Hypo schickt wieder eine Milliarden-Rechnung

Ohne verlässliche Zahlen greife ich nicht in den Staatssäckel, ließ Spindelegger die Hypo-Manger wissen.
Finanzminister Spindelegger will von der Bank wissen, wie viel Geld sie heuer noch braucht. Kalkuliert wird mit einer Milliarde Euro.

Ohne valide Zahlen kein Geld – diese Droh-Botschaft richtete Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) vor einer knappen Woche an die Hypo-Manager. Gestern bekräftigte er: "Ich erwarte Zahlen." Die notverstaatlichte Bank benötigt bekanntlich dringend eine Finanzspritze, um bilanzieren zu können und nicht in die Pleite zu schlittern. Gestern beriet der Hypo-Aufsichtsrat den Tag darüber, welche Zahlen dem Finanzminister nun vorgelegt werden. Am Freitag sollen konkrete Summen genannt werden - direkt nach den Beratungen gab es von der Bank keine Stellungnahme.

Spindelegger hatte im Vorfeld verlässliche Daten (alle Risken sollen eingepreist sein) verlangt, weil er "nicht alle paar Monate" wieder Geld hinlegen wolle.

Wenig verwunderlich: Schließlich hat die öffentliche Hand bis dato bereits 3,6 Milliarden Euro in die Hypo hineingebuttert und für 1,2 Milliarden Euro Kapitalgarantien übernommen.

Gründe für Geldspritze

Erst im Dezember ist die letzte Tranche an Staatshilfe geflossen. Das Geld wurde, wie berichtet, aber nicht – wie vorgesehen – für die Wertberichtigung der Südosteuropa-Töchter verwendet. Es wurden Verluste in Italien abgedeckt. Nun braucht die Hypo also wieder finanzielle Unterstützung vom Steuerzahler, um die Bilanz für 2013 erstellen zu können und um die Zeit, bis die Abbaugesellschaft steht (voraussichtlich September) überbrücken zu können. Auch die seit Jahresbeginn verschärften Kapitalvorschriften müssen erfüllt werden – und erhöhen damit den finanziellen Druck auf das defizitäre Geldinstitut.

Klar ist jedenfalls, auch wenn Spindelegger mit Drohgebärden arbeitet, wird die Hypo die Kapitalspritze bekommen – andernfalls kann der Bad-Bank-Plan ja nicht realisiert werden. Es würde die Finanzmarkt-Aufsicht auf den Plan treten, eine Insolvenz wäre unausweichlich. Genau das will die Regierung aber bekanntlich verhindern. Der Ministerrat hat in der vergangenen Woche bereits eine Vorab-Zusage für neues Kapital abgesegnet ("Ermächtigung für Kapitalhilfe"). Eine Summe wurden nicht fixiert.

Wie viel die Hypo urgieren wird, blieb vorerst offen. Ab Abend hieß es, dass die Zahlen erst am Freitag geliefert werden . Der Finanzminister wird sich auch erst am Freitag dazu äußern.

Finanz-Kunstgriffe

Eine Milliarde Euro ist für heuer jedenfalls budgetiert. Insider gehen davon aus, dass der von der Hypo angemeldete Finanzbedarf wohl in dieser Größenordnung liegen wird.

Abgezeichnet hat sich im Vorfeld, dass die Summe nicht allein durch frisches Geld aufgebracht werden dürfte. So könnte, wie berichtet, etwa ein Teil des staatlichen Partizipationskapitals in Eigenkapital umgewandelt werden. Das wurde schon 2011 praktiziert. Rund eine Milliarde Euro Partizipationskapital liegt noch in der Bank.

Auch Garantie-Instrumente könnten eingesetzt werden (etwa für die Südosteuropa-Töchter).

Der Vorteil dieser Kunstgriffe: Damit würde der Staatshaushalt nicht überstrapaziert werden – schließlich wird die Abwicklung der Hypo auch noch viel Steuerzahler-Geld kosten.

Eine knappe Milliarde Euro liegt noch im Bankenhilfstopf. Ex-Hypo-Aufsichtsratsboss Klaus Liebscher sagte gestern, "das sollte für alles reichen, was bei der Hypo im Moment ansteht".

Ein Meer an Mikrofonen und Kameras wie beim Opernball, dabei war das Ereignis für die Parlamentspräsidentin Routine: Eine Gruppe von Bürgern wird, wie bald wöchentlich, mit Unterschriften bei Barbara Prammer vorstellig. Die Bürgerinitiative "Tatort Hypo" hat nicht nur die Wähler-Mehrheit, sondern auch Roland Düringer im Schlepptau. Der Kabarettist erregte jüngst mit einem Bündel empörter Fragen an den Finanzminister Aufsehen – gipfelnd in der Aufforderung: "Dienen Sie nicht weiter den Finanzhaien, sondern uns, denen Sie verpflichtet sind."

