Justiz prüft "Ehe light": Trennung leicht gemacht
Das Justizministerium prüft die Einführung eines neuen Ehe-Modells. Heißen könnte es „Ehe light“ oder „Kurz-Ehe“. Das geht aus einem Fragebogen hervor, den das Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie (IRKS) kürzlich an Familiengerichte, Anwälte, Ehe- und Paar-Beratungsstellen geschickt hat.
Darin wird zunächst abgefragt, welchen Änderungsbedarf die Praktiker beim Ehe- und Familienrecht sehen – etwa, ob bestimmte Regelungen „nicht mehr zeitgemäß“ seien. Weiter hinten (der Fragebogen liegt dem KURIER vor) werden schließlich „Fragen zur neuen Form der ’Ehe light’“ gestellt. Da heißt es etwa:
- Sollen bei diesem neuen Modell „Rechte und Pflichten (z. B. Unterhalt) individuell ausgewählt und vereinbart“ werden können?
- Sollen „praktische Paket-Lösungen“ zur Auswahl stehen?
- Soll die „Treuepflicht flexibel gestaltet“ werden können?
- Soll diese Ehe „durch einseitige Erklärung eines Partners bei einer offiziellen Stelle aufgelöst werden können, und zwar ohne Angabe von Gründen“?
- Soll sie „befristet abgeschlossen werden und verlängert werden können“?
Zwei fast idente Modelle
Zur Erinnerung: Das sind Ideen, (noch) keine fixen Vorhaben. Aber wenn entsprechende Regeln kommen, würden Scheidungen deutlich erleichtert. Insgesamt greifen die Fragen zur „Ehe light“ Aspekte auf, die seit Längerem am Eherecht kritisiert werden – etwa das Verschuldensprinzip, Regeln zum Unterhalt oder zur Vermögenstrennung.
Eine Reform könnte zudem eine aktuell nicht minder skurrile Rechtslage auflösen: Es gibt in Österreich zwei Institute – die Ehe und die eingetragene Partnerschaft. Diese beiden sind fast ident, sie existieren parallel, erklärt Brigitte Birnbaum, Scheidungsanwältin und Vize-Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Wien.
Entstanden ist die Situation so: 2010 hat die damals rot-schwarze Regierung die eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. Sie enthielt viele Unterschiede zu den Rechten einer Ehe, die verschiedengeschlechtlichen Paaren vorbehalten war – etwa Adoption oder die standesamtliche Trauung. Diese Unterschiede wurden 2017 vom Verfassungsgerichtshof als diskriminierend aufgehoben.
Die Ehe war damit ab 2019 für alle offen – so auch die eingetragene Partnerschaft. Daraufhin schlossen viele homosexuelle Paare eine Ehe.
Viele heterosexuelle Paare begründeten lieber eine eingetragene Partnerschaft (siehe Grafik unten).
Für Anwältin Birnbaum ist das ein Zeichen, dass die Ehe auf viele „verzopft“ und altmodisch wirkt, die eingetragene Partnerschaft dagegen modern und unkompliziert. Obwohl die Institute – wie gesagt – sehr ähnlich sind.
Die „Ehe light“ könnte eine eingetragene Partnerschaft mit neuen Voraussetzungen werden. Den Wunsch nach Flexibilität zeigt auch eine Studie der Uni Innsbruck (siehe Artikel unten).
Im Justizministerium heißt es, der eingangs erwähnte Fragebogen sei Teil einer Studie, die im Herbst fertiggestellt wird und „Anregungen für die künftige Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für ein partnerschaftliches Zusammenleben liefern soll“.
Vorbild Frankreich
Eine Ehe-Reform ist Justizministerin Alma Zadić (Grüne) ein großes Anliegen: Kurz nach Amtsantritt 2020 sagte sie in einem Interview, dass „überholte Strukturen entrümpelt“ gehörten und eine „Ehe light“ überlegt werde. Als Vorbild nannte sie Frankreich. Im aktuell vorliegenden Fragebogen klingt vieles danach.
In Frankreich gibt es seit 1999 den „Pacte civil de solidarité“ (PACS), zu Deutsch: ziviler Solidaritätspakt. Ein Paar unterschreibt eine gemeinsame Erklärung. Wie diese Solidarität aussehen soll, entscheidet es selbst.
Aufgelöst wird der Pakt ebenso unkompliziert durch eine schriftliche Erklärung – notfalls einseitig nach Ablauf einer Frist. Nachteile birgt der PACS beim Erben und im Ausland, wo das „pacsen“ nicht anerkannt ist. Ein PACS kann jederzeit in eine Ehe umgewandelt werden.
Scheidungsanwältin ist skeptisch
Braucht es auch in Österreich eine „Ehe light“? Scheidungsanwältin Birnbaum ist skeptisch. Vieles ließe sich schon jetzt in einem Ehevertrag flexibel regeln. Sinnvoll wäre eine verpflichtende Beratung vor der Eheschließung. Denn: „Viele sind jahrelang verheiratet und merken erst bei der Scheidung, wozu sie sich da verpflichtet haben.“
Am häufigsten werde beim Geld und bei den Kindern gestritten. Bevor man ein neues Modell einführe, sei es klüger, das alte zu reformieren, sagt sie.
Die Ehe
Das Gesetz von 1938 regelt Rechte und Pflichten – dazu zählen etwa das gemeinsame Wohnen und die gemeinsame Deckung der Lebensbedürfnisse. Als „schwere Eheverfehlung“ gelten Ehebruch, das Zufügen von körperlicher Gewalt oder schwerem seelischen Leid. Scheidungsgründe sind auch „tiefe Zerrüttung“, „ehrloses Verhalten“ und „ansteckende oder ekelerregende Krankheiten“.
Die eingetragene Partnerschaft:
Das Gesetz von 2010 ist, seit der VfGH 2017 Diskriminierungen aufhob, im Wesentlichen wie das Ehe-Gesetz – etwa bei den „Verfehlungen“, aufgrund derer die Partnerschaft „aufgelöst“ (Ehe: „geschieden“) werden kann. Pflichten sind zudem eine „Vertrauensbeziehung“, anständige Begegnung und Beistand.
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