Gastpatienten: Mattle für länderübergreifende Spitalsfinanzierung
Im KURIER-Interview stellt Anton Mattle (ÖVP) klar, an welchen Reformschrauben er in Österreich drehen würde.
Österreich steckt in einem EU-Defizitverfahren. Große Strukturreformen tun Not. Dazu braucht es auch die Bereitschaft der Landeshauptleute. Die dirigiert im kommenden Halbjahr Tirols ÖVP-Landeschef Anton Mattle. Der will Drive in die Reformpartnerschaft bringen. Und spricht sich für eine Naturgefahren-Pflichtversicherung aus.
KURIER: Sie sind seit Jahrzehnten bei der Bergrettung. Ist Österreich strukturell noch zu retten?
Anton Mattle: Absolut. Wir müssen uns nach wie vor – bei allen Schwierigkeiten, die wir in der aktuellen Lage haben – bewusst sein, dass Österreich zu den sieben wohlhabendsten Ländern der Welt gehört. Aber wenn man Wohlstand halten und weiterhin soziale Sicherheit bieten will, darf man die Dinge nicht einfach gleiten lassen, sondern muss sie lenken.
Es scheint, dass die politischen Einsatzkräfte sich zwar der Notlage des Staats bewusst sind. Aber keiner rückt aus und tut was.
Dass es uns gelungen ist, den Stabilitätspakt zu fixieren, ist Ausdruck einer großen Bereitschaft, die Dinge anzugehen. Ich bin überzeugt, dass wir aus dieser Einigung heraus einen gewissen Drive in die Reformpartnerschaft bekommen. Nichtsdestotrotz muss sich jedes Bundesland bewusst sein, dass Sparen ein Gebot der Stunde ist. Das gilt natürlich auch für den Bund.
Sparen ist das eine. Aber hat die Politik auch den Mut für tiefgreifende Reformen?
Wenn man von tiefgreifenden Reformen spricht, muss man differenzieren. Die Außenzurufe gingen ja in die Richtung, dass bei den großen Themen Gesundheit und Bildung das eine Paket zum Bund und das andere zu den Ländern soll. Wir müssen Reformen, etwa in der Gesundheit, vom Patienten aus sehen.
Wenn etwas von weit weg gesteuert wird, funktioniert es nicht. Ich kann mir aber zum Beispiel eine österreichweite Patientenlenkung vorstellen. Meiner Meinung nach wäre es auch klug, über eine Gesundheitsfinanzierung aus einer Hand nachzudenken. Ich bezweifle, dass es noch zeitgemäß ist, dass über die Sozialversicherung der niedergelassene Bereich und über das Steuersystem die Spitäler finanziert werden.
Das heißt also, ein großer Topf für die Finanzierung des Gesundheitssystems?
Ja. Das Geld muss der Leistung folgen. Ich bin kein Fan davon, dass man Gesundheitskosten mit einem fixen Schlüssel über den Finanzausgleich ausverhandelt. Es braucht Kostenwahrheit und keinen innerösterreichischen Gastpatientenausgleich. Dort wo die Leistung anfällt, hat das Geld hinzugehen.
Jedes Bundesland hat einfach für den Bürger zu bezahlen, für den es verantwortlich ist. Gastpatienten soll es geben, wir müssen ja auch regional denken. Aber dann braucht es auch die Bereitschaft aller Bundesländer, im jeweiligen Krankenhaus mitzufinanzieren.
Das hieße etwa in Bezug auf die aktuelle Debatte im Osten, dass sich das Burgenland oder NÖ direkt an der Finanzierung des Wiener AKH beteiligen sollen?
Das wäre meiner Meinung nach die logische Konsequenz. Dann gibt es aber auch keine Diskussion mehr darüber, ob ich in ein Krankenhaus gehen darf oder nicht.
Sie übernehmen den LH-Vorsitz von Ihrem steirischen FPÖ-Amtskollegen Mario Kunasek. Ist es im Sinne von breitem Konsens vielleicht sogar ein Vorteil, dass ein Blauer mit am Tisch sitzt?
Ich habe aus den LH-Konferenzen mit Mario Kunasek mitgenommen, dass er konstruktiv dabei ist, wenn man einen gemeinsamen Weg sucht. Von dem her kann es durchaus ein Vorteil sein, dass man breit aufgestellt ist.
Fiskalratschef Christoph Badelt fleht in Bezug auf Reformen geradezu: „Leute, strengt’s euch noch mehr an.“ Wird das was 2026?
Einen Staat muss man sich wie einen großen schweren Tanker vorstellen. Bis der einmal in Bewegung kommt, dauert es. Wir haben uns für die Reformpartnerschaft 18 Monate Zeit gegeben. Und wir werden diese Zeit auch tunlichst nützen.
Ich werde darauf schauen, dass wir während des Tiroler LH-Vorsitzes Teil- oder auch finale Abschlüsse zustande bringen. Abseits davon nehme ich noch ein weiteres, für mich wichtiges, Thema mit.
Das da wäre?
Ich werde noch einmal eine Diskussion darüber anstoßen, ob es in Österreich eine Pflichtversicherung im Bereich der Naturgefahren braucht. Wir haben in Tirol immer wieder mit dieser Problematik zu tun. Wir haben aber auch erlebt, wie Niederösterreich 2024 unter Wasser gestanden ist. Ich sehe so eine Pflichtversicherung als wesentliches Finanzierungsinstrument, um den Betroffenen solcher Katastrophen zu helfen.
Wenn wir nach Tirol schauen, sitzt Ihrer ÖVP in Umfragen die FPÖ im Nacken. Schließen Sie eine Koalition mit den Freiheitlichen auch für die Zeit nach der Landtagswahl 2027 aus?
Diese 20 Monate bis dahin will ich jetzt noch arbeiten. Da gibt es jetzt noch überhaupt keine Spekulationen zu Koalitionen.
Ihr ehemaliges Gegenüber in der aktuellen Koalition, der von der SPÖ ausgeschlossene Georg Dornauer, glänzt als Abgeordneter im Landtag oft mit Abwesenheit. Wie geht es Ihnen bei so einer Arbeitseinstellung?
Ich habe mit Georg Dornauer damals dieses Regierungsprogramm vereinbart. Wir waren uns schnell einig und haben uns gut verstanden. Er hat sich nach seinem Rücktritt vor einem Jahr dafür entschieden, im Tiroler Landtag zu bleiben. Und wenn man sich für so etwas entscheidet, gehört ganz einfach die Anwesenheit im Landtag dazu.
In der ÖVP wird mit Spannung auf die Neuauflage des Postenschacher-Prozesses mit August Wöginger geblickt. Ist er im Falle einer Verurteilung als Klubobmann im Nationalrat noch haltbar?
Gust Wöginger ist ein guter Klubobmann und Verhandler. Er versichert uns immer, dass diese Vorwürfe unhaltbar sind. Ansonsten wird das das Gericht entscheiden.
Aber was wird die Partei entscheiden, falls er verurteilt wird?
Ich gehe davon aus, so wie er uns das beschreibt, dass da nichts dran ist. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Was müssen sich Österreichs Politiker unabhängig von der Parteifarbe für 2026 vornehmen, um das Vertrauen in der Bevölkerung zurückzugewinnen?
Mein Zugang ist, dass das im persönlichen Gespräch gelingt. Das gelingt nicht über Social Media. Wir müssen möglichst oft bei den Menschen sein und aus der politischen Blase ausbrechen. Wir müssen den Menschen zuhören. Dann gelingt es auch wieder, Vertrauen zurückzugewinnen.
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