Integrationsbericht: Nur jede vierte Frau aus "Asyl-Ländern" ist erwerbstätig
Der Wanderungssaldo hat sich von 2022 auf 2023 halbiert, gesunken ist auch die Zahl der Asylanträge, sagt Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) bei der Präsentation des Integrationsberichts 2023 und schlussfolgert daraus: „Die Asylbremse wirkt.“
Mit Zahlen ist das so eine Sache. Es lohnt sich ein Blick auf die Details.
2022 war das erste Jahr des russischen Angriffskrieges, rund 80.000 Ukrainer suchten in Österreich Schutz. 2023 kamen nur noch rund 15.800. Ukrainer machen Ende 2023 mehr als die Hälfte der rund 80.000 Grundversorgungsbezieher in Österreich aus.
Die Zahl der Zuwanderer aus Ländern wie Syrien, Afghanistan und dem Irak ist ein wenig gestiegen: von knapp 19.000 auf 19.300.
Zur Zahl der Asylanträge (die 2022 mit 112.272 einen neuen Rekordwert erreicht hat) steht im Integrationsbericht, dass daraus nicht direkt auf die effektive Einwanderung geschlossen werde könne. Denn: Von jenen, die 2022 hier einen Antrag gestellt haben, wanderte „die große Mehrheit (ca. 80 %) binnen weniger Stunden oder Tage in ein anderes europäisches Land weiter“.
2023 finde in der Asylstatistik vor allem der Familiennachzug Niederschlag, heißt es in dem Bericht weiter. Die Zahl hat sich verdoppelt: 2022 kamen 4.200, 2023 waren es 9.200. Dabei handelt es sich um Angehörige (z.B. Kinder) von Menschen, die bereits einen Schutzstatus in Österreich haben.
"Deutsch darf nicht in den Hintergrund rücken"
Die Migration befinde sich jedenfalls weiter auf hohem Niveau, sagte Katharina Pabel, Vorsitzende des Expertenrats für Integration, und so steige auch der Bedarf an Maßnahmen. Bei rund 65 Prozent der Asyl- und subsidiär Schutzberechtigten bestehe etwa „Alphabetisierungsbedarf“.
Allerdings sind nur 37 Prozent „primäre“ Analphabeten, die in keiner Sprache lesen und schreiben können. Beim Rest handelt es sich um jene, die nur das in Westeuropa verwendete lateinische Alphabet nicht beherrschen.
Der Arbeitsmarkt biete auch für Menschen ohne Deutschkenntnisse und geringen Qualifikationen Chancen – und prinzipiell sei das auch positiv, sagt die Expertin, weil dadurch „soziale Integration“ geschieht. Aber: „Das darf nicht dazu führen, dass das Lernen der deutschen Sprache in den Hintergrund rückt.“
Pabel plädiert dafür, die Angebote anzupassen: Es brauche eine Verzahnung von Sprachkurs und Arbeit, etwa durch Angebote in den Firmen oder Mentoring Programme.
Ukrainerinnen schneller erwerbstätig
Ukrainer hätten durch ihre Schulbildung vor Kriegsbeginn 2022 deutlich bessere Startbedingungen und lernen laut Statistik auch schneller auf höherem Niveau Deutsch. Rund 40 Prozent der Ukrainerinnen sind bereits erwerbstätig, abgehalten werden viele nur von Kinderbetreuungspflichten.
Von Frauen aus Afghanistan, Syrien oder dem Irak sind laut Zahlen der Statistik Austria nur rund 26,3 Prozent erwerbstätig (Männer: 55,2 Prozent). Hier verortet Integrations- und Frauenministerin Raab die Ursache mehr im „Wertefundament“, wie sie sagt. Häufig werde in den Familien entschieden, dass nur Männer an Integrationsmaßnahmen teilnehmen und die Frauen daheim bleiben.
