Gabi Burgstaller bittet um Entschuldigung

Finanzskandal weitet sich aus - Salzburger müssen um drei Milliarden zittern. Landeshauptfrau Burgstaller wendet sich weinend an die Bürger.

Die Aufarbeitung der Salzburger Finanzspekulationen artet immer mehr zum Krimi aus. ÖVP-Chef Wilfried Haslauer ließ im Landtag eine Bombe platzen: Das Land Salzburg habe nicht nur die offiziellen 50 Spekulationsgeschäfte am Laufen, sondern an den Kontrollstellen vorbei noch 253 zusätzliche Derivatgeschäfte betrieben. Macht in Summe mehr als 300. Selbst gewiefte Investmentbanker sagen, sie würden bei einer derartigen Anzahl von Risikogeschäften den Überblick verlieren.

Haslauer warf dem SPÖ-Landesfinanzreferenten David Brenner vor, diese 253 Derivatgeschäfte verschwiegen zu haben. Brenner rechtfertigte sich, er habe diese „auflösen“ lassen und nichts davon gesagt, „weil sie nicht mehr existieren“.

Zinswetten „aufgelöst“

Brenner erfuhr von den 253 Geschäften am 15. Oktober. Bei dem Gespräch wies er die Finanzabteilung an, das Derivat-Portfolio „an den geltenden Richtlinien für Finanzmanagement auszurichten“. Innerhalb eines Monats wurden die 253 Zinswetten also „umstrukturiert“.

Am 16. November nannte Brenner in einer Anfragebeantwortung an den Landtag nur 50 Derivatgeschäfte im Umfang (Nominalwert)von 1,78 Milliarden Euro. In der Regierungssitzung am 10. Dezember  gab Brenner an, dass das Land Salzburg auch noch 200 Wertpapiere zum Marktwert von 1,2 Milliarden Euro bei Depotbanken liegen habe, denen „Verbindlichkeiten in gleicher Höhe gegenüber stehen“. Auch dabei sollen die Richtlinien des Landes, wonach „Veranlagungen nicht zu Schuldenaufnahmen führen dürfen“, verletzt worden sein. Das geht aus einem dem KURIER vorliegenden Bericht des Chefs der Salzburger Finanzabteilung, Eduard Paulus,  an Brenner  vom 5. Dezember 2012 hervor.

Zu dem zitierten Derivat-Portfolio und dem Wertpapier-Portfolio kommen laut Angaben aus dem Büro Brenner noch jene Spekulationsgeschäfte in unbekannter Höhe hinzu, die für die angeblichen Verluste von 340 Millionen € verantwortlich sind. „Das sind Geschäfte aus der Vergangenheit, die aus  Millionen von Buchungszeilen in den letzten zehn Jahren erst herausgearbeitet werden müssen“, sagt der Sprecher David Brenners.

„Die Bevölkerung hat dieser Regierung Burgstaller längst das Vertrauen aufgekündigt.“

Nach der Entlassung der Beamtin R. aus der Finanzabteilung hat Salzburg „Aufräumer“ bestellt. Seit Oktober hat Harald Kutschera den Posten von Frau R. inne. Kutschera war zuvor bei der Deutschen Bank für die regelmäßige Risikobewertung der Salzburger Spekulationsgeschäfte zuständig. Zusätzlich wurde der erfahrene Investmentbanker Willi Hemetsberger angeheuert, dem es  gelungen war, als Krisenfeuerwehr die Verluste von Spekulationsgeschäften der ÖBB von 600 auf 300 Millionen zu reduzieren.

Schulden abstottern

Die nächsten Schritte in Salzburg sind: den vollen Umfang der Geschäfte erheben; die Portfolios  bewerten; Verluste festzustellen; das Riskiko minimieren, indem Geschäfte, wenn möglich, zurück gefahren werden.

Anlaufende Verluste müssen nicht  sofort auf das Budget durchschlagen, sondern erhöhen den Schuldenstand des Landes, der derzeit bei 1,8 Milliarden Euro liegt. Für die Salzburger heißt das, dass sie über die Jahre  die Spekulationsschulden abstottern werden müssen.

Der Salzburger Finanzskandal: Wer wusste was – und wann? Und warum wurden der Landtag und die Öffentlichkeit so spät informiert? (Lesen Sie hier die Hintergründe)

Jeder gegen jeden, alle gegen David Brenner, Gabi Burgstaller weinte – und Wilfried Haslauer hielt seine erste Wahlkampfrede.

Der Reihe nach. „Heute Landtag“ steht an der Türe des Chiemseehofes. Unter Punkt 8.7 wird eine Anfrage an Finanzlandesrat David Brenner (SPÖ) betreffend des Einsatzes von Biolebensmitteln in Salzburger Landeskrankenanstalten vermerkt.

