EINERSEITS:
Aufklärung? Ja. Koalitionsbruch? Nein. Regierungspartner der Türkisen zu sein, während gleichzeitig ein U-Ausschuss die Geschehnisse der vergangenen türkis-blauen Legislatur beleuchtet, hat die Grünen in eine undankbare Position gebracht: Sie müssen mit der ÖVP zusammenarbeiten, um die Corona- und die Klimakrise zu bewältigen. Was der U-Ausschuss zutage gefördert hat, ist für die Koalition aber eine enorme Belastungsprobe.
Da sind zum einen die Chats zwischen Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Kanzler Sebastian Kurz sowie Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP), die auch bei den Grünen für große Irritationen sorgten. Dennoch scheiterte ein Misstrauensantrag gegen Blümel an ihrem Votum.
Und da sind die Ermittlungsverfahren gegen Kurz und Blümel, die die Grünen vor eine folgenschwere Entscheidung stellen: Ab wann ist Kurz als Kanzler – bzw. die ÖVP als Koalitionspartner – nicht mehr tragbar? Bundessprecher Werner Kogler blieb bei der Beantwortung dieser Frage lange vage, teilte dann aber mit, ein verurteilter Bundeskanzler sei „nicht vorstellbar“. Den Rücktritt von Kurz bei Anklage wegen Falschaussage zu fordern, trauen sich die Grünen nicht, um im Falle eines Freispruchs nicht dumm dazustehen, wird gemunkelt. Eng verwoben mit den Geschehnissen im U-Ausschuss (gegen dessen Verlängerung die Grünen kürzlich „aus Koalitionsräson“ stimmten) ist der anhaltende Streit zwischen der ÖVP und der Justiz. Hier sehen sich die Grünen mit Justizministerin Alma Zadić als Hüterin der Unabhängigkeit.
Die grüne Conclusio: Für alles, was unter Türkis-Blau geschehen ist, kann man nichts – jetzt gilt es aufzuräumen. Dass die Position eines weisungsfreien Bundesstaatsanwaltes geschaffen wird, sehen die Grünen als ihren Erfolg an, ebenso das weitgehend ausverhandelte Informationsfreiheitsgesetz.
ANDERERSEITS:
„Ich mag Leonore Gewessler. Aber bisher hat sie nicht geliefert.“ Das harsche Urteil kommt von einem, der, wie er sagt, ihr nichts Böses will, der Klimasprecher der Neos, Michael Bernhard.
Die Fakten geben dem Abgeordneten recht: Die Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie hat bald mehr Bälle in der Luft, als alle anderen Minister zusammen.
Konkret sind das: Das Ökostrom-Ausbau-Gesetz (EAG) war für 2020 angekündigt, immerhin liegt der Entwurf im Parlament, die Regierungsfraktionen knien auf der SPÖ, weil man die Roten für eine 2/3-Mehrheit braucht. Es soll noch vor dem Sommer Gesetz werden. Ebenfalls „demnächst“ soll vorgelegt werden: Das Klimagesetz, mit klaren Vorgaben, wer (Bund, Länder, Gemeinden) wie viel verpflichtend bis wann einsparen muss – samt Pfad bis zur Klimaneutralität 2040. Größte Mühen macht auch das 1-2-3-Klimaticket. Hier fehlt noch eine Einigung mit den Steirern und mit dem Verkehrsverbund Ost-Region, also Wien, Niederösterreich und Burgenland. Bis Sommer sollen außerdem Wärmestrategie, Energieeffizienzgesetz und Biodiversitätsstrategie folgen, im Herbst dann der allergrößte Brocken, die ökologische Steuerreform samt Co2-Bepreisung und einer Reform der „heiligen Kuh“ namens Pendlerpauschale.
Auf der Haben-Seite kann Gewessler zu Recht auf ein riesiges Budget für ihre Bereiche hinweisen: 17,5 Milliarden Euro (bis 2026) für die Bahn-Infrastruktur, die jährliche Klimaschutzmilliarde bis 2030 und Hunderte Millionen Euro Fördergeld für den Ausstieg aus den fossilen Heizungen. Gewessler kann also bei dieser Bundeskonferenz wieder nur große Vorhaben ankündigen, die fast fertig sind.
Ob sie ihre vielen Versprechen halten kann, werden die Delegierten also nicht heute, sondern erst bei der Bundeskongress 2022 beurteilen können.
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