YesWeCare-Organisatoren: "Wollten nichts mit Politik zu tun haben"
KURIER: Was kann ein Solidaritätskonzert wie jenes vom 27. März am Heldenplatz bewirken?
Daniel Landau: Wahr ist: ein Konzert kann keinen Krieg beenden, die Not wird noch lange andauern und es wird noch viele Unterstützungsmaßnahmen brauchen. Was kann so ein Konzert? Großartigen Musikern die Gelegenheit geben, etwas beizutragen. Das war es auch, was Cley Freude und mich zusammengebracht hat.
Cley Freude: Ich als Musiker habe keine andere Möglichkeit, als Musik zu machen und so zu zeigen, dass es mir nicht egal ist, was in der Ukraine passiert. Das war mein Grundgedanke - unmittelbar nach dem Einmarsch in die Ukraine. Ich habe mich an „Voices for Refugees“ - das Solidaritätskonzert 2015 auf dem Heldenplatz - erinnert und Matthias Strolz eine Mail geschrieben, mit dem ich wegen anderer Projekte schon in Kontakt war. Matthias hat uns dann verbunden.
Landau: Ich habe Matthias sehr schnell gesagt: "Ich mache sicher kein Konzert, das kann ich nicht, das ist nicht meine Branche.“ Cley und ich haben uns getroffen und nach zwei, drei Tagen und weiteren Treffen war klar: Wir probieren das gemeinsam! Zu dem Zeitpunkt war es völlig unklar, ob und wie es klappen wird. Wir wussten nur: Wir wollen den Heldenplatz kostenfrei zugänglich machen, also keinen Eintritt verlangen, damit jeder und jede, besonders auch Ukrainerinnen und Ukrainer, das Konzert besuchen können. Ohne wichtige Verbündete - die für Sicherheit, Licht, Ton und Bühne verantwortlich waren und Sponsoren - hätten wir das nicht stemmen können.
Wir lange dauerte es von der Idee bis zum Konzert?
Freude: Normalerweise dauert es, habe ich mir sagen lassen, ein halbes Jahr bis Jahr. Wir haben es innerhalb von gut drei Wochen geschafft.
Landau: War es ein Wink des Schicksals oder Zufall? Ich hatte den Heldenplatz für den 27. März schon angemeldet für eine "YesWeCare“-Veranstaltung und dann wurde das "We stand with Ukraine“-Konzert daraus.
Der Kritik, es gehe den Musikern wie Gästen mehr um die Musik und das Feiern und weniger um Hilfe, kontern Sie was?
Landau: Es geht nicht um Konter. Es geht um unterschiedliche Sichtweisen. Man kann Geld an eine NGO spenden. "Sich mit einer Spende freizukaufen“, das ist eine Sichtweise, aber sie ist nicht die meine. Ich erachte es als legitim, zusammenzukommen, gute Musik zu hören –im Wissen, warum man zusammenkommt und wofür man Mittel sammelt.
Freude: Musik kann etwas bewegen – moralisch und emotional. Es hat auch Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrer Heimat erreicht, dass wir am Heldenplatz 10 Stunden gespielt haben für sie und uns solidarisch gezeigt haben und es weiterhin tun.
Landau: Warum kommt der Bundespräsident auf den Heldenplatz? Da kam ein für mich vollkommen skurriler Vorwurf, er bereite den Wahlkampf vor. Jeder und jede versucht, etwas beizutragen im Rahmen seiner Möglichkeiten. Musiker machen Musik, Politiker formulieren ihre Standpunkte zum unabhängigen Staat Ukraine und dem Verhalten Russlands.
Apropos Politik: Gab es den Versuch, die Veranstaltung parteipolitisch zu vereinnahmen?
Freude: Wir haben sehr schnell und sehr deutlich gesagt, dass wir nichts mit Politik zu tun haben wollen. Wir haben bewusst geschaut, dass vor allem keine aktiven Politikerinnen und Politiker, außer eben der Bundespräsident, weil er neutral ist, auftreten und reden.
Landau: Und Kunststaatsekretärin Andrea Mayer hatte die Möglichkeit als größte Subventionsgeberin zu erklären, warum sie das tut. ÖVP, SPÖ, Grüne und Neos haben uns unterstützt, die FPÖ nicht, soweit ich weiß. Das ist auch in Ordnung. Das Konzert war bunt – partei- und religionsübergreifend.
Tut die Politik – auf Bundes- wie auf Landesebene – genug?
Freude: Ich persönlich finde, dass die Politik immer mehr tun kann und zu Beginn des Krieges sehr zögerlich war im Gegensatz zur Zivilgesellschaft.
Landau: Ich gebe Dir recht. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass sich Flüchtlingskoordinator Takacs bemüht. Die "Nachbar in Not“-Organisatoren haben sich schon am 24., 25. Februar koordiniert, um die Hilfe ins Laufen zu bringen. Die Zivilgesellschaft braucht es immer, weil – da darf man nicht unfair sein – die Politik nie so schnell reagieren kann wie die Gesellschaft.
Es ist bereits von einem "Kippen der Stimmung“ in der Gesellschaft die Rede. Davon, dass die Hilfsbereitschaft auch aufgrund der Teuerung gar nicht so hoch ist wie von Politikern, Hilfsorganisationen und Medienöffentlichkeit beschrieben.
