Frauenministerin Raab: "Die Quote allein ist kein Allheilmittel"
KURIER: Die Forderungen anlässlich des Weltfrauentages sind seit Jahren nahezu ident: Gender Pay Gap verkleinern, Karenz- und Kinderbetreuungsmöglichkeiten ausbauen, mehr Frauen in Führungspositionen bringen. Wann wird der Tag nicht mehr nötig sein, um auf die Schlechterstellung von Frauen hinzuweisen?
Susanne Raab: Der Weltfrauentag erinnert uns jährlich daran, dass wir Schritte getan haben, was die Gleichberechtigung von Mann und Frau betrifft. Der 8.3. erinnert uns aber auch daran, dass wir im Dienste der Frauen noch viel zu tun haben. Um auf die konkreten Beispiele einzugehen: Wir haben seit 2020 eine positive Entwicklung bei der Gehaltsschere. 2020 lag der Gender Pay Gap bei noch 20 Prozent, jetzt liegt er bei rund 13. Er ist noch immer zu hoch, aber die Entwicklung geht in die richtige Richtung – ebenso, was den Ausbau der Kinderbetreuung betrifft. Wir haben in den letzten zehn Jahren bei den unter Dreijährigen eine Verdoppelung der Plätze geschafft. Das ist gut, aber nicht gut genug, deshalb werden wir massiv in den Ausbau investieren.
Was verstehen Sie unter einem massiven Ausbau der Kinderbetreuungsplätze?
Das genaue Finanzvolumen steht noch nicht fest, aber ich hoffe sehr, dass wir mit den Bundesländern einen großen Schritt machen können. Ich weiß aus eigener Erfahrung als Mutter, wie wichtig es ist, dass man eine qualitätsvolle Kinderbetreuung hat, wenn man arbeiten will.
Sie haben den Fonds LEA initiiert. LEA steht für "Let’s Empower Austria“. Was verstehen Sie unter "empower“?
Ich möchte, dass jedes Mädchen und jede junge Frau selbstbestimmt leben kann, finanziell unabhängig ist und selbst entscheiden, Wünsche und Träume verwirklichen kann. Ich möchte, dass Mädchen und jungen Frauen im Denken keine Grenzen gesetzt werden. Wir wollen mit LEA zeigen, dass es in Österreich großartige Frauen gibt, die Vorbilder sein können, die auch in von Männern dominierten Branchen tätig sind.
Wer soll konkret als Vorbild dienen?
Es gibt so viele. Die Rektorin der TU Wien, Sabine Seidler, die ÖFB-Teamchefin Irene Fuhrmann oder Brigitte Bierlein, die erste Bundeskanzlerin und viele andere. Sie unterstützen die Initiative, die getragen ist von dem Gedanken, Mädchen in Österreich alles Berufliche ermöglichen zu können.
In welche Maßnahmen fließen die 800.000 Euro des LEA-Fonds? Es gibt Kritik, es handle sich nur um Online-Kurse.
LEA basiert auf drei Säulen. Wir wollen mehr Mädchen für MINT-Berufe begeistern, die Wissensvermittlung stärken und Vorbilder und Mutmacherinnen vor den Vorhang holen. Online-Kurse sind nur ein Teil der Maßnahmen. Um ein Beispiel zu nennen: Um wirtschaftlich unabhängig zu sein, werden wir Finanzbildung als Online-Kurs anbieten. Es wird aber auch Schulbesuche mit Role Models geben.
Die SPÖ spricht von "Showpolitik“ was LEA betrifft und von Intransparenz – spricht sich stattdessen für mehr Kinderbetreuungsplätze aus.
Es gibt konstruktive Kritik und es gibt Fundamentalopposition. Diese Aussagen fallen für mich unter Letzteres. Etwas zu kritisieren, noch ehe es begonnen hat, das ist für mich unverständlich. Ich verstehe nicht, wie man etwas gegen die zusätzliche Stärkung von Mädchen und Frauen haben kann. Es braucht die Unterstützung auf allen Ebenen – ob das Aus- und Weiterbildung ist bis hin zu Frauen, die Unterstützung brauchen, weil sie Opfer von Gewalt, Diskriminierung oder Sexismus geworden sind.
Sie können der Quote nichts abgewinnen. Gleichzeitig nimmt der Anteil an Frauen in Führungsposition nur langsam zu. Welche Wege gibt es Ihrer Meinung nach, um dem Ungleichgewicht beizukommen?
