Doskozil rechnet mit der SPÖ ab: "Störfaktor in der eigenen Partei"
Wie soll man aus einem Politiker schlau werden, der bei jeder Gelegenheit beteuert, sicher nicht mehr in der Bundespolitik mitmischen zu wollen und der dann nur wenige Wochen vor einer Nationalratswahl eine Autobiografie veröffentlicht, in der er scharf mit seiner Bundespartei ins Gericht geht?
Diese Frage muss sich aktuell Hans Peter Doskozil gefallen lassen. „Hausverstand“ heißt die soeben erschienene Autobiografie des burgenländischen SPÖ-Landeshauptmanns.
2023 im pannenreichen Linzer Parteitag knapp Andreas Babler im Kampf um die Parteiführung unterlegen, sorgt er weiterhin mit offener Kritik an der Parteispitze für Schlagzeilen.
So auch in seinem Buch, in dem der 54-jährige Ex-Polizist biografische Notizen und politische Positionen mit tiefen Einblicken in die Sozialdemokratie verknüpft. Einige Kapitel, etwa jenes über seine Kehlkopf-Erkrankung, habe er eigenhändig geschrieben, so Doskozil bei der Präsentation am Mittwoch im burgenländischen Donnerskirchen. Andere laut Verlag ein Autorenteam.
Warum Doskozil Autor wurde
Das Buch hätte eigentlich schon im Vorjahr erscheinen sollen. Aufgrund des gerade tobenden internen Machtkampfs wäre das aber unpassend gewesen, so Doskozil. Mit einem Erscheinungstermin nach der Nationalratswahl wäre man wiederum mitten im burgenländischen Wahlkampf gelandet, rechtfertigt der Landeshauptmann die Terminwahl für die Veröffentlichung.
Geschrieben habe er das Buch, um sein Bild in der Öffentlichkeit geradezurücken. „Etwa den Vorwurf, wir im Burgenland würden wir alles verstaatlichen. Mir ging es auch darum, Einblicke in die innere Dynamik einer Partei zu gewähren. Die Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren, was auf dem Weg zu politischen Entscheidungen passiert.“
Harsche Kritik an Gewerkschaftern
Manchen Genossen wird das nicht gefallen. Besonders schlecht weg kommen die roten Spitzengewerkschafter – explizit nennt er Wolfgang Katzian und Rainer Wimmer – die sich einerseits gegen Doskozils Leibprojekt Mindestlohn wehren würden, andererseits Spitzenfunktionären in den vergangenen zwei Jahren eine Brutto-Gehaltserhöhung von bis zu 2.500 Euro ermöglicht hätten.
„Ich könnte als Gewerkschaftsvertreter nicht mehr in den Spiegel schauen“, empört sich Doskozil in seinem Buch. Man habe den Eindruck, die SPÖ habe seit den 90er-Jahren nichts gelernt, als FPÖ-Chef Jörg Haider die Spitzengagen roter Funktionäre anprangerte.
Doskozils kompliziertes Verhältnis zur FPÖ
Nicht der einzige Konflikt, den Doskozil zu einem Kritiker und letztlich zu einen Außenseiter in der Partei werden ließ. Er schildert im Buch die Dissonanzen in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, wo er einen restriktiveren Kurs fordert – und etwas überraschend eine Anbiederung der SPÖ an die Kickl-FPÖ. Doskozil meint damit den Versuch der Parteispitze 2021, eine Vierparteienkoalition inklusive FPÖ zu schmieden, nachdem der damalige ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz durch Ermittlungen der WKStA unter Beschuss geriet.
Und das, obwohl seit Parteichef Franz Vranitzky eine Koalition mit der FPÖ immer als tabu galt. Und das trotz der fragwürdigen Positionen Herbert Kickls zu Corona oder Russland.
Zeilen, die sich wie eine späte Retourkutsche für die massive interne Kritik lesen, die auf die SPÖ Burgenland niederprasselte, als sie 2015 ihrerseits mit der FPÖ koalierte. Man dürfe nicht pauschal alle Blauen als böse bezeichnen, versucht Doskozil diesen Widerspruch am Mittwoch aufzulösen.
Parteiinterne Machtkämpfe gab es freilich schon in der Zeit, als Doskozil Verteidigungsminister war. In jenem, der zwischen Werner Faymann und seinem Nachfolger Christian Kern tobte, habe er sich instrumentalisieren lassen, räumt Doskozil im Buch ein.
Da ihn Faymann „erfunden“ habe, übernahm er auch zwei seiner nächsten Mitarbeiter: „Zu spät überriss ich leider, dass sie aus meinem Ministerkabinett heraus Faymanns Rivalen Kern bekämpften.“ Er habe sich hierfür bei Kern auch entschuldigt.
Mai-Aufmarsch? "Überheblich, nicht mehr zeitgemäß"
Und mit noch einem Detail wird er manche Genossen verärgern. Mit dem SPÖ-Aufmarsch am 1. Mai in Wien könne er wenig anfangen. Die Tribüne, auf der die Parteielite stehe, habe etwas „Überhebliches, nicht mehr Zeitgemäßes“.
Bei der Präsentation lässt er aber auch noch einmal den berüchtigten Parteitag am 3. Juni 2023 Revue passieren, als er sich aufgrund einer Abstimmungspanne für 48 Stunden fälschlicherweise SPÖ-Bundesparteiobmann nennen durfte. „Man muss demokratische Entscheidungen akzeptieren“, so Doskozil, der gleichzeitig einräumt, im Kampf um die Parteispitze einer Fehleinschätzung aufgesessen zu sein.
"Störfaktor in der eigenen Partei"
Im Nachhinein sei klar, dass er so polarisiert habe, dass man nicht bereit gewesen wäre, seinen Weg mitzugehen. Vielmehr sei er als „Störfaktor in der eigenen Partei“ betrachtet worden, den es von innen zu bekämpfen galt. „Und wenn es nicht gelingt, die oberen Funktionäre für seine Themen wie Mindestlohn zu begeistern, wird es auch schwer, bei Wahlen zu bestehen.“
Was wie eine Selbstkritik klingt, könnte auch als Mahnung an Babler verstanden werden, unter dessen Obmannschaft die SPÖ nicht vom Fleck kommt. „Als Werner Faymann damals bei 27 Prozent lag, war das intern eine Katastrophe. Jetzt wird diskutiert, ob überhaupt noch ein Zweier vor dem Ergebnis steht und es regt niemandem mehr auf.“ Das könne nicht der Anspruch der Sozialdemokratie sein.
Keine Doskozil-Partei
Falsch hält er es auch, dass die SPÖ vor allem von Links Stimmen gewinnen wolle, anstelle FPÖ-Wähler zurückzuholen. „Denn eine Mehrheit links der Mitte wird es schwer geben.“
Selber will er jedenfalls keine Partei gründen. „Abspaltungen wie LIF, BZÖ oder Liste Pilz waren immer nur kurzfristig erfolgreich. Und ich brauche auch nicht wie Madeleine Petrovic mein Ego befriedigen.“ Aufatmen dürfen seine innerparteilichen Gegner aber nicht: Zu Wort melden will er sich auch künftig noch.
Auch von seinen gesundheitlichen Problemen will er sich nicht aufhalten lassen: "Auch wenn der Kehlkopf irgendwann vielleicht raus muss, bedeutet das nicht das Ende als Politiker. Das sei den politischen Gegnern gesagt - und ganz besonders manchem lieben Parteigenossen, Freundschaft!"
Buchtipp: Hans Peter Doskozil, Hausverstand. Mein Leben, meine Politik. Ecowing, 192 Seiten, 26 Euro.
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