Doch deswegen sind sie an diesem Mittwochvormittag nicht gekommen, die TV-Teams, die Polizisten und die Schüler der Gartenbauschule Kleßheim. Was sie zu sehen bekommen: Diese rot-schwarze Ehe ist gescheitert.

Brenner hat versagt“, poltert Landeshauptmann-Stellvertreter Wilfried Haslauer mit grüner Krawatte und rotem Kopf. Und er berichtet von 253 Derivatsgeschäften des Landes Salzburg, von denen bisher nichts bekannt war (siehe Seite 2) . „Das sind fünf Mal so viele wie im ausgewiesenen Portfolio.“ Ein Mitarbeiter hätte bereits in seiner zweiten Arbeitswoche festgestellt, dass in der Finanzabteilung etwas nicht stimme und Finanzlandesrat Brenner davon am 15. Oktober in Kenntnis gesetzt. Haslauer: „Wir bekamen keine Informationen, alles wurde beschönigt. Das Vertrauen ist erschüttert. Es gibt keine Grundlage für eine Zusammenarbeit. Ich will nicht mehr Teil der Regierung Burgstaller/Brenner sein.“

Für FPÖ und Grüne ist Brenner jedoch nicht der einzige Schuldige: Grünen-Chef Cyriak Schwaighofer bezeichnet die gesamte Landesregierung als „unfähig“ und kritisiert, dass die SPÖ jahrelang ein „System von neoliberaler Spekulationsgier“ mitgetragen habe. FPÖ-Landesparteiobmann Karl Schnell wettert: „Das ist nicht der Skandal einer Partei, sondern der Regierung.“ Die ÖVP habe damals die Geschäfte eingefädelt und wusste von den Vorgängen womöglich schon früher Bescheid als Brenner.

Wut und Tränen

„Ich habe den Landtag nicht belogen. Wer Neuwahlen will, will eine Aufklärung verhindern“, kontert ein wütender David Brenner. Eine Expertenkommission soll die Vorgänge klären; der Landesrechnungshof sei nicht in der Lage, die 20 Millionen Buchungszeilen aufzuarbeiten.

Nach drei Stunden Sitzung erklärt Landeshauptfrau Gabi Burgstaller mit tränenerstickter Stimme: „Ich möchte mein ehrliches und tiefes Bedauern ausdrücken und mich bei der Salzburger Bevölkerung dafür entschuldigen, dass der Eindruck entstanden ist, wir hätten das Land in die größten Turbulenzen gebracht.“ Salzburg sei eines der „schönsten Länder der Welt“. Und Burgstaller verspricht: „Ich werde alles dazu beitragen, Schaden von diesem Land abzuhalten.“ Falls sie sich eines Fehlers schuldig gemacht habe, werde sie nicht zögern, zurückzutreten.

Die Jugendlichen der Gartenbauschule Kleßheim haben genug gesehen. „Spannend war’s“, sagen sie im Rausgehen. Die Anfrage bezüglich des Einsatzes von Biolebensmitteln in Salzburger Landeskrankenanstalten wird ohne sie eingebracht.

Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) fordert angesichts des Salzburger Finanzskandals Konsequenzen. Im KURIER-Gespräch spricht er sich für ein neues Gesetz aus, das Spekulation in Bundesländern verhindern soll: „Ich plädiere für ein Bundesgesetz, das Derivat- und Spekulationsgeschäfte verbietet“, sagt Häupl, aber: „Klar ist, dass Wien nie Derivatgeschäfte getätigt hat. Wir spekulieren nicht.“ Es werde alles unternommen, die Bonität Wiens nicht zu gefährden.

Eine Verpflichtung für Länder und Gemeinden, sich bei Kreditaufnahmen an die Bundesfinanzierungsagentur zu wenden, dürfte Häupl anders als Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) ablehnen. Finanzstadträtin Renate Brauner hatte bereits klargestellt, für eine „Entmündigung“ der Länder nicht zur Verfügung zu stehen.

ÖVP-Klubchef Fritz Aichinger kritisierte die Ansagen Häupls: „Niemand unterstellt der Stadt, dass sie sich wie Salzburg auf Swap-Geschäfte eingelassen hat, aber dass auch Fremdwährungskredite ein gewisses Risiko in sich bergen, sollte dem Bürgermeister bekannt sein.“ Kritik, die Häupl nicht gelten lässt. „Die Franken-Kredite haben mit Spekulation nichts zu tun.“ Schließlich könne die Stadt – anders als Private – die Kredite zu einem späteren Zeitpunkt zurückzahlen.

Seit Ende 2011 verzichtet Wien auf eine weitere Neuverschuldung in Schweizer Franken.

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