"Herr Strache, Sie bezeichnen mich als hasszerfressen?"

Grünen-Spitzenkandidatin Lunacek und FPÖ-Chef Strache
Das Duell zwischen FPÖ-Chef Strache und Grünen-Chefin Lunacek lief emotional ab. Mit Strolz gab es Konsens.

Nach der Konfrontation wird Puls4-Anchorwoman Corinna Milborn wohl aufgeatmet haben. Für einen kurzen Moment stand das Duell zwischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Grünen-Chefin Ulrike Lunacek nämlich an der Kippe. "Ich finde es schwierig, jetzt weiter zu diskutieren". Fast hatte man das Gefühl, Lunacek war an einen Punkt geraten, wo sie die Diskussion abbrechen will. "Wir sind gleich am Ende der Sendung", motivierte Milborn die Grünen-Chefin zum Durchhalten.

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Was war passiert? Über lange Strecken wurde kontroversiell über Klimaschutz, Dieselautos, Familie, Steuern und den Heimatbegriff diskutiert. Strache riss oft das Wort an sich, Lunacek kämpfte tapfer, versuchte dem FPÖ-Chef Paroli zu bieten – Boshaftigkeiten wurden ausgeteilt, aber Untergriffe gab es keine. "Strache hat sich sehr viel Raum genommen und Lunacek ließ das auch zu", analysiert OGM-Chef Wolfgang Bachmayer.

Das funktionierte, bis Lunacek zehn Minuten vor dem Finale die Antisemitismus-Keule auspackte. Strache solle nicht Zuwanderern aus islamischen Ländern "Antisemitismus vorwerfen, sondern in den eigenen Reihen kehren", forderte die Grünen-Frontfrau. "Ihr außenpolitischer Sprecher Johannes Hübner tritt wegen antisemitischer Äußerungen nicht mehr an. Das Mauthausen Komitee listet 60 Fälle von rechtsextremen Aktivitäten von FPÖ-Politikern auf" , kritisierte die Spitzenkandidatin.

Lunacek verlor Duell

Zugeben wollte Strache keinen der Vorfälle. Im Gegenteil: Er verteidigte den "redlichen Johannes Hübner" und sprach von "Vorwürfen, die nicht stimmen". Dann holte Strache verbal aus: Vielmehr seien es die Grünen, die "hasszerfressen" und "schäbig gegenüber der FPÖ agieren". "Das nehmen Sie jetzt zurück, Herr Strache. Sonst muss ich mir rechtliche Schritte überlegen", forderte die grüne Spitzenkandidatin emotional bewegt. Strache blickte seine Kontrahentin ruhig an und wiederholte genüsslich die Worte "hasszerfressen und schäbig". Das trieb Lunacek auf die Palme, sie beharrte auf einer Entschuldigung. "Man hatte fast das Gefühl, als nehme Strache Revanche für die vielen Jahre, wo er von den Grünen und der SPÖ als Hassprediger bezeichnet wurde", meint Bachmayer. Der Meinungsforscher attestiert Lunacek ein vollkommen falsches Verhalten in diesem emotionalen Moment. "In ihrem Beharren spürte man viel Verbitterung."

Eines wurde bei der Diskussion deutlich sichtbar: Wollen die Grünen den Turnaround bis 15. Oktober schaffen, dann wird sich Lunacek rasch einen Strategiewechsel überlegen müssen. "Das war kein erfolgreich Einstieg", analysiert Bachmayer. Selbst beim Haus und Hof Thema Klima und Dieselautos konnte Lunacek nicht punkten. Bachmayer: "Auch hier riss Strache das Zepter an sich." Eine Umfrage unter 400 Puls4-TV-Zusehern ging klar mit 60 Prozent an Strache. Lunacek überzeugte nur 26 Prozent.

Viel Konsens mit Strolz

Einen ganz anderen Strache erlebte man bei der ersten Diskussionsrunde mit Neos-Chef Strolz. "Einverstanden". "Da bin ich mit dabei". "Da haben Sie recht". Amikale Sätze wie diese dominierten die Atmosphäre. Streckenweise entpuppte sich die Sendung zu einem Paarlauf statt einer Konfrontation zwischen den Blauen und den Pinken. Kalte Progression abschaffen? "Stellen wir Sebastian Kurz bei der Plenarsitzung am 20. September gemeinsam auf die Probe", versuchte Strolz den FPÖ-Chef an Board zu holen. Strache stimmte dem Schulterschluss sofort zu.

Selbst beim heiklen Thema Migration, wenn Reizworte wie Residenzpflicht, mehr Sachleistungen statt Geld bei der Mindestsicherung oder der EU-Außengrenzschutz am Tisch waren, herrschte erstaunlich große Einigkeit. "Das war von beiden ein Warmlaufen für die späteren Konfrontationen. Mangels einer Wählerschnittmenge war das Gespräch sehr zivilisiert", analysiert Bachmayer. Angesichts der Anti-Angriffs-Stimmung wurde eine Koalition sogar zwischen FPÖ und Neos vorstellbar.

Streit um Haselsteiner

Das allerdings wäre für einen ein absolutes No-Go: Neos-Unterstützer Hans Peter Haselsteiner. Der Bauindustrielle hat 2017 über 400.000 Euro für die pinke Partei gespendet. Er war auch der einzige Punkt, wo sich Strolz und Strache einen Schlagabtausch lieferten. Der FPÖ-Chef ortete hier, dass sich ein Oligarch eine Partei kauft. Strolz sprang für Haselsteiner in die Bresche. "Da muss ich ein Stopp-Schild aufstellen. Herr Haselsteiner hat 20.000 Arbeitsplätze geschaffen." Vielmehr sei es Strache, der nach Russland "zu Oligarchen fahre". Bachmayers Fazit: "Strache hat zwei verschiedene Rollen gut eingenommen."

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