Zweithöchste Terrorwarnstufe in Österreich: Karner über Gefährdungslage
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) im KURIER-Interview über die erhöhte Terrorwarnstufe, die Sorgen der jüdischen Bevölkerung und den Umgang mit der Hamas.
KURIER: Herr Minister, in der Nacht auf Dienstag hat es in Brüssel ein Terrorattentat gegeben. Wenn so etwas passiert, was löst das in Österreich aus?
Gerhard Karner: Zuerst einmal Betroffenheit. Ich möchte das auch ganz persönlich beantworten. Ich war erst vor wenigen Tagen mit meiner belgischen Kollegin Nicole De Moor bei einem Fußballspiel in Österreich. Und wenige Tage später passiert ein furchtbarer Terroranschlag in Brüssel. Das macht einen zutiefst betroffen.
Und was bedeutet es für die Sicherheitslage in Österreich?
Wir haben unmittelbar nach dem brutalen und barbarischen Terroranschlag der Hamas auf die israelische Bevölkerung die Sicherheitsvorkehrungen für jüdische Einrichtungen massiv erhöht. Am Mittwoch haben wir die Terrorwarnstufe hinaufgesetzt und die polizeiliche Präsenz im öffentlichen Raum durch Spezialkräfte erhöht. Auch der Assistenzeinsatz des Bundesheeres wurde für den Objektschutz in Wien noch einmal verstärkt. Wir haben in den letzten Tagen nach intensivem Kontakt mit der jüdischen Gemeinde auch die sichtbare Präsenz erhöht, weil es viele jüdische Mitbürger gibt, die verständlicherweise Angst und Sorgen haben.
Natürlich wird jedem einzelnen Fall konsequent nachgegangen. Genau diese Sorgen haben wir aufgegriffen und die Polizei geht jedem einzelnen Verdachtsfall nach. Hier werden die Strafverfolgungsbehörden aktiv. Jetzt ist die Justiz am Zug, dass auch entsprechende Verurteilungen folgen, wenn hier etwas passiert ist.
Wie gut funktioniert da der neue Verfassungsschutz DSN?
Wir sind Gott sei Dank wieder international vernetzt. Im Gegensatz dazu, wie es nach der Zerschlagung des BVT 2018 war. Dadurch bekommen wir wieder die notwendigen Informationen, und wir sind auch dementsprechend sensibilisiert.
Zur Sensibilisierung gehört auch der Umgang mit den propalästinensischen Kundgebungen in Österreich. Zuletzt wurde eine untersagt, dennoch haben sich viele Menschen auf dem Stephansplatz versammelt. Wie geht die Polizei damit um?
Aufgabe einer wehrhaften Demokratie ist es, dass die Behörden mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des Rechtsstaats vorgehen. Und das tun sie. Die Behörde hat bei Demos zu entscheiden: Wer hat angemeldet? Wo wurde angemeldet? Was sind mögliche Hintergründe? Was passiert daneben auch noch in der digitalen Welt? Es gibt viele Indizien, die beachtet werden, wenn es darum geht, ob eine Kundgebung untersagt werden kann oder nicht. Und dann ist es die Aufgabe, bei einer Demo – gleichgültig ob sie genehmigt ist oder nicht – behördlich einzuschreiten, wenn gegen das Gesetz verstoßen wird.
Wie war das dann mit der ersten Demo mitten in Wien, die untersagt war, aber doch stattgefunden hat?
Zunächst war lange unklar, ob sie überhaupt untersagt werden kann. Der Anmeldungstitel „Mahnwache in Solidarität mit Palästina“ war kein Grund, diese zu verbieten. Danach kam es parallel offensichtlich auch zu Gewaltaufrufen in der digitalen Welt. Deswegen wurde sie untersagt. Es gab schließlich einen Zulauf von bis zu 300 Personen, die zum Teil auch abscheuliche Dinge geschrien haben. Die Bilder sind bekannt. Im Sinne der Gesamtsicherheit für die Stadt hat sich die Polizei entschieden, diese Gruppe einzukesseln und ein Auseinanderdriften und Weiterziehen zu verhindern. Vor dem Hintergrund, dass zeitgleich eine friedliche Solidaritätskundgebung für Israel auf dem Ballhausplatz mit über 2.000 Teilnehmern stattgefunden hat.
