"Gefahr im Verzug": So soll der neue, harte Lockdown aussehen

"Gefahr im Verzug": So soll der neue, harte Lockdown aussehen
Die Infektionszahlen sind so dramatisch, dass ein harter Schnitt alternativlos scheint. Ab Dienstag sollen der Handel zugesperrt und die Ausgangsbeschränkungen auf 24 Stunden ausgeweitet werden.

Täglich zur Mittagszeit trudeln neue, unheilvolle Zahlen ein: 9.586 neue Infektionsfälle wurden von Donnerstag auf Freitag gemeldet. 3.922 Personen sind wegen des Coronavirus im Spital, davon 567 auf Intensivstationen.

Laut aktuellem Bericht der Corona-Ampelkommission konnten in der Vorwoche nur noch 23 Prozent der Fälle einer Quelle zugeordnet werden. In der Steiermark und in Oberösterreich sind es sogar nur 12 bzw. 13 Prozent. Das Contact Tracing ist am Ende.

Es sind aber nicht nur die Tageswerte, die Rekorde brechen: Die Sieben-Tages-Inzidenz liegt (je nach Stichtag) bei mehr als 550. Zur Erinnerung: ab 50 wird ein Land als Risikogebiet eingestuft.

Sogar in einem Bundesland wie Kärnten, das bis vor Kurzem noch als „Musterschüler“ in der Pandemiebekämpfung galt, spitzt sich die Lage zu.

In Vorarlbergs Spitälern spricht man bereits von einer „dramatischen Situation“. Eine Triage in den kommenden Tagen – also die Auswahl der Patienten nach Dringlichkeit – sei „nicht auszuschließen“.

Kurzum: Der harte Lockdown scheint alternativlos. Und den wird die Regierung am Samstag, verkünden. Kanzler Sebastian Kurz wird sich um 16.30 Uhr in einer Pressekonferenz gemeinsam mit Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer erklären.

Drei Wochen

Offiziell bestätigte am Freitag noch niemand, was kommen wird – die Hinweise verdichteten sich aber auf folgendes Szenario: Der Lockdown soll ab Dienstag bis (voraussichtlich) 8. Dezember gelten.

Wie bereits beim ersten Lockdown im Frühjahr soll ein Betretungsverbot für alle Geschäfte verhängt werden. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel, Drogerien und Apotheken sowie andere Bereiche der Grundversorgung wie Bank- und Postfilialen. Ab 8. Dezember soll – sofern die Infektionszahlen es zulassen – wieder aufgesperrt werden. Schließlich steht dann schon Weihnachten vor der Tür – entsprechende Einkäufe sollten möglich sein.

Die neuen Regeln

Geschlossen ist bereits seit 3. November die Gastronomie. Die Betriebe erhalten einen Umsatzersatz von 80 Prozent. Für den Handel war am Freitag noch ein ähnliches Kompensationspakt in Verhandlung. Die Eckpunkte: 40 Prozent des Umsatzes sollen ersetzt werden, das Ganze wird mit 800.000 Euro gedeckelt. Alles andere wäre nicht leistbar, heißt es. Der Handelsverband fordert aber 80 Prozent.

Seit 3. November gelten außerdem Ausgangsbeschränkungen von 20 bis 6 Uhr. Das soll ausgeweitet werden, wie der KURIER erfuhr – und zwar auf 24 Stunden. Die fünf Ausnahmen gelten weiterhin – sie sind im Covid-19-Maßnahmengesetz festgeschrieben.

Die eigene Wohnung dürfte man dann den ganzen Tag über nur noch verlassen, um 1. unmittelbare Gefahren abzuwenden, 2. anderen zu helfen oder sie zu betreuen, 3. zur Deckung der täglichen Grundbedürfnisse (Einkäufe etc.), 4. für berufliche Zwecke oder 5. zur „körperlichen und psychischen Erholung“, wie beispielsweise Spazierengehen, Sport etc.

Ansturm wird befürchtet

Im Hintergrund war zu hören, dass die Grünen den Lockdown bereits am Wochenende umsetzen wollten. Ihr Argument: Die Ankündigung des „Lockdown light“ habe in den letzten Tagen des Oktober zu einem Ansturm auf die Gastronomie – und damit zu erhöhten Infektionszahlen geführt.

Ähnliches befürchtet man heute, Samstag, für den Handel. „Die aktuellen Infektionszahlen sind die Rechnung dafür, dass die Leute am 1. und 2. November noch schnell in die Gastgärten marschiert sind“, heißt es gegenüber dem KURIER.

Einig dürften sich ÖVP und Grüne aber in dem Punkt gewesen sein, dass es jetzt einen „harten Schnitt“ brauche. So betont ein Insider: „Es ergibt keinen Sinn mehr, scheibchenweise Verschärfungen zu verkünden. Wir machen uns gegenüber der Bevölkerung lächerlich.“

Manche Details des „harten Schnitts“ waren Freitagabend noch offen: So verhandelte die Regierung darüber, ob die Schulen offenbleiben oder ob auch die Unter-14-Jährigen auf Distance Learning umgestellt werden.

„Gefahr im Verzug“

Für die harten Einschnitte braucht es in dem Fall vorab nicht die – an sich vorgesehene – Zustimmung des Hauptausschusses des Parlaments. Laut Corona-Ampelkommission herrscht nämlich „Gefahr im Verzug“.

Die Experten beziehen sich auf Prognosen, wonach es bei den verfügbaren Intensivbetten „mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Überschreitung des Signalwerts von 33 Prozent“ kommen wird – in zwei Ländern sogar von 50 Prozent. „Daraus lässt sich eine gesamtstaatlich kritische Situation für das Gesundheitswesen ableiten“, heißt es im Beschluss vom Donnerstag.

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) haben für 16.30 Uhr zu jener Pressekonferenz geladen, in der die verschärften Maßnahmen verkündet werden sollen.

Davor sollen offenbar Experten Gründe für die Verschärfungen aufbereiten: Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), und Herwig Ostermann, Geschäftsführer der Gesundheit Österreich (GÖG), geben um 13.00 Uhr ein Pressegespräch zur aktuellen Corona-Lage im Kanzleramt.

Nach der Pressekonferenz von Kurz, Kogler, Anschober und Nehammer folgt um 18.00 Uhr noch eine weitere Pressekonferenz von Arbeits-und Familienministerin Christine Aschbacher, Finanzminister Gernot Blümel und Bildungsminister Heinz Faßmann (alle ÖVP) zu weiteren Details.

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