Die Situation bleibt dramatisch: Jederzeit könnten Russland und sein Präsident Putin die Gaspipelines nach Österreich abdrehen, diese könnten aber auch im Ukraine-Krieg durch Artillerie zerstört werden. Dann wäre vorerst Schluss mit dem Gasimport aus den gigantischen russischen Erdgaslagern.
Österreichs Energiewirtschaft ist jedoch zu einem hohen Ausmaß von Erdgaslieferungen abhängig – andernfalls drohen nicht nur kalte Haushalte, sondern auch Probleme bei der Stromproduktion, und vor allem bei der Industrie – von der Lebensmittel- über die Medikamentenproduktion bis hin zu Glas- und Metall.
Dennoch hat die Regierung am Dienstag weder die Alarm- noch die Notfallstufe Gas ausgelöst. Der Grund ist einfach: Derzeit fließt das Gas aus Russland zwar eingeschränkt – etwa um 40 Prozent weniger als erwartet. Aber es fließt. Die Gasspeicher füllen sich – langsam.
Derzeit gebe es laut Informationen des Energieministeriums 43,9 Terawattstunden Erdgas in den Speichern, das entspricht der Hälfte des österreichischen Jahresverbrauchs, die Speicher sind also zu 46 Prozent gefüllt. Dieses Gas gehört, so Energieministerin Leonore Gewessler auf mehrfache Nachfrage, aber nur im Notfall Österreich. Für private Kunden sei allerdings vorgesorgt.
Dennoch, ein Teil des in Österreich gelagerten Gases gehöre Ländern wie Slowenien, ein Teil Unternehmen, ein Teil ist für Haushalte reserviert. „Es gibt keine Verpflichtung von Unternehmen, bekannt zu geben, wo sie eingespeichert haben“, so die grüne Ministerin, die weder Prozentangaben machen, noch Namen nennen will. Nur so viel: „Wir haben es mit einer unsicheren Situation zu tun.“
Das Ministerium wird eine Verordnung mit Maßnahmen in Begutachtung schicken, die vorsieht, dass Industrien und Kraftwerke, die auch mit Öl betrieben werden können, selbiges tun werden müssen. Die Umrüstung werde nicht in allen Fällen machbar sein, gesteht die Klimaministerin ein. „Alles, was beim Gas sparen hilft, hilft, die Abhängigkeit zu reduzieren.“
Ziel der Regierung bleibt, bis Anfang Herbst rund 80 Prozent der Speicher in Österreich zu füllen. Wenn weiterhin beständig 200 bis 300 Gigawattstunden Gas pro Tag eingespeichert werden, „können wir unsere Einspeicherziele erreichen“, sagte Wolfgang Urbantschitsch, Vorstand der Regulierungsbehörde E-Control im Gespräch mit dem KURIER.
Österreich hat, anders als Deutschland, ausreichend große Speicher, um einen Jahresvorrat an Gas einzuspeichern.
Zugriff auf Gas
Allerdings „gehört“ Österreich wie erwähnt das Gas nur zu einem Bruchteil (mehr dazu siehe unten). Nur in der Notfallstufe hätte Gewessler theoretisch Zugriff auf das gesamte Gas. Theoretisch deshalb, weil es einerseits Solidaritätsabkommen etwa mit Deutschland gibt, die dem nördlichen Nachbarn Zugriff auf „ihre“ in Österreich gemieteten Speicher gewähren.
Andererseits wäre es nicht sehr schlau, etwa Italien, das zuletzt viel Gas aus Österreichs Speichern abgezogen hat, diesen Zugriff zu untersagen – schließlich hofft Österreich, früher oder später mit Flüssiggas aus italienischen Häfen versorgt zu werden. Außerdem appelliert die Regierung an die Bevölkerung, sich auf die kommende Heizsaison vorzubereiten und beim Einsparen von Strom und Gas mitzuhelfen.
„Fenster abdichten“
Gewessler regte dabei wie ihr deutscher Amtskollege Robert Habeck an, dass die Bürger für ihr Eigenheim bereits jetzt Energiespar-Vorkehrungen treffen: „Sorgen Sie dafür, dass die Heizkörper entlüftet werden, räumen Sie die Heizkörper frei von Möbeln, dichten Sie Fenster und Türen ab. Mit diesen Maßnahmen lassen sich im Winter bis zu 15 Prozent des Gasverbrauchs einsparen“, so Gewesslers dramatischer Appell.
Übrigens seien die bisherigen Avancen auch des Klimaministeriums, Brüssel möge (wie bei den Impfstoffen) gemeinsam Flüssiggas am Weltmarkt zu günstigeren Preisen kaufen, nach Regierungsinformationen mehr als schleppend verlaufen.
Am Abend tagte auf Begehren der FPÖ der Nationale Sicherheitsrat zum Thema Gasversorgung.
Kommentare