Grüne zu möglicher Koalition: "Für Kurz sind wir die Teuersten"
Es war eine der Überraschungen des gestrigen Wahlabends: Rein rechnerisch geht sich eine Zweierkoalition zwischen ÖVP und Grünen aus.
Während der alte wie wohl neue Kanzler Sebastian Kurz noch am Wahlabend versicherte, mit allen Parteien Sondierungsgespräche führen zu wollen, verschließen sich auch die Grünen für Koalitionsgespräche mit den Türkisen nicht grundsätzlich, große Hürden sehen sie aber allemal.
Der Tenor: Es brauche schon eine ziemliche Kehrtwende von ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Die Grünen wollten schließlich das "strengste Transparenz- und Parteiengesetz in Europa". Fraglich sei, wie die ÖVP auf eine solche Initiative reagiere: "Dann werden wir ja sehen, wie sich die Sektenmitglieder des Kanzlerdarstellers verhalten", zeigte sich der Grünen-Chef im Wiener Metropol nicht nur in Feier- sondern auch in Angriffslaune.
In Interviews gab er sich dann ein wenig gemäßigter. Jetzt gehe es einmal um Gespräche über die Sinnhaftigkeit, überhaupt an Verhandlungen zu denken. Dann müsste sich jedenfalls etwas radikal ändern gegenüber dem türkis-blauen Kurs.
Ähnlich Wiens Chefin Birgit Hebein, die für Gespräche ist, aber daran erinnerte, dass Kurz noch vor kurzem eine Mitte-Rechts-Regierung wollte. Dies werde sich nicht mit den Grünen ausgehen.
Klar sei, dass es die SPÖ viel billiger gebe, die FPÖ am billigsten, meinte etwa Ex-EU-Mandatar Michel Reimon: "Für Kurz sind wir die Teuersten."
Michel Reimon
Ähnlich sah das Nationalratskandidatin und Journalistin Sybille Hamann, die ebenfalls an die Mitte-Rechts-Wunschvorstellungen von Kurz erinnerte.
Keine Empfehlung für allfällige Verhandlungen kamen vom oberösterreichischen Landesrat Rudi Anschober, der ja auf eine Zusammenarbeit mit der ÖVP in seinem Bundesland zurückblicken kann. Er selbst würde jedenfalls mitverhandeln, man sei ein starkes gemeinsames Team. Leicht würden Verhandlungen aus seiner Sicht wohl nicht werden, denn viel Christlich-Soziales sei bei der ÖVP in den letzten Jahren nicht zu erkennen gewesen.
"Ich empfehle Qualität vor Tempo", sagte der grüne Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi. Die Frage sei, wie man den Tausenden, die zuletzt im Rahmen der "Fridays for Future" demonstriert hatten, das Gefühl geben könne, dass es nun in die richtige Richtung gehe. Auch die Schere zwischen Arm und Reich müsse wieder zu gehen. Es benötige "viele große Änderungen gegenüber heute", stellte er der ÖVP die Rute ins Fenster.
Zweifel, dass die ÖVP dazu bereit sei, kam etwa vom Wiener Grünen-Spitzenkandidaten Lukas Hammer.
Auch der Wiener Umweltsprecher Rüdiger Maresch sah große Hürden. Er nannte den türkisen Widerstand gegen eine CO2-Steuer, aber auch Stolpersteine wie die Lobauautobahn oder die Dritte Piste am Schwechater Flughafen. Und auch Asyl und Mindestsicherung seien hier große Fragen. "Man muss mit uns respektvoll umgehen", so sein Fazit: "Für ein Kasperltheater sind wir wahrscheinlich nicht zu haben."
Eine Diskussion in großem Rahmen forderte die frühere Menschenrechtssprecherin Alev Korun ein.
Dass man selbst in Menschenrechtsfragen mit der ÖVP zusammenkommen könnte, schloss Georg Bürstmayr, Nationalratskandidat und als Anwalt Spezialist in diesem Bereich, nicht aus. Die Differenzen seien zwar groß, aber "Politik ist die Kunst des Möglichen", meinte er.
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