Lena Schilling: "Ich bin Aktivistin – mir wird es immer zu wenig sein"
Lena Schilling kennt sich in der Lobau eigentlich bestens aus, bei einer Weggabelung aber kommt sie ins Stocken. Den Weg hat ihr heute jemand vorgegeben – und zwar die Wiener Grünen, die am Aschermittwoch zum „politischen Spaziergang“ geladen haben.
Die 23-Jährige kehrt an ihre frühere Wirkungsstätte zurück – nicht als Klimaaktivistin, sondern als designierte EU-Spitzenkandidatin der Grünen. Wobei sie selbst meint: „Es geht sich beides aus.“ Megafon hat sie heute keines dabei, Kapuzenpulli schon.
Schilling, die sich auf Instagram als „Zuckergoscherlrevolutionärin“ bezeichnet, war das Gesicht der „Lobau bleibt“-Bewegung, die 2021 und 2022 die Baustelle des Lobautunnels besetzt hat.
Hier, im Erholungsgebiet im Osten von Wien, hat sie ihre politischen Wurzeln, sagt sie beim Spaziergang. Einige ihrer früheren Mitstreiter, ihrer „Fam“ (Familie), spazieren mit. Beim Foto-Stopp am Josefsteg stellen diese sich auf die gegenüberliegende Seite. „Aus Prinzip“, sagt einer, und alle lachen.
Lernprozess
Dass Lena Schilling eines Tages für die Grünen bei einer Wahl antreten – quasi von der Systemkritik ins System wechseln – würde, war vor sechs Monaten nicht absehbar. „Die Leute, die bei Fridays for Future aktiv sind, würden im Jahr 2023 niemals zu den Grünen gehen. Der Grund ist einfach: Wir trauen ihnen nicht mehr zu, dass sie das, was sie versprochen haben, auch halten“, sagte sie in einem Interview im September 2023.
Und jetzt?
Schilling spricht von einem Lernprozess. So habe sie etwa gelernt, wie politische Prozesse ablaufen, wer wofür zuständig ist, wie Kompromisse und Lösungen zustande kommen. „Es ist halt alles etwas komplizierter, als man glaubt“, erkennt sie mittlerweile an.
"Überhaupt nicht" nachsichtig
Ob sie denn nachsichtig geworden sei mit der Politik und insbesondere mit der Partei, der sie sich jetzt als Spitzenkandidatin zur Verfügung stellt?
„Nachsichtig? Überhaupt nicht“, sagt sie ganz empört. „Ich bin Aktivistin, natürlich ist es mir zu wenig, was geschafft wurde, und es wird mir auch immer zu wenig sein.“
Sie wolle sich jetzt einmal „das System von innen anschauen, und dort hingehen, wo die Hebel sind“. Eben ins EU-Parlament, wo ein Großteil der Gesetze, die in Österreich umgesetzt werden, entstehen, wie sie erklärt. Den Menschen in Österreich das nahezubringen, sei jetzt ihre neue Herausforderung. „Es ist schwierig, aber notwendig.“
"Blödsinn"
Und wie geht es ihr mit dem Gedanken, demnächst im Wahlkampf dem 57-jährigen Polit-Bulldozer Harald Vilimsky von der FPÖ gegenüberzusitzen? „In einer Demokratie ist es wichtig, die Auseinandersetzung zu suchen und seinen Standpunkt klarzumachen. Wenn ein Herr Vilimsky die Klimakrise leugnet, dann werde ich klarstellen, dass das ein Blödsinn ist. Das ist eine inhaltliche Frage.“
Ihre Kandidatur sei auch ein Zeichen für Diversität, sagt sie. Eher ein Kontrast: Hier die junge Frau aus der Zivilgesellschaft, dort vier ältere Herren mitten aus dem Polit-Betrieb.
Taktische Überlegungen zum Wahlkampf habe sie sich noch nicht gemacht, sagt sie, „diese ganze Partei-Kiste“ liege ihr nicht. „Die Kandidatur ist ein riesengroßer Schritt, aber ich bin immer noch derselbe Mensch, mit demselben Mut und derselben Leidenschaft.“ Eine Aktivistin eben – auf dem dem Weg nach Brüssel, mitsamt ihren zwei Katzen.
Wird sie bei der nächsten Lobau-Blockade vor Ort sein, sollte die Baustelle wieder ins Laufen kommen? „Das kommt darauf an, ob es sich ausgeht.“
Mitarbeit: Miriam Fila
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