Und was sind die Konsequenzen für die Teilnehmer der untersagten Demo?
Nachdem die Kundgebung für Israel zu Ende war, hat die Polizei die Demonstration auf dem Stephansplatz aufgelöst. Mit über 300 Identitätsfeststellungen, mit über 300 Anzeigen. Mit aller Konsequenz und Härte des Gesetzes wurde hier vorgegangen.
Was sind die Konsequenzen?
Wenn jemand auf eine untersagte Demo geht, bekommt er eine Verwaltungsstrafe. Das ist passiert. Und wenn jemand schreit „Tod für Israel“, dann wird die Polizei eine Anzeige erstatten und die Justiz hat die Strafbarkeit zu prüfen.
Es hat eine Demo gegeben, die für besondere Aufregung gesorgt hat. Da wurden palästinensische Fahnen auf dem Judenplatz geschwungen. Entsprechende Bilder sind in den sozialen Netzwerken aufgetaucht. Was sagen Sie dazu?
Auch hier ist es die Entscheidung der Behörde, sensibel vorzugehen. Nach den Vorgaben des Rechtsstaats einzuschreiten. Wenn die Polizei rechtzeitig die Hinweise bekommt, wird sie auch tätig werden. Wobei ich auch den Eindruck habe, manchen ist mittlerweile das Handyvideo wichtiger als der Anruf bei der Polizei. Das haben wir leider beim Terrorakt in Brüssel gesehen, wo Menschen lieber gefilmt haben als die Polizei zu verständigen. Das Handy ist in erster Linie ein Telefon, um zu alarmieren und nicht um zu filmen.
Es ist jetzt natürlich die Diskussion über die Rolle der Hamas in Österreich aufgekommen.
Die Hamas ist eine Terrororganisation, die in ganz Europa verboten ist.
Aber es hat in Österreich die „Operation Luxor“ gegeben, wo es um die Finanzierung der Hamas über die Muslimbruderschaft gegangen ist. Es gibt Studien der Dokumentationsstelle für Politischen Islam, in denen auf Prediger in Wien verwiesen wird, die die Hamas als Vorbild nennen. Wie geht man damit um?
So wie es der Rechtsstaat vorsieht. Dass die Polizei, dass der Verfassungsschutz das beobachtet und zugreift, wenn es notwendig ist. Im Zusammenhang mit der „Operation Luxor“ hat es intensive Ermittlungen und auch Verhaftungen auf Anordnung der Staatsanwaltschaft gegeben. Derzeit sind zahlreiche Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Muslimbruderschaft nach wie vor im Gange.
Gerade im Zusammenhang mit der „Operation Luxor“ wird aber sehr oft von einem Ermittlungsflop gesprochen, weil viele Verfahren eingestellt worden sind.
Faktum ist: Es gab Ermittlungen, daraufhin gab es auf Anordnung der Staatsanwaltschaft zahlreiche Hausdurchsuchungen. Die sind durchgeführt worden. Manche sind eingestellt worden. Es sind aber nach wie vor viele Ermittlungsverfahren im Laufen.
Es gibt diese Woche ein Treffen der EU-Innenminister. Werden da der Nahost-Konflikt, die Hamas und die damit gestiegene Terrorgefahr ein Thema sein?
Selbstverständlich. Natürlich ist das ein Thema, das Europa massiv betrifft. Wir sehen die Bilder, wir sehen in Paris Wasserwerfer und Tränengas im Einsatz, wir sehen die Bilder aus Berlin, wir sehen den Anschlag in Belgien. Das ist ein Thema, das Europa massiv bewegt, da haben wir auch erhöhtes Gefährdungspotenzial. Dieses Thema erfordert einen intensiven Austausch.
(kurier.at, mag)
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Aktualisiert am 19.10.2023, 07:10
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