Umso wichtiger seien die verpflichtenden Deutsch- und Wertekurse. Sie appelliert an die Bundesländer, Sanktionen (Kürzung der Sozialleistungen) einzusetzen, wenn jemand nicht teilnimmt.
Politische Ableitungen
Die Integrationsministerin erhob bei der Präsentation des 14. Integrationsberichts Forderungen, die die ÖVP nicht zuletzt im anlaufenden Wahlkampf erhebt: So wolle man bei der Sozialhilfe das dänische Modell übernehmen, das eine Wartefrist von fünf Jahren für den Vollbezug der Sozialhilfe vorsieht. Im Bereich des Arbeitsmarkts sollten Flüchtlinge verpflichtet werden, dort hin zu gehen, "wo die Arbeit ist", also weg von Wien und in jene Länder, wo Bedarf besteht.
Stark machte sich die Ministerin für die Zuwanderung von Arbeitskräften unter anderem aus der Europäischen Union: "Wir brauchen die richtige Form der Migration, wir brauchen qualifizierte Migration."
"Jahr für Jahr dieselben Forderungen"
Kritik kommt vom Wiener SPÖ-Integrationssprecher Christian Oxonitsch. Der Integrationsbericht sei "eine weitere Bestätigung des integrationspolitischen Versagens der letzten Jahre, durch die ÖVP", befand er in einer Aussendung. Raab präsentiere "Jahr für Jahr dieselben schlechten Zahlen und äußert Jahr für Jahr dieselben Forderungen, als wäre sie nicht die Integrationsministerin".
Für die Caritas ist der Begriff der illegalen Migration "verfehlt", könnten Menschen doch nicht legal einreisen, um einen Asylantrag zu stellen, hieß es auf X (vormals Twitter).
Ein "in Zahlen gegossenes Versagen der schwarz-grünen Bundesregierung" sehen auch die Freiheitlichen im Integrationsbericht. Raab präsentiere die Zahlen "nach ÖVP-Manier geschönt und mit dem Hintergedanken versehen, dass Österreichs Bürger die Zahlendrehereien ohnehin nicht verstehen".
Für Yannick Shetty von den Neos verbindet die derzeitige Migrations- und Integrationspolitik "das Schlechteste aus zwei Welten". Zu oft schiebe man die Falschen ab während es für die Menschen, "die Österreichs Grundwerte mit Füßen treten, kaum Leitplanken und Stoppzeichen" gebe.
2,45 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund
"Österreich wächst und Österreich wächst nur aufgrund der Zuwanderung", betonte Tobias Thomas, Generaldirektor von Statistik Austria. Laut dem Statistischen Jahrbuch "Migration & Integration" lebten im Durchschnitt des Jahres 2023 rund 2,45 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund in Österreich. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung in Privathaushalten entsprach dies einem Anteil von 27,2 Prozent (2022: 26,4 Prozent).
Etwa 1,8 Mio. Menschen gehören der sogenannten "ersten Generation" an, sie wurden selbst im Ausland geboren und sind nach Österreich zugezogen. Die verbleibenden rund 620.100 Personen mit Migrationshintergrund sind in Österreich geborene Nachkommen.
Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund stieg in den vergangenen zehn Jahren um ein Drittel bzw. 7,8 Prozentpunkte an. Die Zahl der ausländischen Staatsangehörigen in Österreich lag Anfang 2024 bei rund 1,8 Mio. Personen. Dies entsprach einem Anteil von 19,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung.
Unter den ausländischen Staatsangehörigen in Österreich sind weiterhin Deutsche die mit Abstand größte Gruppe: Am 1. Jänner 2024 lebten rund 232.700 Deutsche in Österreich, gefolgt von 153.400 Rumänen. Diese liegen vor den türkischen (124.100) und serbischen Staatsangehörigen (122.200). Platz fünf belegt Ungarn (107.300).
Auf den Rängen sechs bis zehn finden sich die Staatsangehörigen von Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Syrien, der Ukraine und Polen.
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