Kickls gefallener Vertrauter: Was Hans-Jörg Jenewein in der BVT-Affäre vorgeworfen wird

Kickls gefallener Vertrauter: Was Hans-Jörg Jenewein in der BVT-Affäre vorgeworfen wird
Der ehemalige FPÖ-Sicherheitssprecher sieht sich schweren Vorwürfen ausgesetzt. Warum die Staatsanwaltschaft Wien gegen ihn ermittelt und was Jenewein dazu sagt.

Von Anfang 2018 bis Oktober 2019 war Hans-Jörg Jenewein noch Sicherheitssprecher des FPÖ-Klubs im Parlament.

Mittlerweile liegt seine politische Karriere in Trümmern. Jenewein ist kein FPÖ-Mitglied mehr und die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wegen diverser Verdachtsmomente gegen ihn. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Doch was genau wird dem 49-Jährigen, der als Vertrauter des heutigen FPÖ-Chefs und damaligen Innenministers Herbert Kickl galt, vorgeworfen?

Hochsensible Daten

Der wohl zentrale Vorwurf ist: Jenewein soll andere Personen zur Weitergabe von sensiblen Daten oder Amtsgeheimnissen angestiftet haben. 

Hier geht es erstens um Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott, der wegen mutmaßlicher Russland-Spionage in U-Haft sitzt. Und auch eine ehemalige Kabinettsmitarbeiterin Kickls fragte Jenewein wiederholt nach Dokumenten.

Ein konkreter Fall dreht sich beispielsweise um zwei Treffen des Berner Clubs in Helsinki und Warschau, 2018. 

Der Berner Club ist ein Zusammenschluss von EU-Inlandsgeheimdiensten. Im Herbst 2018 macht das Gerücht die Runde, dass suspendierte Mitarbeiter von Österreichs damaligem Verfassungsschutz BVT an Treffen des Clubs teilgenommen haben. BVT-Chef Peter Gridling und sein damaliger Stellvertreter Dominik Fasching werden dazu auch im BVT-U-Ausschuss befragt.

Jenewein habe das Gerücht überprüfen wollen, wie er später gegenüber der Staatsanwaltschaft bei seiner Einvernahme angeben wird. 

Am 30. Oktober 2018 fragt er jedenfalls zuerst Kickls Mitarbeiterin nach den Berichten und der Teilnehmerliste zu den Treffen in Helsinki in Warschau. Sie schickt ihm mutmaßlich den Bericht zum Treffen in Helsinki via Mail, wie aus dem weiteren Chatverlauf hervorgeht. 

In ihrer späteren Einvernahme gibt die Mitarbeiterin an, dass das Dokument zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon öffentlich bekannt gewesen sei. Und: "Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, ob ich Hans-Jörg Jenewein das Dokument geschickt habe, das ist bereits fünf Jahre her."

Hans-Jörg Jenewein, 30. Oktober 2018

Sag, kannst du ev. eine österreischische Teilnehmerliste inkl Bericht Berner Klub Helsinki & Warschau organisieren???

Kickls Mitarbeiterin, 30. Oktober 2018

Den Bericht kann ich dir nochmals extra schicken. Fasching (Dominik Fasching, damaliger BVT-Vizedirektor) war als offizieller Vertreter Österreichs dort.

Kickls Mitarbeiterin, 30. Oktober 2018

Bericht schon per E-Mail geschickt.

Tags darauf, am 31. Oktober, fragt Jenewein dann Egisto Ott, welche BVT-Beamten beim zweiten Treffen in Warschau anwesend waren. Ott antwortet am 1. sowie 2. November und übermittelt ihm die hochsensiblen Angaben mit mehreren Namen.

Das ist, wie im Ermittlungsakt zu lesen ist, keine Lappalie: „Eine Offenbarung von Zusammenkünften und Interna des Berner Clubs und der Identität entsandter Mitglieder der österreichischen Delegation würde die internationalen Beziehungen der Republik Österreich schädigen und auch die Unversehrtheit von Leib und Leben der Betroffenen gefährden.“

Preisliste von Ott?

In diesem Zusammenhang fragt sich die Staatsanwaltschaft auch, ob Jenewein Ott für Informationen Gelder oder andere Zuwendungen übergeben hat. 

Darauf weist zumindest eine mysteriöse Kostenaufstellung Otts für Recherchen und weitere Leistungen hin (siehe Infobox). Auf der Liste - sie liegt dem KURIER vor, die Krone berichtete zuerst - findet sich auch der Punkt "Laufende Unterstützung HJJ". Die Vermutung liegt nahe, dass das Kürzel HJJ für "Hans-Jörg Jenewein" steht. 

Jeneweins Anwalt Christoph Rother widerspricht am Dienstag in einer Stellungnahme: Es habe "zu keiner Zeit Geldflüsse oder sonstige Zuwendungen bzw. Versprechungen für Geldflüsse oder Zuwendungen zwischen unserem Mandanten und Egisto Ott oder diesem nahestehenden Personen" gegeben. Von der Preisliste habe Jenewein erst über Medienberichte erfahren.

