Enge Kontakte mit Russland: Warum Geheimdienste der FPÖ misstrauen
Die Blauen knüpften ab 2008 enge Kontakte zu Russland, EU-Staaten fürchteten Geheimnisverrat. Unter Herbert Kickl sei die Nähe zu Moskau aber "weniger stark ausgeprägt", sagt Experte Thomas Riegler.
„Man kann ein Stinktier nicht überstinken“, stellte Manfred Weber, Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), am Sonntag in der ORF Pressestunde fest. Deshalb empfahl er der ÖVP, „nicht noch populistischer“ als die FPÖ – aus seiner Sicht das Stinktier – zu sein. Webers Attacke gegen FPÖ-Chef Herbert Kickl blieb nicht unkommentiert. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker sprach von einer „ORF-Hetzstunde“, „linker Propaganda“ und forderte „Konsequenzen“.
Auslöser des Stinktier-Vergleichs waren die guten Umfragewerte rechtspopulistischer sowie europakritischer Parteien in vielen EU-Staaten – und die Frage, ob christlich-konservative Parteien mit ihnen zusammenarbeiten sollten. Weber verneinte: EVP-Bündnispartner müssten „pro Europa, pro Ukraine, pro Rechtsstaat“ sein.
Auf die FPÖ treffe das nicht zu, betonte Weber. Im Gegenteil: Sie stelle die Ukraine auf eine Stufe mit Russland. Deswegen sei auch Kickl, von 2017 bis 2019 Innenminister, von seinen EU-Amtskollegen mit Vorbehalt aufgenommen worden: Man habe den Eindruck gehabt, das alles, was im Innenministerrat gesagt werde, an Moskau weitergegeben werde. Ein schwerer Verdacht, aber auch ein berechtigter?
Die FPÖ, Putin und der gemeinsame Feind
„Rechte Parteien und Russland eint ein gemeinsames ideologisches Feindbild: Liberalismus, multikulturelle Gesellschaften, die Vorherrschaft der USA und die Globalisierung“, sagt Nachrichtendienstexperte Thomas Riegler zum KURIER. In seinem Buch „Österreichs geheime Dienste“ hat Riegler die Annäherung zwischen FPÖ und Moskau ab 2008 nachgezeichnet: Von inoffiziellen, blauen Wahlbeobachtern beim umstrittenen Referendum auf der Krim, bis zu Außenministerin Karin Kneissl, die Präsident Wladimir Putin zu ihrer Hochzeit lud und vor ihm knickste.
Höhepunkt: 2016 besuchte eine FPÖ-Delegation Moskau, um eine „Vereinbarung über Zusammenwirken und Kooperation“ mit Putins Partei „Einiges Russland“ zu unterzeichnen. Der Vertrag wurde 2021 für nichtig erklärt, ein Ausstieg ist aber erst 2026 möglich. Beinahe die gesamte FPÖ-Spitze reiste an: Johann Gudenus, Norbert Hofer, Heinz-Christian Strache. Nicht dabei: Herbert Kickl.
„Die Nähe der FPÖ zu Russland ist unter Kickl weniger ausgeprägt, als das noch unter Strache der Fall war“, sagt Riegler. Warum setzt sich Kickl dann für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland ein? „Kickl argumentiert hier vor allem wirtschaftspolitisch und verspricht einfache Lösungen in Sachen Teuerung und Energiefragen, die es so nicht geben wird.“
Heute gibt es andere Sorgenkinder
Konkrete Anhaltspunkte, dass nachrichtendienstliche Geheimnisse über die FPÖ nach Russland gelangten, gibt es nicht. Dass die FPÖ enge Kontakte zu Russland pflegte, ist wiederum evident. Unter Türkis-Blau, mit Innenminister Kickl und Verteidigungsminister Mario Kunasek, kontrollierte die FPÖ alle drei Nachrichtendienste. „Das nährte offenbar die Befürchtung, dass sensible Informationen, wenn man diese mit den österreichischen Diensten teilte, in falsche Hände geraten könnten“, erklärt Riegler.
Die Sorge, dass Erkenntnisse über die FPÖ nach Moskau gelangen könnten, soll laut FAZ 2018 auch Deutschland Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geäußert haben. Und zwar bei einem Besuch ihres Amtskollegen Sebastian Kurz (ÖVP) in Berlin. Beide Seiten dementierten.
Die rechtswidrige Razzia im Nachrichtendienst BVT, im Februar 2018, verstärkte das Misstrauen noch einmal. Wie ist die Situation heute? Im Bereich der inneren Sicherheit habe Österreich seit 2021 mit der Reform des Verfassungsschutzes viel aufgeholt, sagt Riegler: „Mittlerweile gibt es andere Sorgenkinder in Europa. Stichwort Ungarn, aber nicht nur.“
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