Der 70 Jahre alte Sohn des ermordeten Ex-Justizministers Bobby Kennedy will am 5. November Amerikas Präsident werden. In Umfragen auf bis zu 15 Prozent taxiert, würde der als junger Mann Heroin-abhängig gewesene Umwelt-Anwalt nach Lesart der meisten Analysten mehr im Biden-Lager als bei Trump Stimmen abgreifen. Sie könnten dem Amtsinhaber am Ende fehlen und so seinen Wieder-Herausforderer Donald Trump ins Weiße Haus tragen.
Die Kennedys wollen das partout verhindern. In Philadelphia warben über ein Dutzend Mitglieder deshalb offensiv für den Amtsinhaber. „Wir wollen glasklar unser Gefühl zum Ausdruck bringen, dass Amerika am besten in die Zukunft geht, wenn es Joe Biden und Kamala Harris für weitere vier Jahre wählt“, sagte Kerry Kennedy, die Schwester von Robert F. Kennedy Jr..
Die Proteststimmen
Die ungewöhnliche Aktion hat Gründe. Trumps Strategie-Berater warben bis vor einigen Tagen geradezu euphorisch für Kennedy; in der Hoffnung, dass Wähler links der Mitte, die Biden aus Alters- oder anderen Gründen überdrüssig geworden sind, dem Dritt-Kandidaten ihre Proteststimme geben.
Inzwischen haben frische Umfragen bei Trump einen Kurswechsel ausgelöst. Weil Kennedy in einigen Bundesstaaten wohl eher beim republikanischen Ex-Präsidenten „wildern“ würde als bei Biden, schimpft Trump den stahlblauäugigen Multi-Millionär plötzlich einen „linksextremen, radikalen Irren“.
Der Wurm im Gehirn
Kennedy glaubt unterdessen an eine Außenseiterchance. Aber es gibt Rückschläge. Die New York Times berichtete am Mittwoch, dass Kennedy 2010 unter dem Verdacht stand, einen Gehirntumor zu haben. Später diagnostizierten Ärzte, dass ein Parasit eingedrungen war und, so Kennedy in einer eidesstattlichen Erklärung, „einen Teil meines Gehirn gefressen hat und danach starb".
Auf dem Wahlzettel ist er bisher nur in Utah, Iowa und Michigan gesichert. Für New Hampshire, Nevada, Hawaii, North Carolina, Idaho, Iowa und Nebraska seien die teils anspruchsvollen Voraussetzungen (Tausende Unterstützungsunterschriften) so gut wie erfüllt, sagt seine Sprecherin Stefanie Spear. Sie kündigte an: „Im Herbst wird Robert F. Kennedy Jr. in allen 50 Bundesstaaten zur Wahl stehen.“
Das kostet Unmengen an Geld. Für die Wahlkampffinanzierung sorgt neben Großspendern wie der Milliardär Timothy Mellon Kennedys Politik-unerfahrene Co-Pilotin. Nicole Shanahan, die als seine Vizepräsidentschaftskandidatin unter dem Slogan „Die Zukunft beginnt jetzt“ antreten will. Sie war mit Google-Mitgründer Sergey Brin verheiratet. Die 38-Jährige ist reich. Aber außerhalb Kaliforniens völlig unbekannt.
Bei den Themen jongliert Kennedy so, dass sowohl für Links-Progressive wie für Rechtskonservative etwas dabei ist. Kennedy stilisiert sich als Garant für ein Amerika, in dem der militärisch-industrielle Komplex zurückgestutzt wird. Aus dem Ukraine-Konflikt würde er die USA zurückziehen. Illegale Einwanderung? Verbieten. Die Pharma-Riesen? Aufspalten.
„Mein Onkel“
Wenn Kennedy im Wahlkampf auftaucht, fangen seine Monologe oft mit dem Satz an: „Als mein Onkel Präsident war.“ Das klingt bei einigen Wählern attraktiv.
Im Kennedy-Clan stellen sich dagegen die Haare auf. John F. Kennedys Enkel, Jack Schlossberg, macht am lautesten gegen seinen Verwandten mobil. RFK mag „den gleichen Namen haben wie unser Vater, aber er hat nicht die gleichen Werte, Zukunftsvisionen und das Urteilsvermögen“, sagt er. Schlossberg ganz brutal: „Er ist ein Arschloch.“
Schlossberg wird nicht müde, das Sündenregister von RFK Jr. aufzuzählen. So verbreitete Kennedy die Theorie, Impfungen lösten bei Kindern Autismus aus. Für Massen-Schießereien an Amerikas Schulen seien Antidepressiva verantwortlich. Und das Corona-Virus sei als Bio-Waffe kreiert worden, um Schwarze und Weiße zu infizieren, während Chinesen und Juden verschont blieben.
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