Erinnerungen an 1683: Frau Stenzel und die Türkenbelagerung
Also, in gute Gesellschaft begibt man sich nicht gerade, wenn man heutzutage das Ende der Türkenbelagerung bejubelt. Der steirische Briefbombenattentäter Franz Fuchs hat das ebenso getan wie der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik. Und jetzt gedachten die rechtsextremen Identitären des 336 Jahre zurückliegenden Ereignisses. Inklusive einer Rede der nicht amtsführenden Wiener FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel.
Was hat es mit damit auf sich?
Zwei Mal vor Wien
Die Osmanen hatten seit dem 14. Jahrhundert versucht, ihre Vorherrschaft auf weite Teile Europas auszuweiten. Über Ungarn drangen sie mehrmals auf österreichisches Gebiet vor, fielen über die Steiermark, Kärnten, Nieder- und Oberösterreich her, scheiterten aber zwei Mal an der Einnahme Wiens.
Im Herbst 1529 kamen die Türken mit 120.000 Mann unter Sultan Soliman zum ersten Mal bis Wien, das von einem viel schwächeren Heer unter der Führung von Niklas Salm verteidigt wurde. Es war aber weniger die Armee als der anbrechende Winter, der die Angreifer zum Rückzug zwang. Sultan Soliman versuchte es zwei weitere Male, nahm Budapest ein, scheiterte jedoch jeweils auf dem Weg nach Wien.
Und dann kam 1683, die „Zweite Türkenbelagerung“. Und damit das Jahr, das die Identitären am vergangenen Samstag in den Mittelpunkt ihres Gedenkmarsches stellten. Das türkische Heer unter Großwesir Kara Mustafa stand seit 14. Juli 1683 mit 300 Kanonen vor den Toren Wiens und baute zwischen Schwechat und Nussdorf ein aus 25.000 Zelten bestehendes Lager auf, während Kaiser Leopold I. und viele Bewohner die Residenzstadt verließen. Deren Verteidigung lag nun in Händen des Grafen Ernst Rüdiger von Starhemberg.
Übermacht der Türken
Inzwischen waren die verbündeten Heere Sachsens, Bayerns und Lothringens mit Zehntausenden Reitern und Infanteristen eingelangt, sie schienen jedoch gegen die Übermacht der Türken chancenlos. Diese verursachten durch Sprengungen schwere Schäden an der Stadtmauer, die befürchten ließen, dass Wien als Bollwerk des christlichen Abendlandes vom islamischen Morgenland eingenommen würde.
Am 17. August 1683 eilt der Kundschafter Georg Franz Kolschitzky mit der Meldung herbei, dass das lang erwartete Entsatzheer unter dem polnischen König Jan Sobieski zur Verteidigung Wiens im Anmarsch sei. Tatsächlich bringt es die Rettung, Sobieski schlägt am 12. September mit seinen Verbündeten – unter ihnen der erst 19-jährige Prinz Eugen von Savoyen – die Türken in die Flucht.
Wien ist befreit. Und Kara Mustafa wird auf Befehl Sultan Mehmeds IV. mit einer Seidenschnur erdrosselt.
Kein Kaffeehaus
Georg Franz Kolschitzky wird übrigens zugeschrieben, das erste Kaffeehaus in Wien eröffnet zu haben, was neueren Forschungen zufolge falsch ist. Wiens erster Cafétier hieß Johannes Diodato und war gebürtiger Armenier.
Das Jahr 1683 hat Wien zweifellos Frieden und Freiheit gebracht. Aber die Instrumentalisierung der Türkenbelagerung durch rechte Gruppen will nichts anderes als auf die „Überfremdung“ von heute hinweisen. Man kann den Problemen der Gegenwart freilich nicht mit jenen der Geschichte Herr werden. In der heutigen Welt sind Konflikte mit anderen Mitteln zu lösen. Es kann nur friedliche Lösungen geben, Kriege wie sie im 17. Jahrhundert üblich waren, dürfen nicht idealisiert dargestellt werden.
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