Wahlschlappe: Denkzettel für "angezählten" Faymann

Werner Faymann beim SP-Parteitag.
Eine "letzte Warnung für das System Faymann": Wie die Wiederwahl des SP-Chefs kommentiert wurde.

Dass der SP-Chef keinen Neuner am Ergebniszettel haben würde, war im Vorfeld erwartet worden - lediglich knappe 84 Prozent Zustimmung für Werner Faymann als Parteichef tat dann aber doch recht weh (den ausführlichen Bericht lesen Sie hier).

Die Gründe dafür? "Hinter der neuerlichen schweren Schlappe für Faymann steht der Frust über die gähnende Leere in der SPÖ", schreibt KURIER-Politikchef Josef Votzi in seinem Kommentar. "Der einst stolzen Arbeiterpartei fällt dazu nicht mehr ein als die ewig gleichen alten Parolen: Die Bewegung am Weg zur Erstarrung. Der zunehmende Frust darüber hat sich gestern unerwartet heftig entladen."

Waidwunder Kanzler

Die Branchenkollegen sehen das ähnlich: Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmidt nannte das Ergebnis einen "Denkzettel", der seine Begründung in Faymanns falscher Strategie habe: „Anbiederung statt Angriffe, die Partei als Partie: Der Kuschelkurs, den Faymann bereits in Wien als Stadtrat praktiziert hat, scheint selbst seinen Genossen nicht mehr geheuer“, kommentiert sie. „Die Frage, wofür Faymann steht, ist auch nach sechs Jahren Kanzlerschaft und SPÖ-Führung nicht zu beantworten.“

Thomas Götz, stellvertretender Chefredakteur der Kleinen Zeitung, fand zwar positive Worte für den angriffigen Auftritt der streitbaren SJ-Chefin Julia Herr, er leitet aus der Wahlschlappe aber konkrete Probleme für die Regierung ab: „Die Arbeit in der Koalition wird mit einem waidwunden SPÖ-Chef nicht gerade leichter werden.“

Die Presse ist in ihrer Einschätzung etwas härter: „Der Anfang vom Ende des W. Faymann“, titelt das Blatt. Innenpolitik-Chef Dietmar Neuwirth schreibt in seinem Kommentar, dass sich Faymann verspekuliert habe – die Aufrufe zur Geschlossenheit hätten rein gar nichts gebracht. „Partei als geschlossene Gesellschaft funktioniert nicht (mehr)“, schreibt er.

Das System Österreich

Andreas Koller, stellvertretender Chefredakteur der Salzburger Nachrichten, wundert sich über Faymanns politische Langlebigkeit: „Jeder andere Politiker mit dieser Bilanz wäre bereits in Pension oder in Diensten russischer Oligarchen.“ Allerdings, so Koller, habe dies auch viel mit der ähnlich starr agierenden ÖVP zu tun: „ Zum System Faymann gehören zwei, nämlich auch ein Koalitionspartner, der alles willig mitträgt. Das System Faymann würde auch ohne Werner Faymann prächtig funktionieren. Bis zur Staatspleite. Und zwar deshalb, weil es das System Österreich ist.“

Selbst im Ausland wird die Schlappe diskutiert. Die Schweizer NZZ schreibt, Faymann sei nun ernsthaft „angezählt“. Die Steuerreform sei jenes Projekt, das ihn den Job kosten könne, meint Korrespondentin Meret Baumann: „Scheitert er mit dem sozialdemokratischen Lieblingsprojekt einer Reichensteuer, sind seine Tage als Bundeskanzler und SPÖ-Chef gezählt.“

Führende Sozialdemokraten sehen im schwachen Abschneiden von Werner Faymann am Parteitag zwar kein grundsätzliches Problem. Gleichzeitig drängen sie aber auf ein gutes Ergebnis bei der Steuerreform.

Kritik am mangelnden Vertrauen kommt von Bau-Holz-Gewerkschafter Beppo Muchitsch: "Das ist für mich unreif. Das ist eine Trotzreaktion zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort." Für die anstehenden Steuerreform-Verhandlungen wäre es ihm "lieber gewesen, dass wir ein bisschen mehr Sprit in den Tank bekommen hätten". Das Ergebnis wertet er als "Warnschuss aber auch als Auftrag für eine Steuerreform 2015".

Steuerreform als Knackpunkt

Auch für Oberösterreichs SP-Vorsitzenden Reinhold Entholzer braucht es nun einen Erfolg bei der Steuerreform: "Die Lohnsteuersenkung zustande bringen, das ist sicher das große Thema bei uns." Eine Stärkung sei das Ergebnis für Faymann zwar nicht, aber in Sachen Steuersenkung und Vermögensteuern werde die Partei von einer Mio. Menschen unterstützt, verwies Entholzer auf die Unterschriftenaktion der Gewerkschaft.

Auch Niessl hätte sich angesichts der bevorstehenden Steuerreform-Gespräche eine Stärkung Faymanns am Parteitag gewünscht, aber: "Man muss sich grundsätzlich von den nordkoreanischen Wahlergebnissen verabschieden." Aus eigener Erfahrung wisse er, dass es besser sei, eine klare Position zu vertreten und dafür Streichungen in Kauf zu nehmen. Sollte die Steuerreform im März nicht gelingen, dann solle der Wähler entscheiden, wem er die Reform am ehesten zutraut, so der Landesparteichef.