Gestern Spindelegger, heute Prammer – "Trainiert Roland Düringer auf Beppe Grillo in Austria?" twittert ZiB2-Anchorman Armin Wolf. Am Abend zuvor füllt Werner Kogler einen Saal in Graz bis zum Bersten, als er erstmals mit seinem "Hypo-Krimi" gastiert. Der grüne Finanzsprecher tourt durchs Land, um für einen U-Ausschuss zu werben. Bisher 50.000 Unterstützer mögen wenig erscheinen. Wer sich umhört, weiß: So unten durch war die Politik von der Spitze abwärts noch nie. Da helfen die Spin-Doktoren-Rezepte von gestern nichts: Schluss mit den Hypo-Geschichten, reden wir über bessere Zeiten. Die Zeche für das Milliardendesaster müssen wir noch Jahre zahlen – und schmerzhaft spüren: Wohnbau-Offensive und Steuersenkung sind eine Fata Morgana, ein neues Sparpaket ist schon am Horizont.

Offen bleibt nur, wo sich die Wut entlädt. Ob gegen die wahren Hypo-Akteure bei Aufarbeitung des Skandals (in einem Weisenrat oder U-Ausschuss). Oder ob allein bei den nächsten Wahlgängen heuer in Brüssel und Bregenz; 2015 in Wien, Oberösterreich, Steiermark und im Burgenland. Je länger Rot-Schwarz eine professionelle öffentliche Aufarbeitung der Causa verweigert, desto wuchtiger wird sich die Wutwelle darob entladen.

Gesetzliche Konsequenzen wollen die Regierenden aus dem Hypo-Skandal ziehen – "damit nie wieder ein Land Haftungen in dieser Größenordnung eingehen kann", wie das Kärnten getan habe. Ein Spekulationsverbot, einheitliche Standards in der Rechnungslegung für Bund und Länder solle es geben, sagt Finanzminister Spindelegger.

Ginge es nach den Ländern, gäbe es das schon, sagt Vorarlbergs VP-Landeshauptmann Markus Wallner. "Nach dem Finanz-Skandal in Salzburg haben wir mit dem Bund ein Paket geschnürt." Es fehlte dann aber die nötige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat für die neuen Regeln: "Die FPÖ sprang in letzter Sekunde ab." Und so drängt Wallner SPÖ und ÖVP via KURIER, für diese Mehrheit zu sorgen – und die FPÖ, sie nicht zu verweigern.

Schließlich sei "ein Gebot der Stunde, dass die Budgets und Rechnungsabschlüsse der Länder vergleichbar werden". Diese seien gewillt, nicht mehr nur Einnahmen und Ausgaben, sondern auch Vermögenswerte und Haftungen auszuweisen, sagt Wallner dem KURIER. Im Ländle werde das schon praktiziert: "Wir führen auch Pensionsrückstellungen für Landesbedienstete an."

Ein bundesweites Spekulationsverbot könnte ebenfalls längst festgeschrieben sein. Auch das kam – mangels Zweidrittelmehrheit – nicht zustande. Und so untersagten einige Länder derlei Finanzgeschäfte im Alleingang. Der "Schönheitsfehler" für Wallner daran: "Es gibt keine Sanktionen (einen bestimmten Prozentsatz des Verspekulierten)." Eine Verfassungsbestimmung würde dafür gebraucht. "Das muss man im Bund rasch angehen."

Nicht infrage kommt für Wallner etwas anderes: Dass die Länder auf ihren Anteil an der Bankenabgabe (rund 150 der 640 Millionen € pro Jahr) zugunsten der Hypo-Entschuldung verzichten. "Das ist im Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern geregelt, der gilt bis 2016. In den kann der Bund nicht einseitig eingreifen." Im Übrigen gehe nicht an, "dass uns der Kanzler über die Medien ausrichtet, dass er das will. So kann man nicht agieren."

Werner Faymanns Appell, die Last "gemeinsam zu schultern", beeindruckt Wallner nicht: "Man kann das Problem eines Landes nicht zu einem Problem aller Länder machen." Kärnten müsse "einen substanziellen Beitrag leisten"; die von SP-Landeshauptmann Peter Kaiser offerierten 300 Millionen seien zu wenig: "Zielwert müssen die 500 Millionen sein, die im ,Zukunftsfonds‘ des Landes liegen."

Fürchtet Wallner, dass ihm die Hypo-Malaise bei der Herbst-Wahl schadet? "Die Lage ist angespannt." Laut Umfragen seien 80 % mit der Arbeit der Ländle-Regierung zufrieden, mit jener der Bundesregierung seien es 80 % nicht. "So groß war diese Schere noch nie. Wir werden alles daran setzen, den Bürgern zu vermitteln: Das ist eine Landes-, keine Bundeswahl."

Soll die Hypo in die Insolvenz geschickt werden? Diese Frage beschäftigte Österreich seit Monaten. Die Regierung hat sich nun aber dagegen entschieden. Stattdessen soll im Herbst eine Abbaugesellschaft für die Hypo eingerichtet werden.

