Boris Johnson übersteht Misstrauensvotum

Boris Johnson übersteht Misstrauensvotum
Der britische Premierminister bleibt im Amt. Er gewann am Montag eine Vertrauensabstimmung seiner konservativen Parlamentsfraktion.

Der britische Premierminister Boris Johnson bleibt im Amt. Das wurde am Montagabend gegen 22 Uhr vom zuständigen Parteikomitee mitgeteilt. 211 Abgeordnete von Johnsons Tories stimmten am Montagabend für Johnsons Verbleib als Parteivorsitzender, 148 Parlamentarier sprachen ihm das Misstrauen aus. 

Das Amt des Premierministers ist bei den britischen Konservativen an das des Parteichefs gekoppelt.

Auslöser für die Abstimmung war die Affäre um Partys in Johnsons Amtssitz während des Corona-Lockdowns. Davor war es in London ziemlich rund gegangen, nicht nur wegen des Thronjubiläums der Queen.

Tories wetzten die Messer

Denn es schien bereits schien wie ein Omen, dass Boris Johnsons Kommunikationschef in der Woche der Feiern eine Inszenierung von William Shakespeares „Julius Cäsar“ besuchte. Nach Monaten der Kritik am Partei- und Regierungschef wegen der Partygate-Affäre um Lockdown-Feste im Regierungsviertel wetzten da bereits immer mehr Mitglieder seiner Tory-Fraktion die Messer.

Sie hatten das Queen-Jubiläum nicht überschatten wollen. Am Montag wichen dann aber vier Tage Partystimmung schlagartig der Ernüchterung im politischen London. Kurz nach acht Uhr kündigte das zuständige Parteikomitee an, die Schwelle von 54 Anträgen, also 15 Prozent der Mandatare der Konservativen, für ein Misstrauensvotum gegen Johnson sei erreicht.

Eine geheime Abstimmung, ob er Land und Partei weiter anführen soll, wurde deshalb für Montagabend angesetzt. Für seinen Sturz wäre eine Mehrheit seiner 359 Abgeordneten nötig gewesen, also 180 Stimmen.

Überlebenskünstler

Das Ergebnis wurde gegen 22 Uhr verkündet. Und es fiel positiv für Johnson aus. Er gewann die Vertrauensabstimmung. Der Antrag, ihm das Misstrauen auszusprechen, fand keine
Mehrheit. Das teilte das zuständige Parteikomitee mit.

Erwartungen erfüllt

Bereits im Vorfeld hatten Experten die nötigen 180 Stimmen als hohe Hürde gesehen und vorausgesagt, dass der politische Überlebenskünstler Johnson wohl auch diesen politischen Todesstoß vermeiden kann. Denn allein 160 bis 170 seiner Parlamentarier halten zumindest teilweise von der Regierung bezahlte Jobs.

Außerdem gibt es keine klare Alternative für Johnson. Und seine Kritiker kommen zwar aus diversen Parteiflügeln, treten aber bisher nicht als organisierte Rebellen auf. Manche Tories hatten deshalb dazu aufgerufen, Misstrauensbriefe zurückzuziehen, um bis nach den Nachwahlen für zwei Unterhaus-Sitze am 23. Juni abzuwarten. Laut Umfragen dürften die Tories je einen davon an die Labour Partei und die Liberaldemokraten verlieren, was Johnson weiter schwächen und seinen Ruf als Wahlsieger untergraben könnte.

Boris Johnson übersteht Misstrauensvotum

Medienauflauf in der Londoner Downing Street

„Ich weiß, dass ich in den letzten Monaten stark unter Beschuss geraten bin und die Erfahrung für die ganze Partei schmerzhaft war“, gab sich Johnson in einem Brief an seine Mandatare reumütig. „Wo es gerechtfertigte Kritik gab, habe ich zugehört, gelernt und signifikante Änderungen vorgenommen“. Aber siegessicher bezeichnete er die Abstimmung als „goldene Chance, einen Schlussstrich zu ziehen“.

Sein Kommunikationschef nannte schon vor Tagen „Cäsar“ als Beispiel dafür, wie „der Sturz eines Anführers, der große Siege errungen hat, schlecht endet“.

„Anfang vom Ende“

Kritiker gaben sich dennoch hoffnungsvoll. Ex-Gesundheits- und Außenminister Jeremy Hunt, der 2019 Johnson im Showdown um den Parteivorsitz unterlag und wieder als möglicher Kandidat für seine Nachfolge gesehen wird, kündigte seine Stimme gegen den Chef bereits an. „Die Entscheidung ist zwischen Veränderung oder Niederlage“, meinte er. Das galt als Vergleich mit Ex-Premier John Major, der eine Vertrauensfrage überlebte, aber dann in eine Wahlschlappe schlitterte.

Labour-Chef Keir Starmer nannte das Votum, unabhängig vom Ergebnis, den „Anfang vom Ende“ für Johnson, weil Tory-Premiers in der Vergangenheit solche Abstimmungen gewannen, aber danach das Handtuch werfen mussten. So bekam Theresa May im Dezember 2018 die Unterstützung von 63 Prozent ihrer Fraktion, trat aber einige Monate später unter Druck zurück. Margaret Thatcher ereilte ein ähnliches Schicksal.

Ein knappes Ergebnis könnte Johnson zwar weiter schwächen, werde ihn aber wohl nicht zu einem freiwilligen Abgang verführen, meinten andere. „Wenn er mit einer Stimme Mehrheit gewinnt, wird er bis zum Tod kämpfen“, sagte etwa ein Minister der Times.

Bei einer Stimmenmehrheit wäre Johnson ein Jahr lang vor einer neuerlichen Abstimmung gefeit. In einem potenziellen weiteren Omen für den Premier bemerkte aber Graham Brady, Chef des zuständigen Tory-Komitees, dass es „technisch gesehen möglich ist, die Regeln zu ändern“.

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