Häupl: "Scheitert Steuerreform, scheitert die Koalition"

Michael Häupl und Werner Faymann am SPÖ-Bundesparteitag: Misslingt die Steuerentlastung wird 2015 auch im Bund gewählt.
Sein schwaches Wahlergebnis erhöht den Druck auf SPÖ-Chef Faymann bei der Steuerreform massiv.

Welches Wort trifft am ehesten das bescheidene Wahlergebnis von SPÖ-Chef Werner Faymann? War das ein Weckruf, Wachrütteln, Warnschuss, die g’sunde Watschn oder bereits der Anfang seines Endes (eine Presseschau finden Sie hier)?

Häupl: "Scheitert Steuerreform, scheitert die Koalition"
Nur die SPÖ-Zentrale ist sich in einem internen Mail an alle Parteimitglieder sicher: 84 Prozent sind ein "respektables" Ergebnis (siehe Faksimile). Immerhin sei Faymann schon zum vierten Mal an die Spitze gewählt worden, die letzten drei ÖVP-Chefs (Molterer, Pröll, Spindelegger) stets nur einmal.

Die Stimmung unter den Genossen spiegelt das nicht wider. Auf dem Wiener Messe Gelände gibt es am SPÖ-Parteitag nur ein Thema: Der mehr denn je zum Erfolg verdammte Kanzler. Und seine möglichen Nachfolger: ÖBB-Chef Christian Kern, SPÖ-Klubchef Andreas Schieder oder Sozialminister Rudolf Hundstorfer.

Das Filetstück

Wiens Bürgermeister Michael Häupl will vom Wunden-Lecken und einer Personaldebatte nichts wissen. Er sagt zum KURIER: "Schluss mit dem Selbstmitleid, wir haben anderes zu tun. Wir müssen die Investitionen ankurbeln, die Bildungsreform umsetzen, die Steuerreform angehen. Das ist überhaupt das Herzstück der Koalition. Scheitert die Steuerreform, scheitert die Koalition."

Doch mit welchem Mann, mit welcher Frau zieht die SPÖ in allfällige Neuwahlen? Häupl: "Mit Werner Faymann als Spitzenkandidaten, keine Frage."

Ob damit die Debatte um den angezählten Kanzler erledigt und vorbei ist, darf bezweifelt werden. "Gerüchte haben es an sich, dass sie aus der Luft gegriffen sind", wehrt Burgenlands Landehauptmann Hans Niessl entsprechende Fragen ab. Aber auch er weiß: "Faymanns Verhandlungsposition wurde durch die Streichungen geschwächt. Und diejenigen, die nicht für ihn gestimmt haben, sind dann die ersten Kritiker am Verhandlungsergebnis. Das ist absurd."

Aber so sehen Zwickmühlen aus: Werner Faymann muss in den Augen der Genossen eine Sechs-Milliarden-Entlastung liefern, von der die meisten wissen (sollten), dass das Geld dafür eigentlich nicht da ist. Umso mehr muss Faymann jetzt die Millionärssteuer trommeln, beißt damit bei der ÖVP aber auf Granit. Die schweigt vorerst und gießt kein Öl ins Feuer.

So gratuliert am Samstag auffälligerweise nur Industrie-Präsident Georg Kapsch zu Faymanns Wiederwahl und erinnert an den Vorsatz: "Österreich gemeinsam entlasten". Heißt übersetzt: Keine Vermögenssteuern.

Ob der kommende Weihnachtsfriede hilft, die ideologische Kluft zu schließen? Wie danach ein Kompromiss gelingen soll? Einfachere Parteimitglieder zucken ob solcher Fragen mit der Schulter: "Der Werner rennt jetzt um sein Leiberl", sagt ein ÖGBler, das ist "seine letzte Chance", ein anderer. Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch gibt die Kampflosung vor: "Steuerreform 2015 – jetzt erst recht, Faymann hat nichts mehr zu verlieren." Kompromissbereitschaft sieht anders aus.

Werner Faymann musste am Samstag, dem Tag nach seinem bescheidenen Wahlergebnis von 83,9 Prozent, in zahlreichen Gesprächen mit Delegierten und Regierungskollegen erklären, wie es nun weitergehen soll. Mit der Steuerreform, mit der Koalition und mit seiner Partei, die in Umfragen hinter der ÖVP liegt. Dem KURIER stand der SPÖ-Chef am Rande des Bundesparteitages Rede und Antwort. Faymann sagte

- zu seiner Enttäuschung über das Wahlergebnis Man wünscht sich mehr. Aber man muss in dieser Position wissen, dass einen die Menschen da draußen nicht am Wahlergebnis bei einem Bundesparteitag messen. Die Menschen werden mich daran messen, was nach der Steuerreform mehr im Börsel bleibt oder was bei der Schulreform herauskommt.

Häupl: "Scheitert Steuerreform, scheitert die Koalition"
ABD0083_20141128 - WIEN - ÖSTERREICH: Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Werner Faymann am Freitag, 28. November 2014, anl. des 43. SPÖ-Bundesparteitages in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
- zu der nicht erreichten „internen“ Vorgabe von 90 Prozent Bei 84 Prozent nach sechs Jahren ist entscheidend zu sehen, dass einem die klare Mehrheit vertraut. Wie gesagt, die Bevölkerung misst einen daran, was wir zustandebringen. Dort liegt jetzt meine Aufgabe.
seinen parteiinternen Kritikern Ein paar mehr werde ich in den nächsten Monaten hoffentlich überzeugen können, davon gehe ich aus, aber alle werde ich nie überzeugen können. Mit 27 Prozent in der Regierung kann man auch nicht alles versprechen und erreichen. Aber ich verspreche mich zu 100 Prozent einzusetzen für die Steuersenkung oder gegen die rasche Anhebung des Frauenpensionsalters.

- zum Verhältnis zum Koalitionspartner ÖVP Ich glaube nicht, dass der Ton in der Koalition jetzt ein schärferer wird. Diesen direkten Zusammenhang gibt es nicht.

- zur Steuerreform und der SPÖ-Position nach einer 6-Milliarden-Entlastung für ArbeitnehmerDie sechs Milliarden Euro sind für mich nicht verhandelbar und zwar aus gutem Grund: weil man mehr braucht als die fünf Milliarden der ÖVP, sonst kann man nur den Eingangssteuersatz senken. Was wir nämlich auch dringend brauchen, ist eine Entlastung der Niedrigsteinkommensbezieher – ob das jetzt Negativsteuer oder Steuergutschrift heißt, ist egal.michael bachner

Die SPÖ tritt für die Entkriminalisierung von Cannabis ein. Auf einen entsprechenden Initiativantrag hat man auf dem Parteitag geeinigt. Ursprünglich hatten die Jugendorganisationen mit der Sozialistischen Jugend an der Spitze eine Legalisierung gefordert. Nunmehr einigte sich die SJ mit der Parteispitze darauf, sich fürs Erste mit der Entkriminalisierung zufrieden zu geben. Devise des Antrags ist eigentlich "helfen statt strafen". Ausgebaut werden soll die Prävention. Wie man im Strafrecht die weitere Entkriminalisierung gestalten will, dazu soll eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet werden.

Kommentare