Im November 2013 hatte die Finanzprokuratur Vor- und Nachteile einer Pleite sowie einer rein staatlichen Anstalt in einem mehrseitigen Papier aufgelistet. Die Kronenzeitung veröffentlichte diese Unterlage nun unter dem Titel "Das Hypo-Dossier, das niemand sehen durfte". Das Blatt berichtete, die Finanzprokuratur, also die Anwälte der Republik, hätten für eine Insolvenz plädiert und vor der "eben fixierten Anstaltslösung" gewarnt. Das stimmt freilich nur zum Teil. Richtig ist, dass die Finanzprokuratur laut dem Papier eher für eine Pleite der Bank eingetreten ist – was schon lange bekannt ist.

Große Unterschiede

Faktum ist auch, dass sich die von der Regierung beschlossene Abbaugesellschaft in wesentlichen Teilen von einer staatlichen Anstalt unterscheidet. Die Abbaugesellschaft ist privatrechtlich organisiert, das heißt, sie kann weiterhin in Insolvenz geschickt werden.

Bei einer der Anstalt hätte der Staat alle Verpflichtungen der Bank übernommen. Der Bund hätte also das Risiko zur Gänze getragen.

Im Finanzministerium hieß es gestern, die Ansichten der Finanzprokuratur seien bei der Hypo-Entscheidung berücksichtigt worden. "Das Papier ist in zwei Gutachten eingeflossen. Es geht aber von einem alten Szenario aus. Die Anstalt ist nicht mit der nun beschlossenen Lösung, also der Abbaugesellschaft, vergleichbar", sagte ein Sprecher. So habe die Finanzprokuratur beispielsweise als Vorteil aufgelistet, dass jene 2,3 Millionen Euro der Bayern, die sich noch in der Hypo befinden, im Falle einer Anstalt refundiert werden müssten. Das sei überholt. Im Ministerium geht man davon aus, dass das Geld bei einer Abbaugesellschaft nicht zurückgezahlt werden muss.

Zuerst ein Schreiben von Michael Spindelegger, nun ein Treffen mit Barbara Prammer: Der Protestbrief von Roland Düringer stößt auf immer größeres Interesse. Am Donnerstag übergab er gemeinsam mit den Initiatoren der Bürgerinitiative "Tatort Hypo" eine Unterschriftensammlung an die Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Einen Promi-Bonus hätte es aber nicht gegeben, schließlich empfange sie alle Bürger mit parlamentarischem Anliegen persönlich, sagte ihr Sprecher.

Das große Medieninteresse zeigte dennoch, dass mit Düringer ein besonderer Gast im Parlament vorstellig wurde. "Wir können unseren Kindern nicht einen Berg Schulden hinterlassen" , warnte er. Etwa 15 Minuten nahm sich Prammer für den Hypo-Kritiker Zeit, für die Empörung habe sie Verständnis: "Ich bin auch über die damaligen Vorgänge in Kärnten empört." 500 Unterschriften werden für eine parlamentarische Bürgerinitiative benötigt, Düringer legte 650 vor. Die Initiative wurde von den drei Wiener Managern Günter Robol, seinem Sohn Christoph und Michael Smrcka ins Leben gerufen. Die gemeinsame Firma ist auf Finanz-Management für Betriebe spezialisiert.

Mit dem Kabarettisten hat die Gruppe nun ein bekanntes Aushängeschild. "Wir sind froh, dass wir ihn im gemeinsamen Boot haben. Er fungiert als Sprachrohr, das den Österreichern diese Schweinerei verständlich erklärt", erklärt Christoph Robol gegenüber dem KURIER.

"Trainiert Düringer auf Beppe Grillo in Austria?", fragt nun schon Armin Wolf auf Twitter und spielt damit auf den erfolgreichen italienischen Protestkomiker, der zum Politiker geworden ist, an. Tatsächlich ist Düringer der prominenteste Hypo-Kritiker. So blieb auch das Stelldichein im Parlament nicht unbemerkt. Düringer nutzte den Pressewirbel und forderte auf, Protestbriefe zu verfassen. Ein richtiger Brief hätte mehr Gewicht als eine E-Mail. Er selbst hat weder Internet noch Handy.

U-Ausschuss gefordert

Die Forderung der Gruppe nach einem U-Ausschuss wurde von Prammer am Donnerstag weder unterstützt, noch abgelehnt. Die Abwicklungsmaßnahmen müssten zuerst eingeleitet werden, im Herbst könne man dann über einen U-Ausschuss debattieren, stellte sie klar.

Solange will sich die Opposition nicht Zeit lassen. Für kommende Woche ist der bereits vierte Anlauf für einen U-Ausschuss geplant. Die ersten drei wurden mit der Mehrheit der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP abgelehnt, zuletzt am Dienstag.

Zur Erinnerung: Die Kärntner FPÖ hatte die Neuwahlanträge der Opposition zwölf Mal verhindert, ehe sie sich beim 13. Antrag dem Druck der Öffentlichkeit beugen musste.

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