Identitäre: ÖVP will ein Verbot über das Vereinsgesetz

Identitäre: ÖVP will ein Verbot über das Vereinsgesetz
SPÖ könnte zustimmen. Freiheitliche warnen vor "Gesinnungsterror". Auch Experten sind skeptisch.

Der Auftritt der freiheitlichen Wiener Stadträtin Ursula Stenzel beim Fackelzug der Identitären schlägt hohe Wellen. ÖVP, SPÖ, Neos und Liste Jetzt wollen die Gelegenheit nutzen, um die Identitäre Bewegung (IB) zu verbieten. Experten sind jedoch skeptisch.

Während Neos und Jetzt davon ausgehen, dass die geltende Rechtslage ausreicht, um ein IB-Verbot zu bewirken, hat die ÖVP angekündigt, im Nationalrat einen Antrag auf Änderung des Vereinsgesetzes einzubringen. Derzeit kann ein Verein behördlich aufgelöst werden, wenn er gegen Strafgesetze verstößt. Geht es nach der ÖVP, soll das auch möglich sein, wenn über den Verein extremistisches oder staatsfeindliches Gedankengut verbreitet wird.

„Die Identitäre Bewegung vertritt ein radikales und extremistisches Gedankengut“, erklärte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer am Montag. Es sei deshalb „als positiv zu werten“, dass sich auch die SPÖ ein Verbot der Identitären vorstellen könne. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hatte Justiz- und Innenminister aufgefordert, ein Verbot der Identitären zu prüfen. Dazu solle das Vereinsgesetz „unter Wahrung der Grundrechte“ geändert werden.

FP: „Gesinnungsdiktatur“

„Das Vereinsrecht darf nicht zum Schutzmantel der Identitären werden“, erklärte auch Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ). Ganz einig ist man sich in der SPÖ allerdings nicht. So zeigte sich Wiens Bürgermeister Michael Ludwig am Montag skeptisch bezüglich eines Eingriffs ins Vereinsrecht. „Denn wenn man einmal bei einer Organisation beginnt, ist die Frage, wo das endet“, sagte Ludwig.

Wenig hält man in der FPÖ von den Verbotsplänen. Parteichef Norbert Hofer warnt vor „Gesinnungsdiktatur“. Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Justizminister Clemens Jabloner hätten vor Eingriffen in die Vereinsfreiheit gewarnt, so Hofer.

„Nicht unmöglich, aber...“

Aus Sicht des früheren VfGH-Präsidenten Ludwig Adamovich, ist eine Verschärfung des Vereinsgesetzes, wie sie die ÖVP vorschlägt, „nicht unmöglich“, dabei müsse man aber „äußerst vorsichtig sein“. Weil das Vereinsgesetz in der EMRK verankert sei, unterliege es auch der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) – „und der ist sehr streng in der Auslegung“, sagt Adamovich.

Für geradezu bedenklich hält die ÖVP-Pläne der auf Vereinsrecht spezialisierte Jurist Thomas Höhne (Höhne, In der Maur & Partner). Er habe keinerlei Sympathien für die Identitären, „aber hier geht es um Grundsätzliches“. Um einen Verein zu verbieten, „braucht es Taten, die an Kriterien des Strafrechts zu messen sind“. Wenn nun Gesinnung zum Kriterium werde, sei das gefährlich, so Höhne.

„Geschmacksfrage“

„Wer sagt, was radikales Gedankengut ist?“, fragt der Jurist. „Es gibt viele Vereine, die auf ihre Art radikal sind, Attac zum Beispiel, oder Tier- und Umweltschützer. Aber das ist immer eine Frage der Sichtweise, eine Geschmacksfrage der Herrschenden.“ Nur weil uns eine Gesinnung nicht gefalle, dürfe man nicht in die Grundrechte eingreifen, sagt Höhne. Das Strafgesetz sei hingegen „ein klarer Maßstab“.

Der Plan, die Identitären mittels Änderung des Vereinsgesetzes zu verbieten, ist Teil des türkisen Wahlprogramms. Das „Maßnahmenpaket gegen extremistische Tendenzen“ sieht auch ein Verbot des politischen Islam vor. Auch hier hält Peter Pilz (Liste Jetzt) die bestehenden Gesetze für ausreichend. Er hat einen Antrag auf Verbot der türkisch-islamischen Organisationen ATIB und Milli Görüs angekündigt.

Das Vorgehen der ÖVP gegen die Identitären hält Pilz indes für nicht glaubwürdig. So habe ÖVP-Klubchef August Wöginger dem rechtsextremen Medium Info-Direkt ein Interview gegeben und sei dafür von IB-Chef Martin Sellner gelobt worden. Wöginger verteidigt sich, er habe nicht gewusst, mit wem er bei dem Interview – es entstand am Rande einer ÖVP-Wahlveranstaltung – gesprochen habe.

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