Causa Egisto Ott: Die fantastischen Vier des Spionageskandals
Ihre Aufgabe war es, den Staat zu schützen. Doch vier heimische Verfassungsschützer sollen Geheimnisse an Russland verkauft haben. Wer die enttarnten Polizisten sind, gegen die ermittelt wird
Der Doktor: Martin Weiss
Bis zum heutigen Tag. Es ist ein zentraler Satz, der sich in den neuen Ermittlungsergebnissen der AG Fama rund um das mögliche Spionagenetzwerk des Ex-Verfassungsschützers Egisto Ott findet.
An dessen Spitze soll Otts Ex-Abteilungsleiter im BVT gestanden haben: Martin Weiss, 60, Deckname: Der Doktor. Ihm, Ott und IT-Techniker Anton H. wird vorgeworfen über Anordnung des flüchtigen Wirecard-Managers Jan Marsalek ab dem Jahr 2015 „bis zum heutigen Tag“ Österreich im Auftrag Russlands ausspioniert zu haben.
Jenem Jahr, als sich Weiss und der seit 2020 flüchtige Marsalek bei einer Veranstaltung kennenlernten.
Weiss war damals bereits seit zwei Jahren Leiter der Abteilung II im BVT. Ein Mann mit besten Verbindungen in der ÖVP. Auch aufgrund seiner Ex-Lebensgefährtin, einer Ex-Ministerin. Doch dann wird Weiss aus seiner Sicht offenbar karrieretechnisch im BVT übergangen. Er tritt von August 2016 bis September 2017 einen Dauerkrankenstand an. 2018 wird er „Berater“ bei Wirecard. 2020 soll er Marsalek bei seiner Flucht nach Moskau geholfen haben. Marsalek organisiert im Gegenzug wohl die „Evakuierung unseres Freundes“ nach Dubai.
Der Kärntner: Egisto Ott
Sechs Wochen dauerte seine erste U-Haft im Jahr 2016. Am Montag wird nun entschieden, ob Egisto Ott dieses Mal länger wegen Spionageverdachts hinter Gittern bleibt. Die Vorwürfe wiegen schwer. Der gebürtige Kärntner, der von 2013 bis 2017 im BVT in unterschiedlichen Funktionen tätig war, soll sich 2.400 Mal von seiner Dienst- an seine private Mailadresse, zum Teil mit „streng vertraulich“ klassifizierte Mails gesendet haben.
Darüber hinaus soll er unerlaubt Abfragen während seiner Zeit als Verfassungsschützer – aber auch danach – über Personen getätigt haben, die gemeinhin als Putin-Gegner galten. Auf Betreiben von Jan Marsalek. Das bekannteste Opfer: Investigativjournalist Christo Grozev, der den Giftanschlag an Alexej Nawalny aufdeckte..
Ott soll dafür am 24. März 2021 in das Meldeamt in Spittal an der Drau spaziert sein, der verdutzten Mitarbeiterin seine „Dienstkokarde Kriminaldienst“ vorgehalten und eine Meldeauskunft über Grozevs Adresse in Wien erhalten haben. Eine Kokarde, die Ott eigentlich nicht mehr in Besitz haben hätte dürfen. Ebenso wie ein Polizei-Blaulicht und eine Einfahrtskarte des Innenministeriums (BMI), die bei vier Hausdurchsuchungen gefunden worden waren. Ott soll auch in den Fall rund um drei BMI-Handys verstrickt sein.
Der IT-Techniker: Anton H.
Am Anfang stand Anton H. Ohne den 51-jährigen IT-Techniker würden drei Handys von BMI-Spitzenbeamten heute wohl kaum beim russischen Inlandsgeheimdienst FSB liegen. H. nahm im Jahr 2017 nach einem Bootsunfall die nassen Handys in Empfang, um sie angeblich zu reparieren. Doch soll er dabei vielmehr die Telefondaten illegal ausgelesen und die Handys an Ott weitergereicht haben.
H. und Ott kennen sich aus ihrer Zeit bei der EBT. Laut Ermittlern verbindet sie ein „enges freundschaftlich-kollegiales“ Verhältnis. H. war in den Jahren 2017 und 2018 im BVT für die Auswertung von Mobiltelefondaten zuständig.
