Justizministerin Alma Zadić (Grüne) über die Corona-Beschränkungen, fehlerhafte Gesetze und wie es bei den Gerichten weitergeht.
KURIER:Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte im Bundestag, die Corona-Pandemie sei angesichts der Einschränkungen der persönlichen Freiheitsrechte eine „demokratische Zumutung“. Sehen Sie das auch so?
Alma Zadić: Den Satz kann ich unterschreiben. Es ist eine Zumutung für jeden von uns – gerade in einer so freiheitsliebenden, offenen und kritischen Gesellschaft. Trotzdem zwingt uns diese Pandemie, unsere Freiheit einzuschränken. Wichtig ist, regelmäßig zu evaluieren, ob die Maßnahmen noch notwendig und verhältnismäßig sind; und transparent zu sein, damit sie auch jeder versteht.
Das neue Covid-Paket soll nächste Woche wieder ohne Begutachtung vom Parlament beschlossen werden. Warum noch immer die Eile?
Es ist wichtig, rasch die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit wir das Virus weiter erfolgreich eindämmen können. Unser Ziel ist aber, bald wieder zu einem normalen Gesetzwerdungsprozess zu kommen. Der parlamentarische Dialog und die verschiedenen Meinungen gehören dazu. Im Justizbereich haben wir im Vorfeld Vertreter von betroffenen Berufsgruppen einbezogen und waren im Austausch immer sehr effektiv. Beim ersten Covid-Paket ging das übers Wochenende.
In der Eile waren Gesetze und Verordnungen teils fehlerhaft. Stört Sie das?
Oberstes Ziel ist und war es, rasch zu handeln, weil sich auch das Virus rasch ausbreitet. Wenn es im Nachhinein Kritik gibt, nehmen wir sie ernst und adaptieren falls erforderlich.
Der Verfassungsgerichtshof wird die 20 Beschwerden, die ihm vorliegen, aber erst im Juni behandeln. Sind Sie für eine Beschleunigung?
Die Notwendigkeit für ein Eilverfahren, das angesprochen wurde, sehe ich nicht. Weil man so den VfGH in die politische Auseinandersetzung hineinziehen würde. Die Verfahren, wie wir sie kennen, haben sich bewährt. Aber natürlich freut es mich, wenn der VfGH so rasch als möglich entscheidet.
Die Kritik der Opposition ist ein Zeichen der Normalisierung. Ich finde diesen Diskurs gut und richtig.
von Alma Zadic
sieht im bröckelnden Schulterschluss auch Positives
Sie sagten zuletzt, der politische Schulterschluss sei wichtig, damit die Bevölkerung die Maßnahmen mitträgt. Der bröckelt aber. Könnte im Umkehrschluss die Stimmung jetzt kippen?
Das pointiertere Auftreten und die Kritik der Opposition sind ein Zeichen der Normalisierung. Ich finde diesen Diskurs gut und richtig.
Die Coronakrise hat alles auf den Kopf gestellt – sollte man deshalb den Koalitionspakt neu verhandeln?
Das halte ich nicht für notwendig. Wir sind als Regierung mit klaren Zielen angetreten und haben schon vor der Krise gut zusammengearbeitet – das werden wir auch weiter tun und uns diesen Zielen weiter nähern.
Es droht jetzt aber ein massives Budgetloch. Halten die Zusagen für Ihr Ressort?
Der Justizbereich bekommt laut Budgetvorschlag 165 Millionen Euro mehr. Das wird halten, weil wir gerade wegen der Coronakrise sehr gefordert sein werden. Wir erwarten mehr Verfahren als zuvor.
Die Gerichte werden wieder hochgefahren – wie ist aktuell die Situation?
Wir haben einen erheblichen Rückstau, weil coronabedingt 30.000 Verfahren vertagt wurden. Wir wollen langsam wieder in den Normalbetrieb kommen, indem wir die Gerichtssäle mit Maskenpflicht, Trennwänden und dem Abstand-Halten coronafrei halten. Es gibt außerdem die Möglichkeit, Verhandlungen per Videokonferenz durchzuführen.
Diese Videomöglichkeit soll hier nur sehr restriktiv angewendet werden, weil das ein sehr sensibler Bereich ist.
von Justizministerin
über künftige Strafprozesse mit Geschworenen
Gehen Strafprozesse zu schwereren Verbrechen mit Geschworenen und Schöffen auch per Video?
Prinzipiell ja, aber die Richter prüfen im Einzelfall, ob es verhältnismäßig ist. Es wird darauf ankommen, wie gut der Angeklagte per Video die Verhandlung verfolgen, alle Beteiligten sehen und hören kann. Wir haben per Erlass auch klargestellt, dass diese Videomöglichkeit hier nur sehr restriktiv angewendet werden soll, weil das ein sehr sensibler Bereich ist.
Können sich Angeklagte auch weigern?
Der Verteidiger kann beantragen, dass er das nicht möchte, die Entscheidung trifft aber der Richter. Man hat die Möglichkeit, diese Entscheidung anzufechten.
Sie haben in unserem letzten Interview das Versprechen gegeben: „Es bleibt kein Eingriff übrig.“ Halten Sie das?
Ja, alle Maßnahmen sind befristet und werden regelmäßig evaluiert.
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