Wir haben eine verpflichtende Quote in den Aufsichtsräten staatsnaher Betriebe. Erstmals in der Zweiten Republik haben wir dort mehr weibliche als männliche Aufsichtsräte. Ich habe immer gesagt, dass die Quote allein kein Allheilmittel ist. Ich als Frauenministerin bin natürlich immer dafür, dass mehr Frauen in Führungsfunktionen kommen. Wir müssen insgesamt gesamtgesellschaftlich an der Gleichstellung arbeiten.
Gesamtgesellschaftlich ist es noch viel schwieriger als in einzelnen Branchen darauf aufmerksam zu machen…
Nein, es gibt Unternehmen, die wir als familienfreundliche Unternehmen oder mit einem Gütesiegel für aktive Frauenförderung "equalitA“ auszeichnen, weil sie Frauenförderung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Mittelpunkt stellen. Bei jedem Unternehmen sehe ich eines: Es ist ein Mehrwert, wenn nicht eine Notwendigkeit für das Unternehmen, Frauenförderung zu forcieren, weil Firmen händeringend auf der Suche sind nach klugen Köpfen und genau das sind Frauen.
Können Sie den Vorschlägen der Opposition in punkto verpflichtender Väterkarenz oder flexiblere Karenz- und Kinderbetreuungszeiten etwas abgewinnen?
Ich bin für die Selbstbestimmung der Frau und der Familie. Ich möchte, dass Eltern ihr Lebensmodell frei wählen können. Väter haben die Möglichkeit, in Karenz zu gehen. Es besteht auch die Möglichkeit, sich die Karenz aufzuteilen. In diesem Fall bekommt man sogar einen Partnerschaftsbonus. Ich sehe an meinem eigenen Beispiel, dass wir in der Bewusstseinsbildung etwas tun müssen. Mein Mann, der in Karenz ist, wird oft gefragt, ob er überhaupt Windeln wechseln kann. Wir müssen deshalb auch Väter, die in Karenz gehen, präsenter machen.
Als Integrationsministerin gefragt: Die tausenden Frauen und Mädchen, die jetzt aus der Ukraine zu uns kommen, in Österreich bleiben werden, brauchen Obdach, Ausbildung und Arbeit und werden kraft einer temporären Richtlinie der EU selbiges auch bekommen. Worin liegt konkret der Unterschied zum Migrationsjahr 2015, wo dies alles nicht der Fall war?
Der Unterschied zu 2015 ist: Wir haben Krieg auf unserem Kontinent, in unserer unmittelbaren Nachbarschaft. 2015 kamen zu 70 Prozent Burschen und Männer, jetzt sind es überwiegend Frauen. Der Weltfrauentag erinnert uns 2022 im traurigen Sinne ganz besonders daran, dass Sicherheit und Freiheit für alle - speziell aber für Frauen, Mädchen und Kinder - nicht selbstverständlich ist. Die Ukraine ist 600 km von Wien entfernt. Deshalb ist es unsere Verpflichtung, Nachbarschaftshilfe zu leisten. Wenn die Flüchtlinge eine längerfristige Bleibeperspektive haben und auch selbst wollen, dann werden wir diese Menschen selbstverständlich auch in Österreich im Integrationsprozess begleiten. Wir werden besonders darauf achten, welche Qualifikation die Menschen mitbringen.
Einige Flüchtlinge wollen schnellstmöglich wieder zurück, sobald der Krieg zu Ende ist. Welchen Unterschied macht das für Sie in der Integrationsarbeit?
Es ist schwierig, die langfristigen Auswirkungen des Krieges heute schon abzusehen. Deshalb haben wir uns entschieden, jetzt alles vorzubereiten, was die Menschen brauchen, die nach Österreich kommen. Es geht um ein sicheres Ankommen, eine Unterkunft und in einem nächsten Schritt Arbeit. Wir bereiten uns darauf vor, welche Besonderheiten mit den Schutzbedürftigen auf Österreich zukommen und wo wir gemeinsam mit AMS oder Bildungsreinrichtungen so rasch und gut es geht unterstützen können. Ich bin bereits in engem Austausch mit Bildungsminister Polaschek, da wir uns natürlich auch auf Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine vorbereiten werden.
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