Hassbriefe, tote Mäuse und Bomben: Wie Österreichs Politiker bedroht werden
"Du bist für mich etwas ganz Besonderes."
Eine Botschaft, die nicht unbedingt bedrohlich klingt. Beim Billet lag eine vergiftete Schoko-Praline. Der damalige Bürgermeister von Spitz, Hannes Hirtzberger, hat den Mordversuch 2008 nur knapp überlebt.
"I ram eam auf die Seitn" klingt da schon ganz anders - und war Grund genug, dass die Sondereinheit Cobra am Mittwoch einen 52-jährigen Oststeirer festgenommen hat. Der Mann hatte bei einem Verwandten des burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil angerufen und mit Mord gedroht, sollten sie die Polizei verständigen.
In Graz wurden am Mittwoch vier Brandanschläge verübt - einen davon im Rathaus. Ein Mann hatte einen Stapel Papier mit Benzin übergossen und angezündet.
Bürgermeister Siegfried Nagl denkt nun über Sicherheitsmaßnahmen nach. Er habe von einem offenen Bürgermeisteramt geträumt, aber "leider haben sich die Zeiten geändert", sagte Nagl. Die Sicherheit der Mitarbeiter sei wichtiger.
Tote Maus bis Bombendrohung
Politiker leben in Österreich gefährlich - so klingt es zumindest. Dass tatsächlich etwas passiert, ist selten. Aber gerade an der Basis, in den Gemeinden, ist die Hemmschwelle niedrig. Drohgebärden, so hört man, gehören zum Tagesgeschäft.
Das gehe von Anfeindungen auf Facebook und per Post über kreativere Boshaftigkeiten bis hin zum tätlichen Angriff.
Nach dem Giftpralinen-Anschlag auf den Spitzer Bürgermeister wurden einigen Ortschef Pralinen geschenkt - als symbolische Geste. Giftig waren sie nicht.
In Oberösterreich bekam ein Bürgermeister einen Umschlag zugeschickt, in dem sich eine tote Maus und ein Beileidsschreiben befand.
In der Gemeinde Dimbach wurde der Bürgermeister 2017 von einem Mann, den er aus Schulzeiten kannte, mit einer Waffe bedroht, mit einem Pfefferspray attackiert - und der Amtsleiter, als er einschritt, mit einem Messer am Arm verletzt.
"Bürgermeister arbeiten direkt an der Front, sie treffen Entscheidungen, die die Menschen in ihrem unmittelbaren Lebensbereich betreffen", erklärt eine Sprecherin des Gemeindebundes.
Vor einigen Jahren habe man einen Mediator engagiert, der die Ortschefs im Umgang mit "Wutbürgern" geschult hat. "Da wurde zum Beispiel erklärt, dass jene, die immer wieder auffallen, weniger gefährlich sind als jene, die sich im Stillen ärgern." Den "Wutbürger" erkennen, bevor er austickt - das ist die große Herausforderung.
Alarmknopf unterm Tisch
Bei Um- und Neubauten von Gemeindeämtern würden die Vorzimmer der Bürgermeister so konzipiert, dass ein Tresen die Besucher zumindest räumlich davon abhält, vorzustürmen. Unter den Tischen werden vielerorts Alarmknöpfe installiert.
Einen solchen "stillen Alarm" hat der Welser Bürgermeister Andreas Rabl bei der Renovierung seines Büros einbauen lassen. Der Knopf ist direkt mit der Polizei verbunden und informiert auch die umliegenden Büros über die Gefahrenlage – auf den Bildschirmen der Mitarbeiter poppt dann eine Warnung auf.
„Gerade im Vorzimmer waren meine Mitarbeiter oft mit aggressiven Besuchern konfrontiert“, erklärt Rabl. Ausgelöst wurde der Knopf seither aber noch nicht.
Pistolen, Messer und Pfeffersprays am Amt
Die Debatte um die Sicherheit in Ämtern und Behörden, aber auch in Politiker-Büros, kam zuletzt ins Rollen, als im Februar der Leiter des Sozialamts in Dornbirn, Vorarlberg, erstochen wurde.
In Oberösterreich war schon vor dieser Attacke geplant, alle Bezirkshauptmannschaften mit Sicherheitsschleusen auszustatten. Das wären Metalldetektorbögen und Rötgengeräte für Gepäckstücke, wie man sie vom Flughafen kennt.
Landeshauptmann Thomas Stelzer will die flächendeckende Sicherung nun aber schon zwei Jahre früher - also 2022 statt 2024 umgesetzt haben. "Wir machen das zum Schutz unserer Mitarbeiter und Kunden. Und wir können das schneller realisieren, weil es technisch und finanziell möglich ist.“
Im Linzer Landhaus ist diese Schleuse seit 2018 im Einsatz - und hat Erstaunliches zum Vorschein gebracht: 24 Faustfeuerwaffen, 3500 Stichwaffen und rund 400 Pfeffer- bzw. Tränengas-Sprays (Stand April) wurden den rund 124.000 Besuchern des Landhauses am Eingang abgenommen.
So eine Schleuse gibt es im steirischen Landtag seit zehn Jahren, im Landhaus in St. Pölten seit 2001 - aber nur, wenn Landtagssitzungen stattfinden.
Auf Schritt und Tritt
Was den persönlichen Schutz von Politikern betrifft, lässt sich die Polizei aus taktischen Gründen nicht in die Karten schauen.
Bekannt ist, dass nur der Bundespräsident, der Bundeskanzler und der Innenminister standardmäßig von Cobra-Beamten in Zivil begleitet werden. In der türkis-blauen Regierung bekam auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache Personenschutz. Bei einer "erhöhten Sicherheitslage" wird auch anderen Ministern Sicherheitspersonal zur Seite gestellt.
Ebenso verhält es sich bei den Landeshauptleuten, die sich laufend mit den jeweiligen Landespolizeidirektionen abstimmen. Die Büros werden etwa regelmäßig (etwa ein Mal im Jahr) von Verfassungsschützern geprüft.
Sich von Sicherheitsbeamten auf Schritt und Tritt begleiten zu lassen, lehnen viele beim KURIER-Rundruf ab. Das wäre wohl "übertrieben" und zudem eine Belastung für die Staatskasse.
Auch der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig wünscht das explizit nicht, auch das Wiener Rathaus soll weiterhin ein offenes bleiben, heißt es aus seinem Büro. Vorgänger Michael Häupl hat in seinen 23 Jahren im Amt vier bis fünf Morddrohungen erhalten, Ludwig noch keine.
Eine Drohung kann übrigens gerichtliche Konsequenzen haben: 2016 wurde ein 60-jähriger Oberösterreicher zu drei Monaten bedingter Haft verurteilt, weil er dem damaligen Landeshauptmann von Niederösterreich, Erwin Pröll, einen Brief schrieb: Darin stand, er werde seine "Schlachtung" so vorbereiten, dass er nicht lange leiden müsse.
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