Innenminister sucht Ideen für Briefwahl-Reform

Enge Entscheidung in Baden.
Wie geht es weiter mit der Briefwahl? Brauchen wir ein Wählerregister, mehr Kontrolleure oder sollen wir sie gleich abschaffen? Hier die Ideen.

Es sei eine erste Bestandsaufnahme, ein "Brainstorming". Die ultimative Lösung für alle Probleme sei nicht zu erwarten, schickte Bundeswahlleiter Robert Stein dem Treffen von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) mit den Verfassungssprechern der Parlamentsklubs am Mittwoch voraus.

Anlass für den runden Tisch im Innenministerium waren die Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl, die nach der Hofburg-Stichwahl bekannt geworden sind. Wie berichtet, prüft der Verfassungsgerichtshof gerade die Anfechtung durch die FPÖ. Nächsten Montag beginnt die öffentliche Verhandlung bei der in zweieinhalb Tagen rund 50 Zeugen befragt werden sollen. Parallel dazu ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in sechs Bezirken (Villach-Stadt, Villach-Land, Hermagor, Wolfsberg, Wien-Umgebung und in einem Bezirk in der Südoststeiermark), wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs bzw. falscher Beurkundung.

Die Verfassungssprecher schlugen dem Minister ihre Ideen für eine Briefwahl-Reform vor. Was realistisch ist, und was nicht - der KURIER hat nachgefragt:

Die Abschaffung der Briefwahl

... dürfte nicht realistisch sein. SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos sind für die Beibehaltung.

"An dem enormen Zulauf bei der vergangenen Wahl (fast 760.000 Briefwähler) erkennt man, dass es einen Bedarf gibt", sagt etwa ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Sein Pendant bei den Grünen, Albert Steinhauser, sagt: "Für eine Demokratie ist eine hohe Wahlbeteiligung wichtig." Die SPÖ befürwortet sie ebenfalls, um der Mobilität und Flexibilität der Wähler Rechnung zu tragen.

Die FPÖ - zuletzt der Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus - fordert die Abschaffung. Schon bei der Einführung 2007 stimmte die FPÖ im Nationalrat dagegen. Der FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan sagt: "In der derzeitigen Form ist die Briefwahl nicht mehr tragbar, weil sie zu unsicher ist. Viele nutzen sie aus reiner Bequemlichkeit, das geht am Sinn vorbei und schafft Sicherheitslücken."

Eine frühere Auszählung

... befürworten alle Parteien. Die Briefwahlstimmen sollen nicht erst am Montag, sondern schon am Wahlsonntag mit den übrigen Urnenstimmen ausgezählt werden.

"Das würde das Wahlergebnis nachvollziehbarer machen. Wenn die Briefwahl, so wie jetzt, ein Ergebnis am nächsten Tag so verändern kann, erzeugt das Misstrauen und die Verschwörungstheoretiker treten auf den Plan", sagt Gerstl (ÖVP). Dafür bräuchte es aber wahrscheinlich eigenes Personal - Ehrenamtliche werden nicht ausreichen - und eine entsprechende Bezahlung, erklärt er.

Stefan (FPÖ) will die Auszählung effektiver gestalten: "Die Briefwahlstimmen sollten direkt im Sprengel ausgezählt werden. Dann verteilt sich die Menge besser auf kleine Einheiten."

SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann plädiert dafür, nicht einen Beginn-Termin, wie aktuell 9 Uhr, sondern eine Frist zu setzen. "Die Kommission soll dann beginnen, wenn sie in beschlussfähiger Konstellation beisammen ist. Das sollen sie selbst entscheiden. Als Frist würde ich Montag, 17 Uhr, setzen."

Ein zentrales Wählerregister

... brachte zuletzt der Innenminister selbst aufs Tapet. Durch ein elektronisches Register solle verhindert werden, dass jemand zwei Mal wählen kann, wenn er eine Wahlkarte beantragt hat, dann aber doch persönlich ins Wahllokal geht. Derzeit gibt es eine Liste im Sprengel, auf der Wahlkarten-Empfänger eingetragen sind. Bei der Stichwahl soll es vereinzelt passiert sein, dass Wahlbeisitzer den Vermerk übersehen haben.

"Man hätte das Wählerregister längst umsetzen können. Die Pläne liegen seit 2013 am Tisch", sagt Neos-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak. Auch SPÖ und ÖVP sind für die Einführung. "Wir müssen das aber nicht übers Knie brechen", sagt Wittmann (SPÖ). Bis zur geplanten Nationalratswahl 2018 habe man noch genügend Zeit.

Die FPÖ äußerte zuletzt Bedenken wegen des Datenschutzes. "Im Wählerregister wäre ersichtlich, wer bei einem Volksbegehren mitgestimmt hat. Diese Mängel müssen noch bereinigt werden, dann kann man noch einmal drüber reden", sagt Stefan (FPÖ).

Eine Schulung für Bezirkswahlleiter

... könnte im Gesetz verankert werden. Bundeswahlleiter Stein sieht Bedarf, da die geltenden Bestimmungen für die Auszählung in den Bezirkswahlbehörden angeblich nicht immer eingehalten wurden: "Es gibt offenbar zu wenig Bewusstsein für die Gesetze. Da muss man nachschärfen."

Eine Schulung? "Ja, selbstverständlich", sagt Scherak (Neos). Alle Klub-Vertreter befürworten das.

"Bis jetzt gab es ja keinen einzigen Hinweis auf eine absichtliche Manipulation. Behördenfehler sind natürlich auch eine Katastrophe, sie schaden dem Vertrauen der Wähler in die Demokratie. Man muss künftig viel mehr darauf schauen", sagt Gerstl (ÖVP). Und Steinhauser (Grüne) sagt: "Von einer Manipulation sollte man in einer Demokratie nicht ausgehen, also dürfte es tatsächlich Unklarheiten in Bezug auf die Gesetze geben."

Die Bevölkerung als Wahlbeisitzer zu verpflichten,

... schlagen ÖVP und SPÖ gegenüber dem KURIER vor. Vorbild sei das Schöffensystem bei Gerichtsprozessen: Per "Zufallsgenerator" werden Bürger ausgewählt, Wahlbeisitzer zu sein und in ihrer Heimatgemeinde den korrekten Ablauf der Wahl zu kontrollieren. In der österreichischen Nationalrats-Wahlordnung gibt es bereits einen Passus. In die Praxis umgesetzt wurde er bisher aber nicht.

Das dürfte in Zukunft aber notwendig werden, finden Gerstl (ÖVP) und Wittmann (SPÖ). "Momentan stellen wir die mit Abstand meisten Wahlbeisitzer, die werden aber auch immer älter, können oder wollen irgendwann nicht mehr", sagt Gerstl. Die Konsequenz: "Wenn es die 'neuen' Parteien FPÖ, Grüne und Neos nicht schaffen, auch einen Beitrag zu leisten, dann müssen wir die Bevölkerung bitten, auszuhelfen." Wittmann kann sich vorstellen, dass alle Wahlberechtigten, auch 16-Jährige, in die Pflicht genommen werden.

Wahlbeisitzer ist laut Gesetz übrigens ein "öffentliches Ehrenamt", zu dem jeder Wahlberechtigte in der Gemeinde, in der er seinen Hauptwohnsitz hat, verpflichtet werden kann.

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