Gas-Ausstieg: Wie die OMV aus den Russland-Verträgen kommt
Es war eine strategische Entscheidung, die polarisierte: 2018 einigte sich die teilstaatliche OMV mit der russischen Gazprom auf einer Verlängerung der Gaslieferverträge bis 2040. Diese enthalten eine Take-or-Pay-Klausel: Die OMV muss eine hohe Liefermenge auch bezahlen, wenn sie sie nicht braucht. Die Verträge konterkarieren Österreichs Bemühungen, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen – wie auf EU-Ebene vorgesehen. Im Dezember 2023 bezogen Österreichs Versorger 98 Prozent ihres Gases aus Russland.
Möglichkeiten, ohne Konsequenzen aus den Verträgen auszusteigen, hatte die OMV bereits. Etwa nach Beginn des Ukraine-Krieges, im Frühjahr 2022, als die Gazprom ihren Lieferverpflichtungen nicht nachkam. Andere europäische Gasversorger haben diese Chance genutzt. Die Fälle landeten vor internationalen Schiedsgerichten – und wurden gewonnen. Die OMV verzichtete darauf.
Der Zeitpunkt, ohne Strafzahlungen aus den Verträgen auszusteigen, könnte bald wieder kommen. Drei Szenarien gelten als realistisch:
1. Lieferstopp
Besonders einfach wäre es für die OMV, wenn Russland die vereinbarten Mengen nicht mehr liefern kann oder will. Die Ukraine hat angekündigt, ab 2025 kein russisches Gas mehr durchzuleiten, für Österreich soll eine Ausnahme gelten. Falls nicht, gäbe es ausreichende alternative Lieferrouten für die Gazprom?
Energieexperte Walter Boltz, ehemaliger Chef der E-Control, verneint: „Die Gazprom wird in diesem Fall zumindest zeitlich befristet nicht mehr die Mengen liefern können, die in den Verträgen vorgesehen sind. Die OMV müsste anderen Lieferpunkten zustimmen und hätte die Möglichkeit, aus den Verträgen auszusteigen.“ Ein solches Szenario wäre „die beste Option und muss auch im Sinne der OMV sein“, so Boltz.
2. EU-Regelung
Eine neue Option, um der OMV eine gesetzliche „Rutsche“ für den Ausstieg zu legen, sehen die Neos. Es geht um eine Grüngas-Regelung, die das EU-Parlament im April beschließen wird. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass zumindest Staaten mit einer gemeinsamen Grenze zur Russland oder Belarus an Grenzübergabepunkten Gasmengen begrenzen dürfen. Darauf haben die baltischen Staaten gedrängt.
Die Formulierung sei allerdings so schwammig, dass auch Österreich die Maßnahme umsetzen und die EU wohl nichts dagegen tun könne, meint Boltz. Die Neos teilen diese Rechtsansicht, das Energieministerium von Leonore Gewessler (Grüne) eher nicht. Zudem seien bestehende Kapazitätsverträge – also auch jene der OMV – davon nicht erfasst.
3. Diversifizierungspflicht
Gewesslers Vorschlag für den Gas-Ausstieg ist ohnehin ein nationales Gesetz. Sie will Österreichs Energieversorgern vorschreiben, sukzessive weniger Russen-Gas zu kaufen. Dafür bräuchte sie aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat, die sich derzeit nicht abzeichnet. Apropos politischer Wille: Der Gesetzgeber könne der OMV auch jederzeit verbieten, russisches Gas in Österreich zu verkaufen, sagt Boltz.
Gas-Ausstieg
Die EU-Staaten haben sich prinzipiell darauf geeinigt, bis 2027 aus russischem Gas auszusteigen. Österreich ist von diesem Ziel weit entfernt, der Anteil an russischem Gas lag 2023 bei rund zwei Drittel des Gesamtverbrauchs. In der EU liegt er indes inklusive Flüssiggas-Lieferungen nur noch bei 15 Prozent.
Alternativen
Laut E-Control wäre die Versorgungs-sicherheit auch bei einem Ausstieg aus Russen-Gas vorerst gewährleistet. Die Mehrkosten wären „überschaubar“. Das Gas müsste dann über Italien und Deutschland nach Österreich importiert werden. Der Import etwa von norwegischem Pipelinegas oder LNG wäre etwas teurer.
OMV-Verträge
Die OMV-Verträge mit der Gazprom laufen bis 2040. Details sind nicht öffentlich.
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