Dass eine Parlamentspartei sich im Beschuldigtenstatus befindet, ist mehr als ungewöhnlich. Der Paragraf, der als Grundlage dafür dient, findet sich im Unternehmensstrafrecht, dem sogenannten Verbandsverantwortlichkeitsgesetz.
Auf einer der letzten Seiten in der Anordnung für die Hausdurchsuchung, die die Republik am Mittwoch auf den Kopf gestellt hat, findet man die Begründung für das Vorgehen der WKStA.
ÖVP profitierte
Die Korruptionsjäger kommen zu dem Schluss, dass die ÖVP neben Sebastian Kurz ein Profiteur des Plans von Thomas Schmid war.
Der Kurz-Vertraute soll manipulierte Umfragen in Auftrag gegeben haben.
Verrechnet wurden diese Umfragen dann als Studien für das Finanzministerium. Die Umfragen wiederum sollen 2016 und 2017 in der Tageszeitung Österreich veröffentlich worden sein. Für den Abdruck der Umfragen sollen die Gebrüder Fellner fürstliche Inseratenbuchungen vom Finanzministerium erhalten haben. Ein Schaden von 1,3 Millionen Euro soll durch dieses System entstanden sein.
Hohe Kosten, die im Regelfall, wenn alles sauber abgelaufen wäre, die ÖVP hätte tragen müssen. Aber deren Budget war ohnehin schon sehr strapaziert.
Zur Erinnerung: 2017 hatte die ÖVP im Wahlkampf 12,96 Millionen Euro ausgegeben. Das war fast doppelt so viel, wie erlaubt war. Ein Bußgeld von insgesamt 880.000 Euro mussten die Türkisen damals für die massive Überschreitung der Wahlkampfkostenobergrenze berappen. Die Strafe hätte noch höher ausfallen können, wenn die ÖVP die Umfragen und die Inserate aus ihrem Parteibudget gezahlt hätte.
Sollte es zu einer Anklage und einer Verurteilung kommen, droht der Partei eine sogenannte Verbandsgeldbuße. „Sie wird in Tagsätzen berechnet“, erklärt Anwalt Norbert Wess. Im schlimmsten Fall – sollte die Höchststrafe ausgesprochen werden – könnte die ÖVP eine Strafe in Millionenhöhe bekommen. Aber nicht nur die ÖVP, sondern auch die Tageszeitung Österreich wird nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz als Beschuldigte in dem brisanten Verfahren geführt.
Die Ermittlungen stehen erst am Anfang, man braucht nur auf die Causa Grasser schauen, dann weiß man: Ermittlungen können lange, sogar sehr lange dauern. Allerdings ist die Inseratenaffäre nicht so komplex wie der Fall Grasser und die Buwog-Affäre.
Dennoch ist ein Ende der Ermittlungen noch lange nicht in Sicht, im Gegenteil: Womöglich plant die WKStA weitere spektakuläre Schritte. Denn nach wie vor sind zehn Ordnungsnummern im Akt abgedeckt. Das passiert immer dann, wenn die WKStA geplante Zwangsmaßnahmen (z. B. Razzien) vor den Anwälten geheim halten will.
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