Freude: Ich glaube, dass die Stimmung kippen wird und kann mir das leider auch sehr gut vorstellen. Ich erinnere mich an 2015 - als ich noch in Salzburg gelebt habe - und ungefähr jeder, der ein Auto hatte, zum Bahnhof gefahren ist, um Flüchtlinge abzuholen oder Hilfspakete zu bringen. Ich verstehe die Angst von vielen Menschen, was ihr eigenes Leben betrifft. Die sich Fragen stellen, wie was man sich wie noch leisten kann.
Landau: Die Teuerungswelle, das ist wichtig festzuhalten, war schon vorher da und besteht teils deshalb, weil Unternehmen davon profitieren. Teilweise handelt es sich um künstliche Verknappung. Es muss klar getrennt werden zwischen den Menschen in Not und der Teuerung im eigenen Land. „Weil die da sind, geht es uns schlechter“ – dieser Tenor, der 2015 plötzlich dar war, der muss gestoppt werden. Die eine Not darf nicht gegen die andere ausgespielt werden.
Freude: So komisch es klingen mag: Es kann für Europa auch eine Chance sein, dass die Mitgliedstaaten zusammenfinden und eine einheitliche Politik fahren. Aber 2015 ist das leider auch nicht gelungen…
Landau: … was mich optimistischer zu 2015 stimmt, das ist, dass ein großer Teil der Vertriebenen rasch wieder zurückkehren will, sobald dies möglich ist. Es macht natürlich einen Unterschied, ob ich jemanden als Gast wahrnehme oder als dauerhaften Mitbewohner.
Im Zuge der "Willkommenskultur“-Debatte kam auch das Wort "Gutmensch“ auf und in Verruf. Ist es ein Kompliment oder ein Schimpfwort?
Freude: Für mich ist es ein absolutes Kompliment. Es gibt nichts Schöneres als als guter Mensch bezeichnet zu werden.
Landau: Wenn ich mir aussuchen kann, ob ich im Zweifelsfalle als guter oder schlechter Mensch bezeichnet werde, dann ist es wohl klar. Es kommt natürlich immer darauf an, von wem diese Bezeichnung kommt und wie es gesagt wird. Die Bezeichnung an sich sollte man sich nicht und von niemandem schlecht reden lassen.
Woher kommen Energie und Motivation, sich so zu engagieren und zu agieren?
Freude: Bei mir ist es eine längere Geschichte. Ich bin der klassische Vorstadtjunge, dem nie etwas gefehlt hat. Nach dem Zivildienst habe ich als Sanitäter gearbeitet und gesehen, wie es anderen Menschen gehen kann. Da habe ich realisiert: Ich kann mein Privileg, anders aufgewachsen zu sein als andere, einsetzen für Menschen, denen es nicht so gut geht. Ich kann nur Musik machen und auf Themen aufmerksam machen. Das ist es, was ich versuche. Wenn man sich meine Texte anhört, dann erkennt man, dass es mir um Inhalte geht.
Landau: So lange ich mich erinnern kann, ging es mir immer darum zu schauen, was ist links und rechts von mir und was kann ich tun. Das war und ist immer auch ganz stark von meinem Gerechtigkeitssinn getrieben. Gerechtigkeit ist ein Wert, den meine Eltern meinem Bruder und mir von klein auf vermittelt und vorgelebt haben. Es gibt zwei egoistische Tatmotive: Es macht mich glücklich zu sehen, dass man selbst etwas beitragen kann. Und es gibt eine große Neugierde, Menschen zu begegnen und neue Situationen bewältigen zu können. Ich glaube – das habe ich immer auch als Lehrer zu vermitteln versucht – dass jeder und jede von uns etwas bewegen kann. Und das versuche ich auch selbst zu leben.
Haben Motivation und Ansinnen Ihrer Engagements etwas mit Spiritualität oder Gläubigkeit zu tun?
Landau: Ich glaube, dass unsere Leben einem höheren Sinn folgen.
Freude: Bei mir liegt dem keine religiöse Motivation zugrunde. Ich finde es schön, wenn Menschen an etwas glauben. Ich persönlich tue es nicht. Ich finde es einfach unfair, wenn es anderen Menschen schlechter geht als mir.
Nach über zwei Jahren Corona nun ein Krieg mitten in Europa. Woher rührt die Einstellung, etwas ändern zu können, woher die Kraft, zuversichtlich zu bleiben?
Freude: Es ist schwierig, ein positives Mindset zu bewahren, wenn man sich auch den letzten Klimabericht anschaut. Ich bin 25 Jahre alt und lebe vielleicht noch ein bisschen länger. Was gerade auf der Welt passiert ist nicht schön, gibt auch keine Aussichten auf ein besonders schönes Leben. Ich habe viele Menschen in meinem Freundeskreis, mich selbst eingeschlossen, die keine Kinder mehr haben wollen, weil es nicht so lebenswert ist in einer Welt zu sein, in der jeder 10. Tag ein Hitzetag sein wird. Es ist gerade schwierig, die Motivation zu behalten, doch es bleibt nichts anders übrig. Man muss einfach dafür kämpfen, dass es besser wird.
Landau: Was mich bei all den bestehenden Herausforderungen positiv stimmt, ist der große Einsatz vor allem der jungen Menschen. Ich sah und sehe diese zeitlebens weniger als Problem denn als mögliche Lösung.
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