Häupl: "Keine Gemeinsamkeit mit der FPÖ"

Wiens Bürgermeister Michael Häupl kann FP-Koalition nicht mittragen
Wiens Bürgermeister glaubt, dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache das Kammersystem "vernichten" will.

Die Wiener SPÖ hat die Schrammen vom Wiener Parteitag zugedeckt. Bürgermeister Michael Häupl gibt sich ein letztes Mal in Wahlkampflaune. Sein Motto lautet: Kurz-Strache, Nein Danke.

KURIER: Die Wiener Stadtpolitik hat die Abstimmung über den umstrittenen Heumarkt-Turm hinter sich, die Ab-Erkennung des Weltkulturerbestatus durch die UNESCO vor sich. Wie gehen Sie damit als Bürgermeister um?

Michael Häupl: Wir tun alles, um die Stadt von der Roten Liste herunter zu holen. Nach meiner Auffassung ist das Projekt keine Verletzung des Weltkulturerbes.

Wenn die UNESCO da nicht mitspielt?

Das wäre sehr schade, aber es wird mit Sicherheit keinen Einfluss auf das Image oder den Tourismus von Wien haben.

Was heißt das für den Hochhausbau in Wien?

Dass wir im innerstädtischen Bereich auf unsere gebaute Geschichte auch in Zukunft sehr gut aufpassen werden. Wir brauchen keinen Zuruf der ICOMOS, um das Weltkulturerbe zu erhalten.

Themen der Wiener Stadtpolitik schlagen immer stärker in der Bundespolitik auf. Wie sehen Sie die Ansage des neuen ÖVP-Obmannes, der bei der Mindestsicherung den Sparstift ansetzen will, um eine Steuerreform zu finanzieren.

Die Mindestsicherungsfrage ist unsere. Die unsoziale Einsparung bei den Ärmsten der Armen von 700 Millionen € kann zu seinen diffusen Steuerplänen von zwölf Milliarden gar nichts beitragen.

Rot-Grün bastelt seit Monaten an der Reform der Mindestsicherung. Warum so lange?

Wir werden das anders als Schwarz-Blau in Oberösterreich machen, weil es uns nicht um Kürzungen geht.

Was dann?

Es geht uns um die Rückführung der Menschen in den Arbeitsmarkt. Und wir wollen Teile der Mindestsicherung in Sachleistungen umwandeln.

Was kann man sich darunter vorstellen?

Zum Beispiel, dass man Teile der erhöhten Kinderbeihilfen für Mietbeihilfen verwendet. Wir denken auch an kostenlose Mittagessen in Kinderbetreuungseinrichtungen.

Aber Kurz will besonders beim Wiener Sozialsystem auf die Bremse steigen.

Das hätte die ÖVP leichter haben können, indem sie die bundesweite Regelung der bedarfsorientierten Mindestsicherung belassen hätte. Dieses System hat die ÖVP zerstört. Dass Kurz sagt, man muss den Sozialtourismus bremsen, ist purer Zynismus.

Dennoch hat die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher in Wien keine österreichische Staatsbürgerschaft.

Das ist eine These, die ich gerade überprüfen lasse.

Im Februar 2016 waren es 59.000, ein Jahr später 73.000.

Was noch nichts sagt, weil Wien rasant wächst. Der Zuzug sind ein Drittel Österreicher, ein Drittel EU-Bürger und ein Drittel Drittstaatsangehörige. Unser Ziel ist es, die Leute wieder aus der Mindestsicherung herauszubekommen, unabhängig davon woher sie kommen.

Rot-Grün in Wien war ihre Erfindung. In Österreich fanden sich keine Nachahmer. Warum?

Weil man die Sozialdemokratie aus den Landesregierungen herausgedrängt hat. In drei Bundesländern gibt es bereits Schwarz-Grün.

Es gibt aber auch Rot-Blau im Burgenland.

Wenn man für so eine Koalition Verständnis haben kann, dann im Burgenland. Denn warum soll man sich mit 44 Prozent aus der Regierung herausdrängen lassen, wenn man zugleich sieht, wie wir überall aus den Landesregierungen hinausgeschmissen werden.

Ist das eine Abkehr von ihrer bisherigen Linie?

Nein, ideologisch habe ich nach wie vor null Verständnis für eine Koalition mit den Blauen.

Ist Rot-Schwarz oder Schwarz-Rot nach dem jüngsten Bruch länger tot?

Rot-Schwarz hoffentlich nicht. Denn es muss das Ziel einer sozialdemokratischen Partei sein, die Bundesregierung zu führen.

Kreise in der SPÖ sehen keine Zukunft für diese Koalition.

Der Zorn über die ÖVP ist groß, das will ich gar nicht verhehlen. Für mich ist eine Große Koalition nicht automatisch tot. Das hängt von den Inhalten und Grundprinzipien ab.

Bleibt es bei Ihrem Nein zu Rot-Blau?

