"Freedom Day" statt Impfpflicht? Ein Wegweiser durchs Corona-Labyrinth

"Freedom Day" statt Impfpflicht? Ein Wegweiser durchs Corona-Labyrinth
Die Impfpflicht wankt gewaltig, die Impflotterie fällt aus – oder wird sie ersetzt? Die Corona-Regeln werden gelockert, aber was gilt überhaupt noch? Der KURIER gibt einen Überblick.

Die Corona-Strategie der türkis-grünen Bundesregierung ist zum Schauplatz täglicher Verwerfungen mutiert. Das ist einerseits der pandemischen Dynamik geschuldet: Omikron hatte niemand auf der Rechnung. Andererseits preschen nun täglich andere Parteigänger mit Vorschlägen vor.

Sie haben den Überblick verloren? Sie wissen nicht mehr, was Sie glauben sollen? Ein paar Wegweiser aus dem Corona-Labyrinth:

Impfpflicht

Österreich hat als erstes europäisches Land eine Impfpflicht eingeführt. Vor allem die ÖVP-Landeshauptleute pochten im November darauf. Im Gegenzug wurde auf Wunsch der Grünen der Lockdown für alle abgesegnet. Jetzt, Kurswechsel: Die Impfpflicht sei wegen der milderen Omikron-Variante nicht mehr haltbar, heißt es aus immer mehr VP-Ländern. Am Sonntag stellte auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) das Gesetz im Krone-Interview erstmals in Frage – die Wissenschaft sei nun am Zug. Auch die Grünen schwenken um.

Der bisherige Fahrplan: Ab 16. März sollte die Impfpflicht als Kontrolldelikt sanktioniert werden. Wer etwa ungeimpft in eine Verkehrskontrolle schlittert, muss Strafe zahlen. Später straft der Staat automatisch. Ursprünglich sollte bis Mai eine Expertenkommission eingesetzt werden, die das Gesetz evaluiert – also nach den ersten Strafen. Der neue Fahrplan: Eine Entscheidung vor dem 16. März muss her. Man sei da flexibel, meinen die Regierungspartner.

Problem: Die Kommission existiert noch nicht. Vier bis fünf Köpfe müssen rasch gefunden werden, innerhalb der nächsten Wochen soll das erste Treffen stattfinden. Dann könnte die Kommission – ohne politischen Druck und auf empirischer Basis – entscheiden, dass eine Impfpflicht zum jetzigen Zeitpunkt unverhältnismäßig ist.

Impflotterie

Es ist fix: Eine Impflotterie, wie sie ÖVP, Grüne und SPÖ präsentiert haben, kommt nicht. Sie sei nicht durchführbar, betont Nehammer: "Die Impflotterie war ein Wunsch der Sozialdemokratie. Sie wollte diesen persönlichen Motivationsbonus, und sie wollte, dass der ORF das abwickelt." Die SPÖ weist das mit dem ORF vehement zurück. Sie hätte auf eine Abwicklung über ELGA oder die Apotheken gedrängt.

Viel spannender als dieser Zwist: Türkis-Grün hat einen Gegenvorschlag. Die Milliarde Euro, die sonst in die Lotterie geflossen wäre, sollen Berufsgruppen erhalten, die besonders unter der Pandemie gelitten haben.

Auf Wunsch der ÖVP wären das: Polizisten und Soldaten. Auf Wunsch der Grünen: Gesundheits- und Pflegepersonal. Die SPÖ ist in diese Debatte noch nicht eingebunden. SP-Kommunikationsleiter Stefan Wenzel-Hirsch zum KURIER: "Der entscheidende Punkt ist, ob diese Regierung, die überall bei der Umsetzung scheitert, sich selbst und ihre Ankündigungen noch ernst nimmt." Das Paket soll – anders als bei der Lotterie – jedenfalls erst beschlossen werden, wenn feststeht, wer die Boni wie ausbezahlen kann.

Teststrategie

Kein anderer vergleichbarer Staat testet so intensiv wie Österreich. Einen positiven Effekt auf das Infektionsgeschehen hatte der teure Testweltmeistertitel bisher nicht. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck zauberte deshalb als erste VP-Ministerin in der ORF-"Pressestunde" einen altbekannten Vorschlag aus dem Hut: Corona-Tests sollen nicht mehr gratis sein. Die Teststrategie wird hinter den Kulissen tatsächlich überdacht. Eine mögliche Lösung: Tests sind künftig nur noch für Personen mit Symptomen kostenlos. Gilt das nur für PCR-Tests? Auch hier heißt es: warten. Die Situation wird laufend evaluiert.

Der Pfad zum "Freedom Day"

Es wird weitere Lockerungen geben – und zwar bald. Kanzleramt und Gesundheitsministerium beraten sich kommende Woche mit der Krisenkoordination Gecko, am Mittwoch folgt der große Öffnungsgipfel mit den Ländern. Die ÖVP-Wirtschaftskammer und auch Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner pochten bereits öffentlich auf weitere Lockerungen ab Samstag, 19. Februar.

Also, was zeichnet sich ab? 2-G dürfte weitgehend fallen. Verhandler beider Regierungsparteien betonen, dass für den Handel, körpernahe Dienstleister und die Gastronomie ähnliche Regeln gelten sollen.  Möglicher Kompromiss: In diesen Bereichen gelten dann flächendeckend 3-G und, oder nur FFP2-Maskenpflicht. 

Für Veranstaltungen – drinnen wie draußen – bietet sich das ebenso an, die Personenobergrenze könnte endgültig fallen. Auch an den Schulen bahnen sich Lockerungen an. Ein Ende der Maskenpflicht naht – frühestmöglicher Zeitpunkt wäre der 21. Februar. Unklar ist, ob die Sperrstunde ab Mitternacht fällt und somit auch die Nachtgastronomie wieder ihre Schleusen öffnen kann. Aber folgt im März gar der „Freedom Day“? Der Tag, an dem sämtliche Corona-Regeln fallen? Eine verfrühte Debatte: Die Entwicklung der Omikron-Variante BA.2 wird abgewartet.

Sollten die Krisenmanager jedenfalls beschließen, dass flächendeckendes 3-G ausreicht, ist eine Impfpflicht politisch wohl nicht mehr zu argumentieren – egal, welche Kommission am Ende welchen Tages welches Ergebnis präsentiert. Dazu Schramböcks passende Formulierung: "Man muss nicht stur sein."

Wer den Überblick verloren hat, diese Lockerungen haben bereits stattgefunden:

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