Edtstadler streut SPÖ Rosen: "Habe Commitment gespürt"
Karoline Edtstadler, Ministerin für Europa und Verfassung (ÖVP), über ihre Zusammenarbeit mit den Roten, Justiz-Projekte mit den Grünen und das Gerücht, sie könnte Kanzler Nehammer ablösen.
KURIER: Das Infofreiheitsgesetz ist jetzt beschlossen – jahrelange Verhandlungen liegen hinter Ihnen. Wie fühlt sich das an?
Karoline Edtstadler: Es ist ein Meilenstein, der zeigt, dass sich Hartnäckigkeit auszahlt – und dass Österreich reformierbar ist.
Sie haben die SPÖ ins Boot geholt. Wie lief die Zusammenarbeit?
Wir haben für die Verfassungsmehrheit eine große Oppositionspartei gebraucht. Die FPÖ hat sofort abgesagt, die Neos waren auch unzufrieden. Bei meinen Gesprächspartnern in der SPÖ habe ich früh das Commitment gespürt, dass man für den Rechtsstaat und für die Zukunft die Schienen in die richtige Richtung legen will. Harte Arbeit gemeinsam mit konstruktiven Parteien – das bereitet mir große Freude.
Gibt Ihnen das Aufschluss darüber, mit wem es in einer künftigen Koalition funktionieren könnte?
Ich habe die FPÖ unter Obmann Herbert Kickl noch nie als konstruktiv empfunden. Denken Sie zurück an Herausforderungen wie Covid, Teuerung, Energie oder Russland. Es gab in diesen Phasen nie ein Miteinander, nur ein Aufwiegeln. Das ist bei meinen Gesprächspartnern in der SPÖ tatsächlich anders. Man kann es als positives Vorzeichen sehen, dass es Kräfte gibt in diesem Land, denen es wirklich um Österreich geht und nicht darum, Hass zu schüren.
Sie sind also auch für eine Große Koalition?
Ich halte nichts von Spekulationen über Koalitionen vor einer Wahl. Es ist notwendig, Menschen von den eigenen Positionen zu überzeugen, aber auch zu zeigen, dass man bereit ist, mit anderen zusammenzuarbeiten. Insofern pflege ich Kontakte, und mit Jörg Leichtfried, Verfassungssprecher der SPÖ, habe ich eine gute Zusammenarbeit.
Noch sind Sie in einer Koalition mit den Grünen, im Justizbereich steht beispielsweise noch die Neuregelung der Sicherstellung von Handys an. Was stellen Sie sich vor?
Der Verfassungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis sehr weit und sagt sehr klar, dass es bei einer Sicherstellung nicht nur die richterliche Genehmigung braucht, sondern, dass die Staatsanwaltschaft auch festlegen muss, welche Daten zu welchem Zweck ausgewertet werden. Es soll nicht mehr die grobe Masse ausgewertet werden. Das bestätigt mich in meinen bisherigen Forderungen.
Hausdurchsuchungen werden aktuell mit einem simplen Stempel genehmigt. Reicht Ihnen das auch für die Sicherstellung von Handys?
Das ist Inhalt der Verhandlungen. Ich persönlich finde schon, dass ein Richter eine gewichtigere Rolle haben sollte, als nur abzusegnen.
Aktuell verhandeln Sie mit dem Justizministerium auch den Kostenersatz. Es sieht so aus, als würde ganz einfach die bestehende Pauschale erhöht. Im Österreichplan der ÖVP ist aber von einer „vollen Rückerstattung bei Freispruch“ die Rede. Was wird’s?
Ich kann aus den laufenden Verhandlungen nicht berichten, aber wir versuchen, im Rahmen der budgetären Möglichkeiten einen Ersatz der zweckgerichteten Verteidigung und nicht nur einen Beitrag zu ermöglichen. Das Budget von 70 Millionen ist ein Riesenschritt, aber das Ziel sollte der volle Ausgleich sein.
Bei Ihrer Forderung nach einem Zitierverbot schlägt Ihnen ein rauer Wind entgegen. Sie bleiben dabei?
Das wäre nicht das erste Mal (lacht). Mir geht es darum, nicht nur jene, die von einem Strafverfahren betroffen sind, zu schützen, sondern auch die Unabhängigkeit der Justiz. Ein Strafrichter ist auch nur ein Mensch. Wenn in den Zeitungen regelmäßig Auszüge und Faksimiles aus einem nicht öffentlichen Strafakt abgedruckt werden, dann beeinflusst das nicht nur die Öffentlichkeit.
