Susanne Raab: "Sozialleistungen muss man sich erarbeiten"

Susanne Raab: "Sozialleistungen muss man sich erarbeiten"
Wie Frauen-, Familien- und Integrationsministerin Raab über die Frauenquote denkt und was das „dänische Modell“ für Integration am Arbeitsmarkt bedeuten könnte.

Von Anna Strobl

Im Rahmen des Hermes Wirtschaftsforums fand ein Spezial der KURIER-Veranstaltungsreihe „Frag den Minister“ statt. Das Publikum konnte Fragen an Frauen-, Familien- und Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) richten. Chefredakteurin Martina Salomon führte durch den Abend.

Publikum: Frau Ministerin, ich bin Unternehmer und sehe aus persönlicher Erfahrung ein Integrationsproblem am Arbeitsmarkt, vor allem in Verbindung mit Deutschkenntnissen und der Sozialhilfe. Wie schätzen Sie die aktuelle Situation ein?

Susanne Raab: Ich sehe Licht und Schatten. Wir haben zum Beispiel viele Ukrainer aufgenommen, die nach einem Jahr schon auf A2-Niveau Deutsch sprechen. Es sind aber viele Menschen nach Österreich gekommen, die nicht auf dem Arbeitsmarkt sind. Es reicht nicht aus, fünf Jahre in einer Schulungsmaßnahme beim AMS zu sein. Ich möchte, dass sich da etwas ändert. Eine Möglichkeit wäre ein ähnliches Sozialhilfesystem, wie es in Dänemark vorhanden ist.

Susanne Raab: "Sozialleistungen muss man sich erarbeiten"

Vor der Fragerunde fand eine Podiumsdiskussion statt, an der neben Ministerin Raab noch ÖBB-Postbus-Vorständin Silvia Kaupa-Götzl (li.) und GF Ivana Böntner vom Familienunternehmen Saexinger (Gefahrgutlogistik) teilnahmen  

Der Staat ist in einer Notsituation für einen da. Die Sozialleistung darüber hinaus muss man sich aber erarbeiten. Das ist für jeden im Land so, nicht nur für Zuwanderer. Die volle Höhe der Sozialhilfe nach fünf Jahren ist übrigens ein Modell, das Bundeskanzler Karl Nehammer als Vision in seiner Zukunftsrede skizziert hat.

Lesen Sie mehr zu: Wie Diakonie und ÖBB Migranten als Arbeitskräfte integrieren wollen

Viele junge Leute, die top ausgebildet sind, wollen nicht in den Arbeitsmarkt einsteigen, weil sie zuhause gut versorgt sind. Wie bekomme ich die „Generation der Erben“ in mein Unternehmen?

Wir sehen einen Trend, dass junge Leute mit fertiger Ausbildung lieber mit 30 Stunden in ein Unternehmen einsteigen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich wollte nach dem Studium so richtig „reinhackln“. Das sind die goldenen Jahre, um sich eine Karriere aufzubauen, bevor man eine Familie hat.

Ich glaube, man muss den Jungen eine Perspektive geben. Für viele macht es keinen Unterschied, wieviel sie arbeiten, weil sich ein Großteil ohnehin schwer ein Eigenheim leisten kann. Es lohnt sich also nicht für sie. Mir geht es um die Schaffung von Perspektiven und Möglichkeiten für junge Menschen.

Ich kann nur wenig dazuverdienen, und für mich als Frau ist es nicht förderlich, gar nicht zu arbeiten. Gibt es Diskussionen, das Kinderbetreuungsgeld zu erhöhen?

Die gute Nachricht: Wir haben die Zuverdienstgrenze für das Kinderbetreuungsgeld jetzt angehoben. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld hatte immer den Zweck, ein Einkommensersatz zu sein. Wenn man mehr arbeitet, gibt es diesen Ersatz nicht.

Lesen Sie mehr zu: So sollen sich Eltern künftig Karenz teilen

Es gibt zahlreiche weitere Familienleistungen, wie die Familienbeihilfe oder die Kinderabsetzbeträge. Die haben wir gerade an die Inflation angepasst. Wir haben die dritthöchsten in Europa. Ich verstehe Ihren Punkt, aber dann ist es kein Einkommensersatz mehr, so wie es gedacht war.

Oft laufen Stellenvergaben über persönliche Beziehungen statt Qualifikation, vor allem in Führungspositionen. Ist es angedacht, Frauen zum Beispiel mit der Frauenquote zu unterstützen?

Was mir alle Frauen, die Karriere machen wollen, rückmelden, ist: „Wir wollen nichts geschenkt.“ Da stimme ich zu. Wir wollen einfach nur nach Leistung beurteilt werden. Deshalb bin ich kein überschwänglicher Fan der Frauenquote. Ich will nicht aufgrund meines Geschlechts wohin gesetzt werden, sondern weil ich gut bin. Was ich mir aber zutiefst wünsche, ist, dass junge Mädchen unterstützt werden, wenn sie zum Beispiel in eine HTL gehen wollen oder sich für den MINT-Bereich interessieren. Es ist mir ein großes Anliegen, Mädchen zu stärken. Dazu brauchen wir auch die Männer. Es geht nicht darum, Frauenpolitik gegen die Männer zu machen, sondern mit ihnen. Wenn ich heute zwei, drei Männer erreicht habe, dann war ich erfolgreich.

Aktuell laufen neun Volksbegehren, zum Beispiel zu straffälligen Asylwerbern. Könnte die private Susanne Raab einige unterschreiben?

Ich habe bei der Angelobung mein privates Ich an den Haken hängen müssen. Ich schätze es als Juristin sehr, wenn es Bürgerbeteiligung gibt. Als Teil der Exekutive versuche ich das zu differenzieren. Das heißt aber nicht, dass ich manche Dinge als Privatperson nicht gut finde, die als Bürgeranliegen kommen. Und ich habe mich auch schon des öfteren zu den straffälligen Asylwerbern zu Wort gemeldet. Wir haben bei der EU den Wunsch geäußert, mehr Möglichkeiten zu bekommen, um straffällig gewordene Asylwerber und -berechtigte in ihre Heimatländer zu bringen. Das EU-Recht setzt uns aber einen engen Rahmen. Für Integration ist das aber wichtig. Es gibt viele, gut integrierte Menschen. Die müssen wir unterstützen, fördern und vor den Vorhang holen. Da ist es wichtig zu differenzieren.

Kommentare