Über den mutmaßlichen Verkauf von Daten geht es auch in einem anderen Zusammenhang. Am 12. September 2019 schreibt Jenewein Ott, sich "noch das ok für die 50 holen" zu müssen. Ott antwortet: "Endpreis bekommen wir aber erst." Jenewein: "Ich hab jetzt mal mit 50 kalkuliert". Er müsse "denen" ja was sagen, meint Jenewein. 

Um welche Summe es bei den "50" geht und wer mit "denen" gemeint sein könnte, geht aus den dem KURIER vorliegenden Einvernahmeprotokollen nicht hervor. Laut Jeneweins Anwalt stehe die Bezeichnung "50" im Zusammenhang mit der Möglichkeit, das Ibiza-Video "zu beschaffen". Es sei aber weder zu einer Zahlung, noch zur Übergabe des Videos gekommen.

Hans-Jörg Jenewein, 12. September 2019

Du ich muss mir am Mo noch das ok für die 50 holen. Sobald ich das hab, bitte starten!

Egisto Ott, 12. September 2019

Endpreis bekommen wir aber erst

Hans-Jörg Jenewein, 12. September 2019

Ich hab jetzt mal mit 50 kalkuliert

Hans-Jörg Jenewein, 12. September 2019

Weil ich muss ja denen was sagen…wenns weniger ist auch gut.

Die Staatsanwaltschaft Wien vermutet bei diesem Chatverlauf jedenfalls einen Zusammenhang mit Handydaten von Michael Kloibmüller. Er war BMI-Kabinettschef unter Kickls Vorgänger Wolfgang Sobotka (ÖVP). 

Kloibmüllers Handy und jene von zwei weiteren BMI-Spitzenbeamten landeten bei einem Bootsunfall 2017 im Wasser. Ott soll die vermeintlich unwiederbringlich beschädigten Handys später an russische Spione verkauft haben. 

Jenewein habe spätestens ab 10. September 2019 über Kloibmüllers Chats verfügt - an diesem Tag habe er sie nämlich seiner Schwester, FPÖ-Mandatarin Dagmar Belakowitsch, übermittelt, schreibt die Staatsanwaltschaft.

Jeneweins Anwalt schreibt: Sein Mandant habe erstens Ott den Inhalt des Kloibmüller-Handys nicht abekauft, sondern diese auf einem USB-Stick anonym zugesandt bekommen.

U-Ausschuss-Dokumente

Welche weiteren Vorwürfe stehen im Raum?

Jenewein soll im damaligen BVT-U-Ausschuss unbefugt sensible Daten weitergegeben und Auskunftspersonen fotografiert haben. Unter den Lichtbild-Betroffenen befindet sich auch Julian Hessenthaler, als Drahtzieher des Ibiza-Videos öffentlich bekannt.

Wie Chats zeigen, fragte Jenewein Kickls Mitarbeiterin zudem mehrfach wegen Dokumenten, die zwar dem U-Ausschuss vorlagen, allerdings als "vertraulich" oder "geheim" klassifiziert waren.

Dokumente dieser Sicherheitsstufe sind bei der Lieferung an den U-Ausschuss mit Wasserzeichen gesichert. Veröffentlicht also beispielweise ein Journalist ein Faksimile davon, wird die Quelle nachvollziehbar. Die ehemalige BMI-Mitarbeiterin soll Jenewein die Dokumente ohne Wasserzeichen beschafft haben, damit dieser sie an Medien spielen konnte. Auch hier der Verdacht: Bestimmung zur Verletzung des Amtsgeheimnisses.

Anwalt Rother betont, dass Jenewein ausschließlich Dokumente erhalten habe, "die unserem Mandanten ohnehin aufgrund seiner Tätigkeit im Rahmen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses vorlagen".

Schlagring und Munition

Zuletzt steht auch noch ein Verstoß gegen das Waffengesetz im Raum. Bei einer Hausdurchsuchung am 11. September 2021 fanden Ermittler bei Jenewein einen Schlagring mit Totenkopf-Gravur und 60 Patronen des Kalibers 9mm Luger.

Beim Schlagring habe sich sich um ein "Objekt aus der Verlassenschaft des Vaters unseres Mandanten, das nicht im Eigentum unseres Mandanten stand", schreibt Rother. Die "Munitionsreste" seien Restbestände gewesen, die nach dem Besuch einen Schießstandes übriggeblieben seien. "Zu diesem Zeitpunkt hielt Herr Jenewein eine Waffenbesitzkarte und war somit auch rechtmäßig im Besitz dieser Munitionsteile."

Und was wusste Kickl?

Bleibt zum Schluss die Frage: Agierte Jenewein nur in seinem eigenen Interesse - oder in dem seiner Partei sowie dem früheren Innenminister und heutigen Parteichef Herbert Kickl? 

Bekannt ist nur: 

  • Jenewein war Kickls Sicherheitssprecher. 
  • Jenewein hat von Kickls Kabinettsmitarbeiterin Dokumente geschickt bekommen. 
  • Jenewein war mit Ott im Austausch. 
  • Ott hat heimische Politiker und den russischen Geheimdienst mit Informationen aus dem BVT versorgt. 

Eine direkte Verbindung zwischen Russen-Spion Ott und FPÖ-Chef Kickl ist aus der jetzigen Aktenlage nicht ersichtlich. 

Kommentare