Terrorbekämpfung: "Müssen schneller sein als die Extremisten"

Egal, ob bei der ersten Demo auf dem Stephansplatz oder bei den pro-palästinensischen Kundgebungen in Favoriten, auf dem Ballhaus- und dem Judenplatz: Überall wurden Äußerungen amtlich, die klar antisemitisch und/oder auch gewaltverherrlichend waren. Auffallend war für neutrale Beobachter auch der hohe Anteil der Minderjährigen.
Wiens Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos), der in der Stadt für Bildung und für Integration zuständig ist, berief daher kurzfristig für Montagnachmittag einen runden Tisch mit Experten aus städtischen und externen Institutionen ein.
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Wiederkehr in seinem Plädoyer vor dem Beginn: "Wir müssen schneller sein als die Extremisten."
"Ein grauenhafter Ort"
Der runde Tisch fand in der Magistratsabteilung 17 (für Integration und Diversität zuständig) statt. Am Wort war dort auch das Wiener Netzwerk Demokratiekultur und Prävention (WNED), das seit Ende 2014 unter der Leitung des erfahrenen Streetworkers Ercan Nik Nafs Jugendliche und junge Erwachsene "vor extremistischen Tendenzen schützen soll".

Kurzfristig werden für die an Wiener Schulen tätigen Pädagogen zusätzliche Fortbildungen und Materialien für den Unterricht angeboten. Im akuten Bedarfsfall können Lehrer und Lehrerinnen auch die Unterstützung von Schulpsychologen anfordern. Der Bildungsstadtrat möchte aber auch die Eltern in die Pflicht nehmen: Die sozialen Dienste Instagram und Tiktok wären "ein grauenhafter Ort in dieser Zeit". Wenn notwendig, so sein Appell, dann müssten die Apps auch auf den Telefonen der Kinder gelöscht werden. Ebenso wichtig wäre es: "Mit den Kindern in Ruhe reden."
In Wien gibt es viele konkrete Angebote für Jugendliche und Pädagogen. Hier eine Mini-Auswahl:
- Zum Nachlesen: Vom Jugendrotkreuz gibt es Schulmaterialien zum Humanitären Völkerrecht.
- Tagung: Am 7. Dezember findet im Zentrum Politische Bildung der PH Wien die 4. Jahrestagung statt. Thema: Kann man aus Krieg lernen?
- Im "Wohnzimmer": Das präventive "Themen-Wohnzimmer ist ein Format der Wiener Jugendzentren. Es wendet sich direkt an Jugendliche und greift aktuelle Themen auf, die sie beschäftigen. Diese werden dann im lockeren Ambiente besprochen.
Ein konkretes Ergebnis der Montagsrunde soll dem Vernehmen nach noch vor Weihnachten umgesetzt werden: eine "Fachstelle für Demokratiebildung", die für alle in Wien im Bereich Bildung und Integration Tätigen hilfreich zur Seite stehen wird.
"Überraschend" kommen all die antisemitischen Hassparolen bei Pro-Palästina-Demos für Wiederkehr nicht. Er zitiert aus einer Umfrage, wonach die Hälfte der Befragten in Wiener Schulen die Ausübung von Gewalt gutheißen. Von der Polizei, die er zum runden Tisch eingeladen hat, erwartet sich der Stadtrat der Neos, dass man "auf Demos bei aktueller Bedrohung ganz konsequent vorgeht".
Dreimal gab es seit dem Kriegsausbruch vor zehn Tagen Pro-Palästina-Demos in Wien – vergangenen Mittwoch fand sie trotz kurzfristig verhängtem polizeilichen Verbots statt, am Samstag und Sonntag dann mit Bewilligung der Behörden. Am Mittwoch gab es gut 300 Anzeigen; die Demo am Samstag blieb ohne nennenswerte Zwischenfälle. Für Montagnachmittag war bereits die nächste Kundgebung am Ballhausplatz angesagt. Sie wurde nicht untersagt – die Polizei erwartete im Vorfeld keine allzu große Beteiligung.
Unabhängig von den Entscheidungen der Behörden nahm in Wien Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) die Demos in die Kritik: Er kündigte an, sich "klar dagegenstellen" zu wollen – mit "Worten und Verboten".
"Klare Kante zu zeigen"
Schärfer argumentierte fast zeitgleich Wiens Dompfarrer Toni Faber. Faber sprach sich klar gegen Demonstrationen aus, die den "Teufelskreis von Gewalt und Hass" fortführen. Es gelte daher, jetzt „klare Kante zu zeigen“.
Um dem Krieg der Worte und vor allem auch der Bilder effizient die Stirn zu bieten, will die Stadt Wien Projekte wie etwa #WirAllesindWien speziell fördern. Gemeinsam mit Influencern, die an die Schulen kommen, erstellen die Jugendlichen Videos zu Themen wie Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus oder Queer-Feindlichkeit. Die Videos werden auf denselben sozialen Plattformen geteilt, auf denen sich andere junge Menschen radikalisieren.
Die Gefährdung der jüdischen Bevölkerung muss sofort ein Ende haben, war man sich am runden Tisch einig.
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