Der Hausarzt, der im Einkaufszentrum ordiniert
Spätestens mit der SPÖ-Forderung nach einer Garantie für einen Facharzt-Termin ist das Thema Gesundheit im Wahlkampf angekommen. Bei allen Parteien finden sich mehr oder weniger ausgegorene Ideen, wie sich die immer deutlicher spürbaren Engpässe bei Ärzten und Pflegepersonal beseitigen lassen.
In der Praxis entstehen inzwischen bereits völlig neue Versorgungsmodelle. Bei deren Umsetzung finden bisweilen Partner zusammen, denen man auf dem ersten Blick nur wenige Gemeinsamkeiten nachsagen würde.
Aktuelles Beispiel: Die Kooperation einer Tochter der gemeinnützigen Sankt Vinzenz Privatstiftung, die österreichweit neun Spitäler betreibt, mit der Spar European Shopping Centers GmbH (SES), zu der allein in Österreich 16 Einkaufszentren gehören. Gemeinsam will man in mehreren Shopping-Centern der SES so genannte Gesundheitsparks errichten.
Wo es schon Gesundheitsparks gibt
Vorbild sind die sechs Gesundheitsparks, die die Vinzenz Gruppe in unmittelbarer Nähe von sieben ihrer Spitäler in OÖ und Wien bereits betreibt. Dabei handelt es sich um Versorgungsnetzwerke – bestehend aus Ärzten, Physiotherapeuten und Apotheken bis hin zu medizinischen Fachgeschäften und Selbsthilfegruppen.
So etwa im Gesundheitspark beim Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz, wo sich auf 7.200 m² rund um vier Allgemeinmediziner und 31 Fachärzten (mit Kassenvertrag oder privat) eine Reihe von anderen Gesundheitsdienstleistern gruppiert haben. Einen Schwerpunkt bilden Vorsorge-Angebote.
Ähnliches planen jetzt die Vinzenz Gruppe Service und die SES in Einkaufszentren. Vor Kurzem haben sie ein gemeinsames Unternehmen gegründet. Dieses mietet Flächen in den Shopping Center der SES an und vermietet sie an die jeweiligen Partner weiter. Ein eigenes Gesundheitspark-Management sorgt dafür, dass nur jene Dienstleister einziehen, die für die lokale Gesundheitsversorgung auch sinnvoll sind.
Warum Einkaufszentren?
Doch wie kam man gerade auf Einkaufszentren als Standorte? „Die Idee war, dorthin zu gehen, wo viele Menschen ihren Alltag verbringen. Einkaufszentren sind wie Kleinstädte mit Geschäften, Kinos und Lokalen. Obendrein sind sie gut erreichbar“, sagt Michael Heinisch, Chef der Vinzenz Gruppe, zum KURIER.
Was zu der Frage führt, was Ärzte und sonstige Gesundheitsdienstleister dazu bewegen soll, in ein Einkaufszentrum zu ziehen. „Es sind die attraktiven Rahmenbedingungen“, erklärt Heinisch. Begonnen mit den relativ günstigen Mietpreisen für Flächen in einer Umgebung, die von zahlreichen potenziellen Kunden frequentiert werden, bis hin zum Gesundheitspark-Management, das sich auch um alltägliche Probleme wie etwa die EDV in den Ordinationen kümmert.
„Angebote wie die Gesundheitsparks machen die Standorte stärker“, schildert SES-CEO Christoph Andexlinger die Beweggründe seines Konzerns hinter der Kooperation. „Dabei geht es nicht unbedingt darum, dass mehr Menschen in die Zentren kommen, sondern um zusätzliche Leistungen für die bestehenden Kunden.“
Die Gefahr, dass die Gesundheitsparks über Nacht – etwa aus ökonomischen Überlegungen – geschlossen werden, und Patienten kurzfristig ohne medizinische Versorgung da stehen, bestehe laut Andexlinger nicht. „Dafür sorgen die Verträge, die zwischen uns, der Vinzenz Gruppe sowie den Ärzten und Therapeuten abgeschlossen werden.“
Ärztekammer begrüßt Projekt
Überraschendes Lob kommt von der Ärztekammer: „Wenn es wie in diesem Fall aber rein um kreative Immobilienlösungen für Ärzten geht, stehen wir dem positiv gegenüber. Hürden wie die unechte Umsatzsteuerbefreiung machen die Immobiliensuche für Ärztinnen und Ärzte ohnehin oft schwierig genug“, sagt Präsident Johannes Steinhart. „Je niedriger und patientenfreundlicher die Schwelle für den Zugang zur medizinischen Versorgung ist, desto besser“, sagt auch Vizepräsident Harald Mayer. „Immer vorausgesetzt natürlich, dass die dortige ärztliche Betreuung den Qualitätsvorgaben der Österreichischen Ärztekammer entspricht und die Arbeitsbedingungen stimmen."
Ähnlich auch der Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer. „Wenn solche Projekte die Eintrittsschwelle für medizinische Dienstleistungen senkt, sind sie sicher sinnvoll.“ Vor allem wenn es um Angebote wie Physio- oder Psychotherapie gehe, wo die Versorgung aktuell schlecht sei.
Nach der kartellrechtlichen Prüfung soll nun geklärt werden, welche SES-Standorte für die Gesundheitsparks in Frage kommen. Die ersten sollen Anfang des kommenden Jahres feststehen. Die Eröffnung ist für 2026 geplant.
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