Berlakovich unter heftigem Beschuss

Austrian Agriculture and Environment Minister Nikolaus Berlakovich attends a session of the parliament in Vienna March 28, 2012. REUTERS/Lisi Niesner (AUSTRIA - Tags: POLITICS)
Neue Studien sollen die Linie des Agrarministers stützen. Ein PR-Desaster bleibt.

Diese Woche war kein Honiglecken für ÖVP-Agrarminister Nikolaus Berlakovich. Seit er am Montag in Brüssel gegen das Verbot von Bienen-gefährdenden Pestiziden gestimmt hat, wird in Österreich gegen ihn gestichelt.

Angesichts der immer heftigeren Kritik von Opposition und Parteifreunden wurde Berlakovich am Freitag offensiv. „Ich habe Interesse, dass die Bienen geschützt werden“, sagte er im KURIER-Gespräch. Für das Verbot der chemischen Spritzmittel würde aber die fachliche Grundlage fehlen. „Daher werde ich ein Wissenschaftlergremium einsetzen, um bereits vorhandene Studien zum Thema auszuwerten.“ Zudem werde ein Forschungsauftrag zur Causa erteilt. Dass sich die Mehrheit in Brüssel mittlerweile gedreht hat und der EU-Kommissar ein Verbot angedeutet habe, sei für ihn kein Anlass für einen Sinneswandel: „Man muss auf Basis von wissenschaftlichen Ergebnissen entscheiden, nicht auf Basis von Emotionen.“

Im Abseits

Aus dem politischen Abseits wird der ÖVP-Ressortchef mit diesen Expertisen wohl nicht kommen. Die Grünen haben einen Misstrauensantrag gegen ihn angekündigt, die FPÖ tituliert ihn als „Giftminister“. Und SPÖ-Klubobmann Josef Cap erwartet sich „eine Positionsänderung der ÖVP“ in der Sache.

„Der Wahlkampf hat scheinbar begonnen“, sagt Berlakovich zum KURIER. „Die Grünen wollen unbedingt in die Regierung und schießen sich auf den Umweltminister ein.“ Er versuche, Umwelt- und Landwirtschaftsinteressen zu vereinen. „Das ist oft ein Spannungsfeld, aber wir haben bewiesen, dass es möglich ist.“

So entspannt sieht man die Angelegenheit in der ÖVP nicht (siehe unten). Nach der Ethanol-Pleite und dem Almflächen-Chaos muss Berlakovich nun gegen das in sozialen Netzwerken verbreitete Image als „Bienen-Killer“ ankämpfen. Da helfen selbst stichhaltige Sachargumente wenig: Österreich habe sich bei der Sitzung in Brüssel für „zeitliche und räumliche Ausnahmen vom Verbot eingesetzt“, erklärt Berlakovich. Da Gentechnik in Österreich verboten sei, seien Neonicotinoide notwendig, um gegen Schädlinge vorzugehen. Er, Berlakovich, schütze so bäuerliche Existenzen.

Geheimniskrämerei

Schützen wollte der Minister nicht nur die Bauern, sondern auch die Betriebsgeheimnisse der Chemiekonzerne. Eine im Vorjahr eingebrachte Anfrage der Grünen, wie viele Tonnen der umstrittenen Pestizide jährlich in Österreich eingesetzt werden, wurde mit Hinweis auf das Amtsgeheimnis abgeblockt. Bekannt wurde das freilich erst Freitag Früh; und das heizte die Debatte weiter an. Stunden später rechtfertigte sich Berlakovich: Sein Ministerium habe „auf Basis der Gesetze gehandelt“. Er sei dafür, diese zu ändern. „Wir haben nichts zu verbergen.“ Und so tat er kund, dass geschätzte zehn Tonnen an Spritzmitteln jährlich auf den Äckern landen.

Ob er mit seiner Argumentation neben der Existenz der Bauern sein Polit-Leben absichert, bleibt offen. Gefragt nach seiner Position in der Partei sagt Berlakovich: „Ich habe den Rückhalt in der ÖVP.“ Geht er davon aus, erneut Minister zu werden? „Ich bin bereit, es wieder zu machen. Aber das entscheiden die Wähler.“

Nicht nur Oppositionelle und Rote tadeln ÖVP-Minister Nikolaus Berlakovich. Auch Parteifreunde tun das.