"Ganz normales Ergebnis"

Dass die ÖVP durch das schwache Parteitagsergebnis des Kanzlers Oberwasser bekommen könnte, fürchtet SP-Klubchef Andreas Schieder nicht. "Auch am Oberwasser kann man sich verschlucken", warnte Schieder. Die 83,9 Prozent sieht er als "ganz normales Ergebnis", denn: "In ökonomisch und politisch schwierigen Zeiten ist der Frontmann, der eine Regierung zu führen hat, im Fokus."

Dafür dass Faymann das Land nun schon so lange durch eine Krise führen müsse, sei die Mehrheit beim Parteitag eine Leistung, fand Tirols SPÖ-Chef Ingo Mayr. Freilich hätte er sich für Faymann ein besseres Ergebnis erhofft, die erreichten knapp 84 Prozent seien aber "ok". Die SPÖ sei eine demokratische Partei, da brauche es keine Jubelergebnisse.

"Zu erwarten" sei das Ergebnis gewesen, meinte Vorarlbergs SPÖ-Chef Michael Ritsch auf Anfrage der APA mit Verweis auf viele kritische Wortmeldungen bei der Debatte im Vorfeld der Wahl. Er findet, dass Faymann nun aufgefordert sei, energisch in die Verhandlungen mit der ÖVP zur Steuerreform zu gehen. Denn es herrsche bei vielen in der Partei der Wunsch vor, dass in den Gesprächen mit dem Koalitionspartner einmal auf den Tisch geklopft werde. An sich meint Ritsch, dass Faymann ein gutes Ergebnis für die Steuer-Verhandlungen mit der ÖVP gestärkt hätte, andererseits könne ein "angeschossenes Wild" auch ganz gefährlich werden, erhofft sich der Vorarlberger SPÖ-Chef, dass der Kanzler angesichts des Parteitag-Ergebnisses angriffiger agieren könnte.

Cannabis-Entkriminalisierung als Thema

Die SPÖ tritt für die Entkriminalisierung von Cannabis ein - auf einen entsprechenden Initiativantrag hat man sich am Samstag vor Beginn der inhaltlichen Debatte am zweiten Tags des Bundesparteitag in der Wiener Messe geeinigt, wurde der APA von der Antragskommission bestätigt.

Ursprünglich hatten die Jugendorganisationen mit der Sozialistischen Jugend an der Spitze eine Legalisierung gefordert. Nunmehr einigte sich die SJ mit der Parteispitze darauf, sich fürs Erste mit der Entkriminalisierung zufrieden zu geben.

Devise des Antrags ist eigentlich "helfen statt strafen". Ausgebaut werden soll die Prävention. Wie man im Strafrecht die weitere Entkriminalisierung gestalten will, dazu soll eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet werden.

Frauenquote angenommen

Die SPÖ hat sich bei ihrem Parteitag am Samstag mit großer Mehrheit eine neue Quotenregelung verpasst. Diese ermöglicht es dem Bundesparteivorstand einzugreifen, wenn zu wenige Frauen (oder auch Männer) über die Landeslisten zum Zug kämen. In den Landesparteien wird die aktuelle Quotenregelung übrigens nur in Wien eingehalten.

Die Mindestquote pro Geschlecht bleibt bei 40 Prozent. Dass diese erreicht wird, obliegt zunächst den Landesparteien. Zusätzlich ist auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene das Reißverschlussprinzip anzuwenden. Halten sich die Länder nicht an die Vorgaben, muss der Bundesparteivorstand die Länder auffordern, die Listen statutenkonform umzustellen. Passiert das nicht, hat der Bundesvorstand selbstständig die Listen zu korrigieren.

Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit erlangte der entsprechende Antrag beim Parteitag trotz etlicher Gegenstimmen mühelos. Ablehnung gegenüber der Statutenänderung kam just von Frauenpolitikerinnen sowie von Jugendorganisationen, nämlich wegen einer Formulierung bezüglich des Nachrückens auf ein frei gewordenes Mandat. Da wird nämlich niedergeschrieben, dass "unter Berücksichtigung gesetzlicher Bestimmungen" sichergestellt werden muss, dass die Quote erhalten bleibt.

Aufforderung an Männer

Den Verweis auf die gesetzlichen Bestimmungen werten Frauenpolitikerinnen wie die ehemalige oberösterreichische Frauenchefin Sonja Ablinger als Hinweis darauf, dass Männer ihr durch die Wahlordnung vorgegebenes Recht, ein ihnen zustehendes Mandat als Nachrücker anzunehmen, auch wahrnehmen sollen.

Dieser Verdacht kommt wohl auch aus persönlicher Betroffenheit. Ablinger wollte das Mandat der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer übernehmen, konnte dies aber nicht, da der vor ihr auf der oberösterreichischen Landesliste platzierte Gewerkschafter Walter Schopf nicht verzichtete. Bundes- und Landespartei akzeptierten dies mit Verweis auf die Wahlordnung, die von einem Parteistatut nicht geschlagen werden könne.

Laut dem vom Tiroler SJ-Chef Luca Tschiderer vorgetragenen "Quotenbericht" an den Parteitag wird die aktuelle Frauenquote derzeit übrigens nur von der Wiener Landespartei eingehalten, in der 44,3 Prozent der Mandate und Funktionen mit Frauen besetzt sind. In Vorarlberg ist es ein Drittel, in den anderen Bundesländern etwa ein Viertel. Die Schlusslichter bilden das Burgenland und Kärnten mit 22,3 bzw. 21,6 Prozent.

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