Ich sehe mit der FPÖ keine inhaltliche Schnittmengen, um eine gemeinsame Regierung zu bilden. Wenn ich mir die jüngsten Aussagen von Strache anhöre, der die Vernichtung des Kammersystems fordert, ist das ein Vollangriff auf die Sozialpartnerschaft. Auch die Europafeindlichkeit der FPÖ ist im Bundespräsidentschaftswahlkampf deutlich geworden.

Jetzt wird in Teilen der SPÖ zu Blau schon abgestimmt.

Dass man Parteimitglieder befragt, dagegen habe ich nie etwas gehabt. Aber wer Ja zur FPÖ sagt, sagt Ja zur Zerschlagung der Arbeiterkammer. Das sage ich den Mitgliedern schon jetzt vor der Abstimmung.

Wenn die SPÖ-Mitglieder aber für Rot-Blau sind?

Dann muss man das zur Kenntnis nehmen. Ich persönlich kann eine Regierungskoalition mit der FPÖ nicht mittragen.

Sie wären also total unglücklich, wenn Schwarz-Blau käme?

Na sicher. Mein ganzer Einsatz geht in die Richtung, das zu verhindern.

Immerhin haben Sie unter Schwarz-Blau ihre größten Wahlerfolge in Wien gefeiert.

Ja, aber das wäre zu viel Zynismus, das der Bevölkerung zuzumuten, nur damit mein Nachfolger wieder eine Absolute Mehrheit hat.

Wie leicht oder schwer fällt es Ihnen, die SPÖ nach den Streichungen am Landesparteitag wieder für einen Wahlkampf aufzurichten.

Man muss unterscheiden zwischen den Wahlen am Parteitag und dem was sonst passiert. Die Stimmung am 1. Mai hat gezeigt, dass die Funktionäre alle bereit sind, sich in den Wahlkampf reinzuhauen, um zu verhindern, dass eine Truppe wie die Freiheitlichen in die Bundesregierung einzieht. Kurz-Strache, Nein Danke.

Wann beginnt die SPÖ Wien gegen diese Bedrohungsszenario für ihre Partei zu plakatieren?

Warten wir einmal ab, was die aktuelle Bundesregierung noch beschließt. Da gibt es noch durchaus wichtige Punkte wie die Bildungsreform oder das Arbeitsprogramm für Über-50-Jährige.

Aber warum brauchen Punkte wie die Bildungsreform so lange?

Weil man sich eben nicht einigen kann. Weil manche in der ÖVP meinen, dass das Schulsystem eh das Beste von allen ist, und denen die Pisa-Ergebnisse wurscht sind. Es gibt sogar ein Verhandlungsergebnis – und nicht mal das wird anerkannt.

Das heißt, für Sie ist die ÖVP nicht paktfähig.

So allgemein würde ich das nicht sagen. Wirtschaftsminister Harald Mahrer ist durchaus paktfähig, Herr Kurz offensichtlich nicht.

Sie haben in einem Interview gesagt, sie hätten die "Iden des März" gut überstanden, der Brutus in der SPÖ hätte sich selbst erledigt. Wen haben Sie damit gemeint?

Nicht (Stadtrat) Michael Ludwig.

Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky gilt als ihr Favorit, hat aber wenig Zeit, sich zu profilieren. Er selbst sagte zuletzt, keine Ambitionen auf das Amt zu haben. Wer kennt sich da noch aus?

Außer mir niemand. Wir haben jetzt aber etwas anderes zu tun: Wir müssen einen Wahlkampf schlagen.

Ist Czernohorszky jetzt damit als Bürgermeisterkandidat tot?

Alle leben. Das Schöne an der modernen Version der "Iden des März" ist, dass alle überleben.

Was sagen sie dann zu dem Sager von Sandra Frauenberger, Michael Ludwig sei kein einender Kandidat?

Dass müssen Sie Sandra Frauenberger fragen. Wir haben einen Wahlkampf zu schlagen, der Beitrag Wiens muss überproportional sein. Alles was dem schadet, ist nicht gut.

Werden sie eines Tages öffentlich eine Empfehlung für ihre Nachfolge abgeben?

Ja, nach dem Landesparteivorstand, der einen Vorschlag haben wird – aber nicht davor.

Argwöhnische meinen, Sie würden das inszenieren, um länger im Amt zu bleiben. Bleibt es bei der Ansage, nach der Nationalratswahl zu gehen?

Jeder weiß, dass ich ein vertragstreuer Mensch bin. Ich werde daher möglichst bald nach der Nationalratswahl einen Landesparteitag einberufen, bei dem ein neuer Parteivorsitzender gewählt wird. Mit dem werde ich dann alle folgenden Modalitäten besprechen.

Heißt Michael Häupl tritt mit Sicherheit bei der Gemeinderatswahl 2020 nicht mehr an?

Mit Sicherheit.

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