Doch nicht nur bei den Telefonen soll H. eine zentrale Rolle gespielt haben.
BVT
Alle Vorfälle, die nun rund um den wohl größten Spionagefall des Landes ans Licht kommen, haben ihren Ausgang im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (kurz BVT) genommen. Der letzte Direktor des BVT war Peter Gridling, für die Dauer von zwölfeinhalb Jahren. Ende 2017 tauchte ein Konvolut auf, in dem schwere Missstände im BVT angeprangert wurden. Als Verfasser werden Egisto Ott und Martin Weiss vermutet. 2018 kam es im BVT zur berühmt-berüchtigten Razzia. Das Amt verlor daraufhin bei befreundeten Partnerdiensten das Vertrauen und wurde aus dem Berner-Club ausgeschlossen.
Berner Club
Geheim, geheimer, Berner Club. So lässt sich das Gremium beschreiben, in dem vor allem europäische Inlandsgeheimdienste ihr Wissen austauschen. Allerdings soll es auch eine erweiterte Liste von Partnerdiensten geben. Im Fokus steht der Austausch und die Vernetzung von streng geheimen Informationen.
EBT und DSN
Die Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT) war die Vorgängerorganisation des BVT. Dem BVT folgte die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) nach. Ihr Direktor ist Omar Haijawi-Pirchner.
FSB
Eine Abkürzung, die im Fall rund um den mutmaßlichen Spion Egisto Ott immer wieder fällt, ist FSB. Gemeint ist der russische Inlandsgeheimdienst, der seinen Sitz in der Lubjanka hat. Jenes Gebäude, das sich die Bezeichnung mit dem gleichnamigen Platz in Moskau teilt. Jan Marsalek, Martin Weiss, Egisto Ott, Anton H. sollen im Auftrag des FSB gehandelt haben.
SINA-Laptops
Mit SINA-Laptops können Dateien gespeichert und verschickt werden, die als geheim eingestuft werden. In mehr als 30 Ländern sollen sie im Einsatz stehen, doch auch Privatpersonen können sie nutzen.
Er soll Ott auch bei der Fahndung nach einem abtrünnigen Russen-Spion, Dmitry Senin, unterstützt haben. Ott und H. sollen Fingerabdrücke des FSB-Mannes unter der Vorspiegelung falscher Tatsachen im Bundeskriminalamt abgleichen lassen haben. H. soll die Auswertungsergebnisse sogar höchstpersönlich im Amt abgeholt haben. Der Offizier war bei Putin in Ungnade gefallen, weil er wohl Geld unterschlug, dissertierte und in Montenegro politisches Asyl fand.
Der Joker: Der Mann aus dem LVT
Weiss, Ott, Anton H.: Namen, die in der Vergangenheit bereits im Zusammenhang mit Spionagevorwürfen genannt worden waren. Doch nicht jener eines Mannes aus dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), der diese Woche publik wurde. Der LVT-Mann soll für Ott illegale Abfragen getätigt haben. Zumindest in den Jahren 2017 und 2019.
Laut Ermittlungen trafen Ott und der LVT-Mann im August 2017 in einem Wiener Kaffeehaus zusammen. Ott soll sein Gegenüber dabei scheinbar gebeten haben, über den Dienstweg herauszufinden, welche Personen sich auf einer Jacht in Kroatien befinden. Der Hintergrund: Die Russen vermuteten offenbar den abtrünnigen FSB-Offizier Senin an Bord. Otts Komplize stellte vermutlich die Anfrage an die Kollegen in Kroatien und übermittelte die Antwort an Ott.
Ein zweites Mal soll Ott im August 2019 an den LVT-Mann herangetreten sein. Dieses Mal für den Kunden eines Privatdetektivs – er taucht auch im Fall der drei Innenministeriumhandys auf –, der die kriminelle Vorgeschichte eines Mannes, wieder in Kroatien, geklärt haben wollte. Die Abfrage fördert drei Parkstrafen und zwei Geschwindigkeitsübertretungen zu Tage. Der LVT-Mann ist mittlerweile in Pension.
Kommentare