Heimniederlage für den Kanzler katapultiert Kickls FPÖ nach vorn
Nun ist es also passiert. Niederösterreich, das dereinst schwarze bzw. türkise Kernland, hat sich um einiges blauer gefärbt. Bei der Landtagswahl am Sonntag erreichte die ÖVP 39,9 Prozent – ein herber Verlust im Vergleich zu 2018 (49,63 Prozent).
In der Bundespartei dürfte das für ein mittelschweres Beben sorgen. Ex-Obmann Sebastian Kurz hatte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner 2018 starken Rückwind in Niederösterreich beschert. Mit Parteichef und Kanzler Karl Nehammer ist Ähnliches ganz offensichtlich nicht gelungen. Im Gegenteil.
Schwerwiegende Verluste
Die VP-Niederösterreich hatte sich ja schon im Wahlkampf (auch farblich) versucht, von der Bundespartei abzugrenzen. Man befürchtete, die Wähler würden in Niederösterreich mit der Krisenpolitik der Bundesregierung, garniert mit zahlreichen Korruptionsvorwürfen, abrechnen. Gelungen ist die Abkoppelung nicht. Überhaupt: Auch im VP-Regierungsteam sind überproportional viele Niederösterreicher vertreten – allen voran Kanzler Karl Nehammer und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Umso schwerer wiegen nun die Verluste.
Der Koalitionspartner kann sich freuen: Die Grünen konnten in Niederösterreich sogar dazugewinnen (von 6,43 Prozent auf 7,5 Prozent). Spitzenkandidatin Helga Krismer hatte im Wahlkampf vor allem auf das Klima-Thema gesetzt. Mit demselben Fokus waren 2019 auch die Bundesgrünen in die Regierung gewählt worden.
Keine Mehrheit mehr
Nicht ganz unbedeutend für zukünftige Gesetzesbeschlüsse auf Bundesebene ist übrigens, dass sich mit diesem Wahlergebnis die Mandatsverteilung im Bundesrat ändert. Die Koalition hat nun keine Mehrheit mehr in der zweiten Kammer des Parlaments. Das heißt, dass die Oppositionsparteien mit ihren Stimmen nun theoretisch von der Regierung beschlossenen Gesetze vorübergehend blockieren könnten.
Eindeutiger Gewinner der Landtagswahl im wählerstimmenstärksten Bundesland ist die FPÖ. Einen vergleichbaren Erfolg haben die Blauen seit 2017 nicht mehr verzeichnet. Das ist einigermaßen bemerkenswert mit einem Spitzenkandidaten, der 2018 über eine Nazi-Liederbuch-Affäre gestolpert war und einem Bundesparteiobmann Herbert Kickl, der sich im Vertrauensindex beständig am untersten Ende hält. Und es zeigt vor allem eines: Der Anti-Migrationskurs der ÖVP hat nicht ihr selbst, sondern vor allem der FPÖ genützt. Die Volkspartei muss sich bis zur nächsten Nationalratswahl (planmäßig Herbst 2024) überlegen, wie sie dieses Thema besetzt.
Das rote Dilemma
Auch die SPÖ verliert einiges. Für die Gegner der seit jeher intern umstrittenen Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner wird das schwache Ergebnis ein Argument mehr für einen Wechsel an der Parteispitze sein. Es ändert allerdings nichts am roten Dilemma: Wer soll übernehmen? SP-NÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl hatte sich zuletzt Schützenhilfe aus dem Burgenland, von Rendi-Wagners Erz-Rivalen Hans Peter Doskozil, geholt. Dass das offenbar nichts gebracht hat, könnte nun auch ein Argument gegen „Dosko“ als Bundes-Chef sein.
Dazugewinnen konnten die Neos. Für sie, die im Bund ja kaum vom Fleck kommen, ist das immerhin ein Erfolg. Der Ruf nach „sauberer Politik“ wurde von der Wählerschaft gehört und goutiert. Mutmaßlich fühlte sich ein Teil des bürgerlichen Lagers auch von der wirtschaftspolitischen Haltung der Pinken vermehrt angesprochen.
Viel Zeit, inhaltlich nachzuschärfen, haben weder Koalition noch Opposition – denn am 5. März wählt Kärnten, danach, am 23. April, Salzburg.
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