Stabilitätspakt: Länder und Gemeinden dürfen 2026 mehr Schulden machen
Der von seiner Rückenoperation genesene Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hat ein Ergebnis in Aussicht gestellt – und Recht behalten: Bund, Länder und Gemeinden haben sich Freitagabend nach stundenlangen Verhandlungen auf einen neuen Stabilitätspakt geeinigt.
Worum geht es dabei? Der Stabilitätspakt regelt, welchen Anteil an der Staatsverschuldung Bund, Länder und Gemeinden je haben dürfen. Die letzten Verhandlungen wurden 2012 finalisiert, damals einigte man sich auf einen Schlüssel von rund 78 Prozent (Bund) zu 22 Prozent (Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen).
Gleich sieben Personen erklären das Verhandlungsergebnis in der Pressekonferenz nach 19 Uhr – bei erheblichen tontechnischen Mängeln: Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ), Deregulierungsstaatssekretär Josef Schellhorn (Neos), Finanzstaatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl, der Vorsitzende der Finanzlandesräte Willibald Ehrenhöfer, Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner, Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl (alle ÖVP) und Wiens Finanzstadträtin Barbara Novak (SPÖ).
Besserer Datenaustausch
Zentraler Punkt: Die Aufteilung des Defizits zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ändert sich laut Marterbauer ab 2026. Er wolle niemanden mit den Zahlen verwirren, leitet der Finanzminister ein. Für nächstes Jahr wird ein gesamtstaatliches Defizit von 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) angepeilt – 3,07 Prozent dürfen Bund und Sozialversicherung für sich beanspruchen, 1,13 Prozent Länder und Gemeinden.
Für letztere bedeutet dies eine leichte Verbesserung gegenüber den bisherigen Regelungen. Denn bisher durfte der Bund rund 78 Prozent der Verschuldung verursachen, kommendes Jahr sind es nur noch rund 76 Prozent. Die Werte würden, ergänzt Wallner, in den kommenden Jahren aber schwanken.
Der aus Marterbauers Sicht wichtigste Aspekt: Der Datenaustausch zwischen Finanzministerium, Ländern und Gemeinden wird verbessert. In Zukunft müssen alle Länder und Gemeinden monatlich ihre Ausgaben und Einnahmen (Cash-Haushaltsdaten) beim Bund melden. "Für mich ist es ganz zentral, dass die Datenlage deutlich besser wird und wir uns mehr aufeinander verlassen können“, sagt Marterbauer.
Eibinger-Miedl spricht von einem klaren Signal an die EU: "Österreich ist fest entschlossen, das Defizitverfahren zügig und konsequent zu beenden.“ Schellhorn betont: Man habe gezeigt, dass es auch gemeinsam geht. "Die heutige Einigung ist ein tragfähiger und zufriedenstellender Kompromiss. Die Gespräche verliefen konstruktiv und auf Augenhöhe“, sagt auch Novak. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) meint via Aussendung über die Verhandlungen: "Es ist gut, dass diese Phase nun ein Ende hat. Unsere eigentliche Aufgabe ist eigentlich eine andere: Schulden vermeiden, Schulden abbauen.“
Stabilitätspakt
Der Pakt – eine EU-Vorgabe – regelt, wie hoch der Anteil von Bund, Ländern und Gemeinden bei der Gesamtverschuldung des Staates sein darf. Bei den letztmaligen Verhandlungen 2012 wurde als Schlüssel 78 Prozent (Bund) zu 22 Prozent (Länder, Gemeinden) festgelegt. Die Verhandlungen haben ergeben, dass Länder und Gemeinden künftig rund 24 Prozent der Staatsschulden verursachen dürfen.
Finanzausgleich
Der Finanzausgleich regelt parallel dazu, wie staatliche Einnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt werden. Derzeit erhält der Bund 68 %, Länder bekommen 20 und Gemeinden rund 12 %. Die aktuelle Fassung gilt bis 2028.
Mittel bereits erhöht
Ergibt eine neue Aufteilung Sinn? Die Bundesregierung wird heuer ihr Budgetziel, ein Defizit von 4,5 Prozent des BIP, klar verfehlen. Dass das geplante Defizit verfehlt wird, liegt nicht am Bund. Dieser hat seine Sparvorgaben um rund eine Milliarde Euro übererfüllt – während die anderen Gebietskörperschaften wohl zwei bis drei Milliarden Euro zu schlecht abschneiden werden.
Stellt sich die Frage, warum die Schulden von Ländern und Gemeinden in den vergangenen Jahren so stark gewachsen sind. Länder und Gemeinden verweisen unter anderem auf gestiegene Gesundheits- und Pflegekosten – und weniger Einnahmen, etwa durch die Abschaffung der kalten Progression.
Gleichzeitig wurden die Mittel für Länder und Gemeinden – unter anderem durch einen milliardenschweren Zukunftsfonds – bei den Verhandlungen zum Finanzausgleich, 2024, deutlich erhöht. Dieser regelt, wie die Staatseinnahmen zwischen den Körperschaften verteilt werden. Er gilt noch bis 2028.
Den neuen Verteilungsschlüssel beim Stabilitätspakt beäugt vor allem eine Partei besonders kritisch: die Grünen. Eine Steigerung des Anteils der Länder am Verschuldungspotenzial hätte "durchaus dramatische Folgen“, kritisierte der grüne Budgetsprecher Jakob Schwarz in einer Aussendung und warnte vor bis zu drei Milliarden Euro zusätzlichen Schulden pro Jahr. Die Folge wäre ein noch härteres Sparpaket.
Kommentare