Dass Berlakovich in Brüssel gegen das Verbot von chemischen Spritzmitteln votiert hat, missfällt dem ÖVP-Abgeordneten Michael Ikrath: „Österreich hätte nicht blockieren dürfen. Ich erwarte, dass diese Position rasch überdacht wird. Ich hätte für das Verbot von Pestiziden gestimmt.“ Des Ministers Argument, es sei nicht erwiesen, dass Bienen nur wegen Pestiziden sterben, lässt Ikrath nicht gelten: „Im Zweifel ist für, nicht gegen die Biene zu entscheiden. Dem Interesse, die Bienen zu schützen, ist Vorrang vor anderen Interessen zu geben. Abgesehen davon gibt es in Deutschland, aber auch in anderen Ländern ausreichend wissenschaftliches Material, das die Schädigung durch Pestizide belegt.“

„Mehr als überrascht“ war Ikrath, als er Freitag Früh gehört hat, dass sich das Umwelt- und Landwirtschaftsressort in Sachen Pestizid auf das Amtsgeheimnis beruft. Wenn das in dem Fall tatsächlich gelte (was Juristen bestreiten), sei das „ein massiver Grund mehr, noch vor der Wahl ein Transparenzgesetz zu verabschieden“, befindet der ÖVP-Justizsprecher im KURIER-Gespräch. Politisch ist für ihn „ganz klar geboten, den Bürgern solche Informationen zu geben. Es wäre klug gewesen, wenn der Minister diesen Weg gleich beschritten hätte. Das liegt in der Verantwortung bei so einem emotionalen Thema.“ Auch der wahlkämpfende Salzburger ÖVP-Chef Wilfried Haslauer stellte sich gegen Berlakovich. Er sei dafür, Pestizide zu verbieten.

ÖVP-Umweltsprecher Hermann Schultes springt dem Minister bei. „Berlakovich wird zu Unrecht angegriffen“, meint der Präsident der NÖ-Landwirtschaftskammer. „Er versucht, nachhaltige Landwirtschaft und Umweltschutz unter einen Hut zu bringen.“ Schultes ortet „eine Kampagne der Grünen“. Und denen sei gesagt: „Würde das Mittel gegen den Maiswurzelbohrer verboten, bekäme die Gentechnik in Europa neuen Auftrieb.“

Wie schädlich Neonicotinoide für Bienen offenbar wirklich sind, bekräftigte am Donnerstag der ehemalige langjährige Koordinator der ARGE Bienenforschung an der Uni für Bodenkultur in Wien, Stefan Mandl. Im APA-Gespräch zeichnete der nunmehrige Bio-Imker ein nicht nur sprichwörtlich vernichtendes Bild dieses Pflanzengiftes. Warum Umweltminister Nikolaus Berlakovich (V) gegen das von der EU beschlossene Pestizidverbot gestimmt hat, kann er überhaupt nicht nachvollziehen.

"Wissenschaftlich gibt es da überhaupt keinen Zweifel - die Giftigkeit ist längst bewiesen", so Mandl, schließlich existierten rund 50 Abhandlungen international renommierter Forscher, die die Gefährlichkeit von Neonicotinoiden bestätigen. Und zwar beileibe nicht nur für Bienen: Laut Mandl ist dort, wo diese Pestizide zum Einsatz kommen, das gesamte Ökosystem in großer Gefahr.

"Vier Nanogramm, also ein viermilliardstel Gramm, tötet eine Biene. Das ist nicht strittig, das hat sogar Bayer zugegeben." Neonicotinoide sind laut Mandl tausend Mal giftiger als das berühmt-berüchtigte Pflanzenschutzmittel DDT (Dichlordiphenyltrichlorethan), das in vielen Industrieländern dieser Welt schon seit Jahrzehnten verboten ist.

Mandl geht mit seiner Kritik sogar noch einen Schritt weiter: "Es ist so toxisch, dass es aus ökologischer Sicht nie zugelassen hätte werden dürfen." Vor etwa zwei Jahren habe er eine wissenschaftliche Arbeit an das Umweltministerium geschickt - um zu warnen. "Aber passiert ist nichts."

"Der Bienenschaden ist dokumentiert. Die Diskussion ist ja auch nicht neu, es ist alles längst abgeklärt", bekräftigte Mandl. Selbst bei sogenannten subletalen Mengen von Neonicotinoiden komme es bei Bienen zu Schädigungen wie zum Beispiel Orientierungsstörungen.

