. Kern sagte, Österreich sei an einem schnellen Einigungsprozess interessiert. Kurz forderte, die Subsidiarität der Nationalstaaten zu stärken.

Ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten sei mit der Eurozone oder dem Schengen-Raum bereits Realität, konstatierte der Kanzler laut Parlamentskorrespondenz. Zudem forderte er die Soziale Agenda innerhalb der Union voranzutreiben.

Kern erneuert Vorstoß für Kürzung von Subventionen

Der Bundeskanzler wiederholte auch seinen jüngst geäußerten Vorstoß zur Kürzung der finanziellen Unterstützung für mittel- und osteuropäische Länder, die sich weiterhin einer Aufnahme von Flüchtlingen widersetzen. "Solidarität in Europa kann keine Einbahnstraße sein", meinte Kern. Zweifel an dem Vorhaben äußerte Reinhold Lopatka (ÖVP). Aus seiner Sicht müsste dafür erst das entsprechende EU-Regelwerk geändert werden.

Um die Flüchtlingssituation in Europa zu lösen, forderte Kurz das "automatische Weiterwinken" von Flüchtlingen, die im Mittelmeer aufgelesen werden, nach Mitteleuropa zu beenden. Ägypten habe sich mit diesem Vorgehen bereits einverstanden erklärt, sagte Kurz, der sich auch mit anderen nordafrikanischen Ländern Kooperationen erwartet. Im Fall der vereinbarten EU-Kooperation mit Libyen meinte Kern, dass für Österreich eine menschenrechtskonforme Behandlung von Flüchtlingen in den libyschen Auffanglagern wichtig sei.

EU-Militärzentrum

Die am Montag beschlossene Einrichtung einer Militärischen Planungs- und Durchführungs-Kapazität (MPCC) in der Union ist Kurz zufolge ein "wichtiger Schritt in Richtung mehr Zusammenarbeit". Für Österreich, als neutraler und kleiner Staat, würden aber besondere Rahmenbedingungen gelten, ein mehr an Zusammenarbeit bedeute aber ein mehr an Sicherheit. Bedenken gegenüber einer Beteiligung Österreichs an einem EU-Militärzentrum haben die Freiheitlichen. Österreich müsse neutral bleiben, forderte Klubobmann Heinz Christian Strache, dieser Grundsatz sollte sichergestellt werden.

"Wenn nur die Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik in den Stellungnahmen übrig bleibt, ist das zu wenig", sagte der Grüne Werner Kogler. Ansetzen würde er bei einer Harmonisierung der Wirtschafts- und Steuerpolitik. Für die NEOS wiederum bedeutet die Stärkung der Subsidiarität, die EU zurückbauen zu wollen, wie der Abgeordnete Rainer Hable klarmachte.

Kritik an Türkei

Sowohl Kern als auch Kurz kritisierten vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen die immer schlechter werdende Menschenrechtssituation in der Türkei und Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Europa. Der Bundeskanzler forderte eine klare Positionierung der EU gegenüber der Türkei. Zwar solle der EU-Flüchtlingsdeal aufrechterhalten werden, gleichzeitig gegenüber der Türkei aber die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte eingefordert werden.

Der Außenminister berichtete, dass in der Türkei auch Österreicher von der Ausreise abgehalten werden oder inhaftiert sind. "Die Situation ist untragbar", so Kurz. Geht es nach Strache, sollte über den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen nachgedacht werden. Gegenüber der Türkei vermisst der freiheitliche Parteichef einen konsequenten Kurs der EU. Josef Cap (SPÖ) würde ein gemeinsames Signal aller 27 EU- Mitgliedsländer als sinnvoll erachten. Der ÖVP-Abgeordnete Werner Amon glaubt indes nicht daran, die gesamte Union zu einer gemeinsamen Position gegen türkische Wahlkampf-Auftritte bringen zu können.

Im Zusammenhang mit dem EU-Vorhaben, die Bankenunion möglichst rasch zu vollenden, forderte indes Waltraud Dietrich vom Team Stronach, dass Österreich nicht für die Banken-Misswirtschaft in anderen Ländern zur Kassa gebeten werden dürfte.

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