Kern: "Kerneuropa ist die bessere Alternative"

Kanzler Christian Kern fordert Ergebnisse für Bürger. Bei Beschäftigung setzt er auf eigenes Handeln.

Am Freitag, dem zweiten Tag des EU-Gipfels diese Woche, werden die Staats- und Regierungschefs in Brüssel reihum ihre Positionen zur Zukunft der Europäischen Union präsentieren.

Bundeskanzler Christian Kern gibt dem KURIER vorab einen Einblick in seine Pläne: Im Prinzip will er eine Weiterentwicklung und Stärkung der EU unter allen 27 Mitgliedsländern. "Ich gehe davon aus, dass auch in Zukunft 27 Staaten diese Union führen werden. Wesentliche Fortschritte müssen in diesem Format erzielt werden."

Das bedeutet, dass der Bundeskanzler an der EU wie sie ist, festhält und auch einem großen und starken Kern der EU-Staaten das Wort redet.

Bei diesen Fortschritten sei es für ihn aber wichtig, die Strukturen und Abläufe in der EU anzupassen, um nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. "Etwa, dass bei allen Erweiterungsrunden der Union die Governance (das Regierungshandeln und die Regierungsführung, Anm. d. Red.) nicht genügend angepasst wurde, oder dass mit dem Euro nicht gleichzeitig eine gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik eingeführt wurde."

In einem starken Kern von Ländern sieht der Bundeskanzler aber keinen Widerspruch zu einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Dieses Europa existiert ja bereits, wie im Bereich der gemeinsamen Währung. Derzeit haben 19 EU-Staaten den Euro. In manchen Bereichen, wie eben dem Euro, seien verschiedene Geschwindigkeiten "durchaus sinnvoll", betont der Regierungschef.

"Ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten ist aus meiner Sicht jedenfalls einem Europa des Stillstands vorzuziehen. Aber: Ein Kerneuropa ist die bessere Alternative zu den Fliehkräften, die derzeit immer stärker auf die EU einwirken", lautet die Botschaft des Kanzlers, die er in Brüssel vertreten wird.

Langwierig

Massiv kritisiert Kern "die derzeitigen Entscheidungsprozesse innerhalb der EU, die lange dauern und schwerfällig sind. Daher sollten auch in Bereichen, wo das Sinn macht, manche Staaten vorangehen und enger zusammenarbeiten können".

Wichtig ist dem SPÖ-Vorsitzenden, dass "die Europäische Union nicht nur auf einen Binnenmarkt beschränkt bleibt, sondern ganz konkrete Ergebnisse und Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger erzielt.

Sollte das in der Europäischen Union als Ganzes nicht möglich sein, zögert der Bundeskanzler nicht, Österreich zu empfehlen, in gewissen Bereichen voranzugehen, eigenständig Entscheidungen zu treffen und danach zu handeln. Er liefert gleich ein konkretes Beispiel: "So wie wir es mit dem Beschäftigungsbonus machen. Damit bekämpfen wir ganz gezielt die Arbeitslosigkeit in Österreich."

Mit dem Beschäftigungsbonus sollen Unternehmen gezielt gefördert werden, die österreichischen Arbeitskräften bevorzugt eine Anstellung geben.

Kurz ist skeptisch

Für Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ist ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten nicht der beste Weg. "Es ist kein Wunschszenario", sagte er Dienstagabend in der ZiB-2. Er will ein Europa, das sich in kleinen Fragen zurücknimmt, dafür aber in in der Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik stärker wird und gemeinsam handelt. Dazu gehöre vor allem der Schutz der Außengrenzen und den Kampf gegen den Terror. "Ich glaube, dass es in diese Richtung gehen wird", erklärte Kurz.

Bundeskanzler Kern hat eine Kürzung der finanziellen Unterstützung für mittel- und osteuropäische Länder gefordert, falls sie sich weiter einer Aufnahme von Flüchtlingen widersetzen sollten.

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag sagte Kern der Tageszeitung "Die Welt": "Sollten sich Länder bei der Lösung der Migrationsfrage weiterhin konsequent wegducken oder Steuerdumping auf Kosten der Nachbarn betreiben, so dürfen sie künftig nicht mehr Nettozahlungen in Milliardenhöhe aus Brüssel erhalten."

Einige EU-Länder erwarteten von anderen Mitgliedstaaten Solidarität, wenn es um wirtschaftliche Entwicklung, Sicherheitsinteressen oder Sanktionen gegen Russland gehe, sagte Kern. "Selektive Solidarität sollte künftig auch zu selektiver Zahlungsbereitschaft bei den Nettozahlern führen. Wir werden das in Brüssel zum Thema machen."

Am Donnerstag beginnt ein zweitägiger EU-Gipfel in der belgischen Hauptstadt, bei dem es auch um die Flüchtlingspolitik in der EU geht. Die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas lehnt etwa die Visegrad-Gruppe aus Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn strikt ab.

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