Reform: "Täter sollen sich nicht mit Ehrungen brüsten können"

++ HANDOUT ++ PK REFORM DER EHRENZEICHENGESETZE: KOGLER / EDTSTADLER
Orden sollen künftig posthum und ex lege aberkannt werden können, so Vizekanzler und Verfassungsministerin. Judoka Seisenbacher könnte Auszeichnung der Republik bald verlieren.

"Aus Verantwortung für Österreich", so heißt das Regierungsprogramm der türkis-grünen Regierung. Das bedeute auch, "einen verantwortungsvollen Umgang mit der Vergangenheit zu pflegen", sagt Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler. "Besonders perfide" sei es, so Kogler, dass bei Ehrungen und staatlichen Anerkennungen auch Nationalsozialisten bedacht worden seien. "Jene, die auch nur vom Schreibtisch aus dem Rassenwahn den intellektuellen Unterbau gegeben haben, haben auch den Grundstein für die NS-Zeit geliefert."

Kogler und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler wollen deshalb die Möglichkeit schaffen, die Ehrungen wieder abzuerkennen.

"Besonders perfide"

Kogler will damit einen "Kulturwechsel" beginnen. Das Verhalten der Ausgezeichneten soll künftig beurteilt werden - sollte es dem Wesen der Ehrung widersprechen, so werde diese aberkannt werden. "Täter sollen sich nicht mit Ehrungen brüsten können", so Kogler. 

Der "Lückenschluss" sei notwendig, so Edtstadler. Bis 17. Juli geht das Gesetz in Begutachtung. Ein Ehrenzeichen entspricht der "Anerkennung von herausragenden Leistungen für Österreich", eine ausgezeichnete Person müsse Vorbild sein, so die Ministerin weiter und stellt einen Vergleich an.

"Es ist wie der Meistertitel für den Fußballspieler, der Nobelpreis für einen Wissenschafter - deshalb müssen Ehrenzeichen auch geschützt werden."

"Ein Ehrenzeichen ist keine Momentaufnahme"

Der Anlassfall für die Reform ist der Fall Hans Globke. "Er hat bei den Nürnberger Rassengesetzen mitgeschrieben", führt Edtstadler aus. "Er hätte niemals ein Ehrenzeichen verliehen bekommen dürfen" und: "Nazis oder Kinderschänder dürfen keine Ehrenzeichen bekommen."

Globke war Deutscher, erhielt 1956 den zweithöchsten Orden der Republik. Ein Aberkennungsfall eines österreichischen Staatsbürgers aus der NS-Zeit sei Edtstadler - auf Nachfrage - derzeit nicht bekannt. Im Sport gibt es, so Kogler, "mindestens einen Fall", in dem es jetzt zu Konsequenzen im Nachhinein kommen könnte. Namen nennen will er nicht. 

Laut KURIER-Recherchen handelt es sich um Peter Seisenbacher. Der österreichische Judoka gewann bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles und 1988 in Seoul Gold.

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Peter Seisenbacher

Peter Seisenbacher vor Gericht

Der heute 63-Jährige wurde dereinst ob seiner herausragenden sportlichen Leistungen mit dem höchsten Orden der Republik bedacht.

2019 wurde er wegen Kindesmissbrauchs in seiner Funktion als Jugendtrainer nach seiner aktiven Karriere zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Im November 2022 wurde er aus der Haft entlassen.  

 So kam es zum Urteil gegen gegen Peter Seisenbacher

Doch noch ist das Gesetz in Begutachtung.

Derzeit sieht das Gesetz nicht vor, dass Ehrenzeichen posthum aberkannt werden können. Derzeit sei es aber auch bei groben Verstößen gegen die Grundwerte der Republik nicht möglich, Ehrenzeichen um Verdienste der Republik abzuerkennen. Künftig soll zwischen einem Widerruf ex lege, also dem Verlust von Rechts wegen, und der aktiven Aberkennung unterschieden werden. 

Ex lege soll ein Ehrenzeichen widerrufen werden, wenn der Ausgezeichnete wegen einer Vorsatztat zu mehr als sechs Monaten unbedingter oder 12
Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt wird sowie ‐ unabhängig von der Strafhöhe ‐ bei Verurteilungen gegen Leib und Leben, die Freiheit, die
sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, gegen die Republik oder deren Einrichtungen und Organe oder nach dem Verbotsgesetz.

Für die Aberkennung wird nun ein eigener Beirat im Bundeskanzleramt eingerichtet. 

Menschen sollten nur das Ehrenzeichen erhalten, wenn sie die "Grundwerte des Zusammenlebens" hochhalten und leben.

Neuwahlgerüchte: "Erst wird gewählt, gezählt, dann geschieht irgendwas"

Danach gefragt, was sie von den Ankündigungen des neuen SPÖ-Chefs Hans Peter Doskozil hält, der weder mit der FPÖ noch - so möglich - mit der ÖVP eine Koalition eingehen will, sagt Edtstadler: "Ich beschäftige mich nicht 24 Stunden mit der SPÖ, es reicht, wenn sich die SPÖ mit sich selbst beschäftigt". Die letzten Aussagen von Doskozil hätten überdies nicht "mal 24 Stunden gehalten". Vizekanzler Werner Kogler will abwarten, wie er sagt. 

Doskozil hatte am Parteitag eine Ampel-Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos als erklärtes Ziel ausgegeben. "Es wird gewählt, gezählt - und dann geschieht irgendwas", so Kogler. Wenigstens solle man den Wahlkampf abwarten und der beginne erst in einem Jahr.

Eine Zusammenarbeit mit FPÖ-Chef Herbert Kickl schließt Edtstadler weiter aus. Sie habe unter Kickl als Innenminister gearbeitet - für sie sei eine "rote Linie zu ziehen". 

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