"Liberal sein heißt nicht schleißig sein mit dem Verteidigen unserer Grundwerte"
Wolfgang Hattmannsdorfer, Soziallandesrat in Oberösterreich, fordert Arbeitspflicht für Asylwerber und Gesetzesänderung, um Hamas-Fans abzuschieben. Eine Zusammenarbeit der Bundes-ÖVP mit Kickl schließt er aus.
Oberösterreich will als erstes Bundesland Asylwerber zur gemeinnützigen Arbeit verpflichten. Im Interview erklärt ÖVP-Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer, was er sich davon erhofft und welche Verschärfungen er sonst noch fordert.
KURIER: Sie wollen die Arbeitspflicht heuer "schrittweise“ einführen. Gibt es schon einen Plan?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Wir haben seit Kurzem Klarheit darüber, dass es möglich ist, das Innenministerium überarbeitet jetzt den Katalog der Leistungen, die ausgeübt werden können – vor allem in Richtung karitativer und sozialer Tätigkeiten wie die Mithilfe in einem Sozialmarkt. Wir werden parallel in Oberösterreich ein Modell ausarbeiten und dann schrittweise mit Pilotprojekten starten.
Wie sollen die Sanktionen aussehen?
Die aktuelle Auskunft, die wir haben, sieht beispielsweise eine Kürzung bei Geldleistungen vor.
Die Tätigkeit gibt es jetzt auf freiwilliger Basis. Warum braucht es eine Pflicht? Weigert sich irgendjemand, Schnee zu schaufeln oder die Straße zu kehren?
Wenn es im großen Stil passieren würde, dann wäre es politisch kein Thema. Es ist eine Grundsatzfrage: Wer das Recht auf Schutz und Hilfe in Anspruch nimmt, hat eine Verpflichtung, einen Beitrag für das Land zu leisten. Wir müssen uns auch inhaltlich weiterentwickeln und die Zeit, die Asylwerber auf ihren Bescheid warten, nutzen. In Oberösterreich beginnen wir bei jenen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit früh mit dem Erlernen der deutschen Sprache. Es kann nicht sein, dass jemand von der Grundversorgung volée in die Sozialhilfe geht.
Wer um sein Leben fürchtet, muss immer einen Platz bei uns in Österreich haben.
Gleichzeitig will die ÖVP nicht, dass sich Asylwerber zu stark integrieren – durch Arbeit und Sprache verfestigt sich ja der Aufenthalt.
Es geht uns darum, Asyl und Wirtschaftsmigration nicht zu vermengen. Wir haben derzeit Zuwanderung nach dem Roulette-Prinzip, stattdessen müssen wir uns gezielt Menschen aussuchen, die einen Beitrag zum Wohlstand leisten. Klar ist auch: Wer um sein Leben fürchtet, muss immer einen Platz bei uns in Österreich haben.
Was tun mit Asylwerbern oder Asylberechtigten, die auf Pro-Palästina-Demos den "Tod Israels“ fordern?
Abschieben. Terrorverherrlichung, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit haben in einem liberalen Rechtsstaat keinen Platz. Liberal sein heißt nicht, dass wir schleißig sein dürfen mit dem Verteidigen unserer Grundwerte.
Eine Aberkennung des Asyltitels ist aber erst bei schweren Straftaten möglich. Das Skandieren solcher Parolen fällt nicht darunter.
Dann gehört das geändert. Ich begrüße es, dass die Koalition das Symbolegesetz verschärft hat – die Hamas ist gleichgesetzt mit der NSDAP, damit ist man im Strafrecht. Sobald ein Asylwerber oder Asylberechtigter strafrechtlich verurteilt ist, hat er hier nichts mehr verloren.
Allerdings kann man Menschen nicht in ein Kriegsgebiet abschieben.
Die EU ist gefordert, Abschiebezentren in sicheren Drittstaaten zu schaffen. Viele Länder bekommen Unterstützung von der EU, mit ihnen muss man verhandeln.
Es will niemand einen Herbert Kickl als Kanzler – weil er Menschen nicht mag.
Themenwechsel: Im Herbst ist Nationalratswahl, die ÖVP liegt in Umfragen momentan nur auf Platz 3. Wie geht es Ihnen damit?
Man darf das nicht überbewerten. Wenn es in Richtung Wahl geht, ist die entscheidende Frage: Wer soll Bundeskanzler werden? Niemand will einen Andreas Babler mit einer SPÖ, deren marxistischen Konzepte den Wirtschaftsstandort massiv schädigen würden. Und es will niemand einen Herbert Kickl – weil er Menschen nicht mag und das gesellschaftliche Klima vergiftet. Dieses Match geht für Karl Nehammer aus - ein Kanzler, der verlässlich ist und dem man vertrauen kann. Seine Bilanz kann sich sehen lassen: die Abschaffung der kalten Progression, Asylbremse, Klimaticket, um nur einige zu nennen.
Diese Bilanz schlägt sich derzeit aber nicht bei der Stimmung in der Bevölkerung nieder. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Es ist ein Problem, dass wir in einer permanenten Aufgeregtheit unterwegs sind und sich die Ränder - links wie rechts - radikalisieren. Es gibt keinen sachlichen Diskurs mehr. Ich mache dafür den Einfluss von Social Media verantwortlich. Algorithmen bedingen, dass nur noch Extrempositionen angezeigt werden und die politische Mitte im digitalen Raum keine Resonanz mehr findet. Wir müssen alles tun, damit diese Polarisierung nicht zu einem gravierenden Problem für unsere Demokratie wird.
Sie regieren in Oberösterreich schon seit Längerem mit der FPÖ. Wäre Türkis-Blau eine Mitte-Regierung im Bund, die Sie sich wünschen würden?
Die Frage ist: mit wem? Grundvoraussetzung, damit es klappt, ist immer die Chemie unter den handelnden Akteuren. Mit Kickl kann und wird es keine Zusammenarbeit geben.
Egal, in welcher Funktion?
Kickl war schon als Innenminister ein großer Misserfolg. Er hat immer wieder bewiesen, dass er Politik nicht kann und keine inhaltlichen Konzepte hat. Das Einzige, was Kickl kann, ist, Gift in die Arena speien. Das ist eine Politik, die wir zutiefst ablehnen.
Wäre stattdessen Manfred Haimbuchner ein guter Bundeskanzler?
Das müssen Sie ihn fragen, aber ich habe den Eindruck, dass er sich in Oberösterreich sehr wohl fühlt.
Und würden Sie in den Bund wechseln?
Ich habe so viel Spaß und Leidenschaft in Oberösterreich und genug zu tun bis zum Ende der Legislaturperiode 2027.
Wolfgang Hattmannsdorfer (*1979) hat seine politische Karriere 2003 im ÖVP-Landtagsklub in Oberösterreich begonnen.
2009 war er als Büroleiter des damaligen Klubobmanns und Landesgeschäftsführers Michael Strugl für die Organisation des Landtags-Wahlkampfes der ÖVP zuständig und wurde 2013 dann selbst Landesgeschäftsführer.
Seit Oktober 2021 ist der gebürtige Linzer Mitglied der Landesregierung und zuständig für Soziales.
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