Doch nicht nur Bienen würden unter diesen extrem giftigen Substanzen leiden: Regenwürmer, Ameisen, Schmetterlinge, Käfer, Wasserorganismen. Mandl: "Das ist fatal für gesamte Insektenwelt. Die Bienen zeigen es nur auf - das größere Problem ist eigentlich, dass das komplette Ökosystem zerstört." Und das Beizen mit Neonicotinoiden werde nicht nur bei Mais angewendet, auch bei Erdäpfeln, Sonnenblumen, im Wein- und Obstanbau oder auch beim Winterweizen kämen sie zum Einsatz.

Warum Berlakovich gegen das Verbot gestimmt hat, ist Mandl "unerklärlich": "Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass er falsch beraten worden ist, es handelt sich ja doch um eine schwierige, umfassende Materie. Es ist kaum zu glauben, aber im Moment schützen uns die Eurokraten vor unserem eigenen Umweltminister."

Die Debatte ums Bienensterben und den Pestizideinsatz als Amtsgeheimnis hat am Freitag das zu Jahresbeginn versprochene Transparenz- bzw. Informationsfreiheitsgesetz in Erinnerung gerufen. Die Initiative transparenzgesetz.at, die von 8.000 Personen unterstützt wird, hat sich unter der Ägide des Anti-Korruptionsforschers Hubert Sickinger und des Ex-Profil-Journalisten Josef Barth dafür eingesetzt – ein Gesetzesentwurf zum Ersatz des Amtsgeheimnisses durch eine Informationspflicht allerdings steht trotz der Zusage der Regierungsparteien noch aus.

Eine erste Verhandlungsrunde mit den Staatssekretären Josef Ostermayer (SP) und Sebastian Kurz (VP) fand allerdings erst kürzlich statt. Beide Seiten beteuerten, das Gesetz eigentlich noch vor der Wahl auf den Weg bringen zu wollen. Die Bremser orteten sie jeweils auf der anderen Seite.

Ostermayer zeigte sich gegenüber der Tageszeitung Der Standard nicht sicher, ob sich ein Beschluss noch in dieser Legislaturperiode schaffen lässt. Dies gelte vor allem, wenn die ÖVP auf die Abhaltung einer Enquete bestehe. Aus seiner Sicht wäre es möglich gewesen, das Gesetz abzuhandeln, in Begutachtung zu schicken, Verbesserungsvorschläge einzuarbeiten und es rechtzeitig einzubringen. "Ich wäre für den schnelleren Weg gewesen, aber der Koalitionspartner will das nicht und somit wird es sich in dieser Periode nicht ausgehen", sagte er laut vorab übermitteltem Interview.

Ganz anders sieht man das bei der ÖVP. Die Enquete sei vor Monaten ein Thema gewesen, dafür sei nun keine Zeit mehr, hieß es gegenüber der APA. Man sieht die SPÖ im Verzug. In der Liste jener Gesetze, die noch vor der Wahl beschlossen werden sollen, sei das Informationsfreiheitsgesetz seitens der SPÖ bisher nicht eingemeldet worden.

Kurz selbst beharrte gegenüber der APA auf einen Beschluss noch in dieser Legislaturperiode. Das Gesetz sollte allerdings "lückenlos" sein, es sollten auch staatseigene Betriebe eingebunden sein, "damit es hier nicht die Möglichkeit gibt, doch das Gesetz zu unterwandern" - etwa mit ausgelagerten Betrieben.

Von der SPÖ fordert der ÖVP-Staatssekretär die Übermittlung eines Gesetzestextes, damit dieser in Begutachtung geschickt werden kann. "Auf den warten wir schon sehr lange, den sollte es so schnell als möglich geben, damit Verbesserungsvorschläge der Initiative und der ÖVP eingebaut werden können", sagte er. Geht es nach Kurz, so sollte das Gesetz bereits in "ein bis zwei Wochen" in Begutachtung geschickt werden.

Ostermayer wiederum wertete die ÖVP in manchen Punkten viel vorsichtiger, als öffentlich kommuniziert, etwa bei Fragen der Gerichtsbarkeit. Seine Bedenken bezüglich Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Offenlegungspflichten für staatsnahe Betrieben bekräftigte er. Dies gelte etwa für Energiebetriebe wie den Verbund oder die EVN, so Ostermayer.

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