Sie beschneiden damit nicht nur die Medien, sondern auch die Rechte von Beschuldigten, die selbst ein Interesse daran haben, dass Entlastendes an die Öffentlichkeit kommt.
Es kommt darauf an, wie man die Regelung ausgestaltet. Ich möchte, dass man wieder mehr Sensibilität dafür entwickelt, was dem Zweck, die Öffentlichkeit zu informieren, dienlich ist und was den Rechten des Beschuldigten und der Unabhängigkeit der Justiz abträglich ist. Ich glaube schon, dass wir eine Balance schaffen können. Es gibt in 23 anderen Ländern im Europarat eine Art des Zitierverbots. Nur bei uns wird so getan, als wäre ich die Mörderin der Pressefreiheit, wenn ich das fordere. Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut, aber nicht absolut.
Themenwechsel: Die EU-Wahl steht an. Das Interesse scheint relativ gering – und wenn welches da ist, dann verbunden mit viel Skepsis. Wie wollen Sie die Stimmung drehen?
Wir haben im Bundeskanzleramt eine Kampagne gestartet, um zu informieren, Fakten über die EU unter die Menschen zu bringen und zu zeigen, was alles geschafft wurde. Dinge, die Großbritannien jetzt nicht mehr hat. Apropos: Der Brexit 2016 ist für viele total überraschend gekommen, vor allem für junge Menschen, die nicht abgestimmt haben. Die eigentlich proeuropäisch gewesen wären, sich aber nicht gekümmert haben. Wir stehen jetzt an einem neuralgischen Punkt: Europa darf nicht in die Extreme abgleiten, wir müssen die Mitte stärken.
Neu auf dem Parkett ist Lena Schilling, die vor allem junge Wähler zu den Grünen locken könnte. Wie schätzen Sie sie ein?
Ich kenne ihre Positionen nicht im Detail, aber was auffällt, ist, dass sie die einzige weibliche, junge Spitzenkandidatin ist und teilweise durchaus pragmatische Ansätze hat.
Wie will die ÖVP junge Wähler mobilisieren? Reinhold Lopatka ist 64.
Jung sein reicht nicht aus, um Junge zu mobilisieren. Das Angebot kann auch sein, dass man über Generationen gut zusammenarbeitet, sein breites Wissen einbringt und eine Vision von Europa hat. Es ist wichtig, dass die Dinge ausgewogen sind. Es braucht einen weiblichen und einen männlichen Blick, den Esprit der Jungen und die Erfahrung der Älteren.
Die Prognosen für die ÖVP sind nicht gerade rosig. Es gibt Gerüchte, Sie könnten nach der EU-Wahl Karl Nehammer an der Spitze ablösen und bei der Nationalratswahl ins Rennen gehen.
Das wird nicht passieren. Wir haben einen Bundeskanzler, der mit dem Österreichplan gezeigt hat, wie wir in die Zukunft gehen wollen. Da werde ich ihn tatkräftig unterstützen, und ich bin zuversichtlich, dass wir auch die Nationalratswahl gut schlagen werden – mit Karl Nehammer an der Spitze.
Es gibt durchaus Stimmen, die Ihnen die Kanzlerkandidatin zutrauen. Schmeichelt Ihnen das nicht?
Sehr schmeichelhaft, aber das ist nicht meine Vorstellung.
Und wie stellen Sie sich dann nach diesem Herbst Ihre Zukunft vor?
Ich bin ein stabiler Faktor in der Bundesregierung und auch weiterhin bereit, Verantwortung zu tragen. In welcher Form, das sucht man sich oft nicht aus. Die Dinge passieren, wie sie passieren müssen.
Karoline Edtstadler
ist Ministerin für Europa und Verfassung (ÖVP) mit Sitz im Bundeskanzleramt. Ihre Themen:
Verteidiger-Kostenersatz
Nicht nur bei Freispruch, sondern auch bei Einstellung des Verfahrens soll es künftig Geld geben. Der KURIER erfuhr kürzlich, dass die Pauschalen erhöht werden – teils ums Dreifache.
Beschuldigtenrechte
Der VfGH hat die Regelung zur Sicherstellung aufgehoben, bis 2025 braucht es eine neue – im Fokus stehen Handys. Zudem will Edtstadler ein Zitierverbot, das lehnen die Grünen ab.
EU-Wahl
Das Kanzleramt hat eine Info-Kampagne gestartet, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Infos: www.unsereuropa2024.at.
Kommentare