Anschober baut das Gesundheitsministerium radikal um
Das Gesundheitsministerium dürfte in den nächsten Monaten einer Baustelle gleichen: Der grüne Ressortchef Rudolf Anschober baut um – und zwar großräumig. Dem KURIER liegt ein erster Entwurf für die neue Geschäftseinteilung vor (Stand: 30.7.).
Anschober hatte den Umbau vergangene Woche angekündigt, als er von "Fehlern" in seinem Ressort bei den Corona-Verordnungen sprach. Die Personalvertretung hat die Pläne bereits erhalten und kann bis Monatsende eine Stellungnahme abgeben.
Was auffällt: Bei vier Sektionen sind die Leitungsposten offen. Aktuell sind bereits die Sektion II (Sozialversicherung) und die Sektion IX (Öffentliche Gesundheit) ohne Chef. Letztere ist jene, die in der Corona-Krise wohl am stärksten gefordert war und ist – der KURIER berichtete am Montag.
Durch den Umbau müssten aber auch zwei amtierende Sektionschefs den Platz räumen bzw. sich neu für ihren Job bewerben. Das ist so vorgeschrieben, wenn sich das Profil einer Sektion zu stark verändert. Wir erinnern uns: Etwas Ähnliches erlebt gerade der langjährige Sektionschef im Justizministerium, Christian Pilnacek, weil seine Sektion geteilt wird.
Aber zurück ins Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, wie der volle Name lautet (kurz: BMSGPK).
Geplante Änderungen der Geschäftseinteilung. Stand 30.7.2020
Sonderbeauftragter für Gesundheit Clemens-Martin Auer
Service für Bürgerinnen und Bürger Patricia Jursa
Sektion I Präsidialangelegenheiten Brigitte Zarfl
Sektion II Sozialversicherung Leitung derzeit unbesetzt
Sektion III Konsumentenpolitik und Verbrauchergesundheit Leitung derzeit unbesetzt (NEU)
Sektion IV Pflegevorsorge, Behinderten- und Versorgungsangelegenheiten Manfred Pallinger (NEU)
Sektion V Europäische, internationale und sozialpolitische Grundsatzfragen Edeltraud Glettler
Sektion VI Humanmedizinrecht und Gesundheitstelematik Leitung derzeit unbesetzt (NEU)
Sektion VII Öffentlicher Gesundheitsdienst und Gesundheitssystem Leitung derzeit unbesetzt (NEU)
Neue Arbeitsverteilung
Der mehr als 100-seitige Entwurf zeigt, dass in fast allen Bereichen Aufgaben umverteilt werden. Eine größere Baustelle wird die Sektion III (Konsumentenschutz), die dann „Konsumentenpolitik und Verbrauchergesundheit“ heißen soll.
Das Veterinärwesen soll dazukommen, und in dieser Abteilung soll dann auch die frühere Grünen-Chefin Madeleine Petrovic als Fachexpertin für Tierschutz sitzen. Dass Anschober seine Parteikollegin ins Ministerium geholt hat, wurde erst am Wochenende publik.
Die Sektionen VIII und IX sollen aufgelöst und neu strukturiert werden. Die neue Sektion VI (Humanmedizinrecht und Gesundheitstelematik) dürfte dann jene sein, die bei rechtlichen Fragen zu Corona am stärksten gefordert ist.
Die neue Sektion VII soll sich mit dem Gesundheitsdienst und -system befassen. Auch sie wird wegen Corona künftig gefordert sein – hier liegt u. a. das Impfwesen. Wenn beide Chefposten nun ausgeschrieben werden, dürften bis zur Besetzung Wochen, wenn nicht Monate vergehen.
Dass Anschober mitten in der „größten Gesundheitskrise seit 100 Jahren“ (Zitat Anschober) sein Haus umbaut, sorgt bei Gerald Loacker, Sprecher für Soziales und Gesundheit bei den Neos, für Kopfschütteln.
Prioritäten setzen
Loacker sagt: „Anschober soll die Strukturen vorerst so belassen und endlich die offenen Stellen besetzen. Das hätte er schon bei seinem Amtsantritt tun können.“ Kurz danach kam die Corona-Krise. Der Zeitpunkt sei nicht nur deswegen ungünstig, betont der Neos-Mandatar: „Der Umbau verzögert auch dringend nötige Reformprojekte.“
Zur Ankündigung, dass an Juristen aufgestockt wird, ist er ebenfalls skeptisch: „Die Verordnungen, die fehlerhaft waren, kann man den Gesundheitsjuristen im Haus nicht ankreiden. Für diese massiven Grundrechtseingriffe hätte es ohnehin Experten von auswärts gebraucht.“
Anschober hat nun zumindest per Weisung angeordnet, dass künftig jede Verordnung vorab vom Verfassungsdienst begutachtet werden muss.
Aus dem Ministerium heißt es, dass die Änderung der Geschäftseinteilung bereits seit Frühling in Arbeit ist und voraussichtlich im Herbst in Kraft treten soll.
Es bestehe die Notwendigkeit, um „vor allem im Gesundheitsbereich die Krisentauglichkeit zu verbessern. In die Änderungen fließen bereits Erfahrungen aus dem Umgang mit der Pandemie mit ein. Damit erfolgt unter anderem die Stärkung des Krisenstabes im Haus“, erklärt eine Sprecherin.
Was die offenen Sektionschef-Stellen betrifft, seien alle Führungskräfte im Haus eingeladen, sich zu bewerben.
Berater bei Ampelsystem
Am Freitag stellt Anschober seine neue „Corona-Kommission“ vor: Sie besteht aus Vertretern der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit), der Ministerien und je eines Bundeslandes.
Die 19-köpfige Kommission soll die Corona-Ampel erst in einem Pilotversuch und ab Schulbeginn dann österreichweit funktionstüchtig machen. Das Farbleitsystem soll Aufschluss über die Corona-Situation bis auf Bezirksebene und Leitfäden für die Behörden geben. „Die Ampel wird eine Mischung aus Daten, Fakten und Expertenwissen sein“, so das Ministerium, „und der Kommission als Grundlage für ihre Empfehlungen und Entscheidungen dienen“.
Zusätzlich gibt es immer noch die „Coronavirus Taskforce“, die sich ein Mal wöchentlich mit dem Gesundheitsminister berät.
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