Podiumsdiskussion: Wege aus dem "Boys Club" im Finanzbereich

Podiumsdiskussion: Wege aus dem "Boys Club" im Finanzbereich
Ein hochkarätiges Podium diskutierte Geschlechtergerechtigkeit in Finanzberufen und zeigt Wege auf, mehr Frauen in den "Boys Club" zu bringen.

Frauen sind in der Arbeitswelt auf dem Vormarsch – aber kaum auf Führungsebenen und schon gar nicht im Finanzbereich. „In den USA ist ihr Anteil in Führungspositionen derzeit bei 24 Prozent, in Vorständen sind es 14 Prozent“, zitiert Monika Rosen eine Deloitte-Studie. Die langjährige Börsenexpertin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft erwähnt im Vorgespräch zum heutigen Podiumsgespräch „The Women of Wall Street“ gleich eine weitere Studie von McKinsey.

"Kaputte Sprosse"

„Trotz der Unterrepräsentation von Frauen auf der Führungsebene sind im Finanzdienstleistungssektor über 50 Prozent der Mitarbeiter weiblich.“ McKinsey spricht diesbezüglich von der „kaputten Sprosse“.  Positiv sei demnach zu bemerken, dass Frauen im Finanzdienstleistungssektor mehr Unterstützung vom Arbeitgeber erhalten würden als der Durchschnitt der berufstätigen Frauen.

„Ja, die Finanzbranche ist noch immer ein Boys Club“, bestätigt Natalie Westerbarkey, Director bei der Fondsgesellschaft Fidelity. „Aber vielleicht gibt es einen schrittweisen Wandel, einige Unternehmen sind schon weiter gekommen“, bemerkt sie einen Trend in der Branche. In den Kernbereichen „Kapitalmanagement“ und „Kundenbetreuung“ würden nach wie vor Männer das Sagen haben. 

"Genderwashing"

„Das ergibt ein Genderwashing, die Unternehmen stellen sich besser dar als sie sind.“  Mit verpflichtenden Quoten ginge es schneller voran, doch dazu bräuchte man im Vorfeld Qualifizierungsmaßnahmen. Je ausbalancierter das Team, desto erfolgreicher, ist sich Westerbarkey sicher.

In der Wahrnehmung vieler, so meint die Finanzexpertin, würden generell die selben Verhaltensweisen bei Frauen und Männern unterschiedlich interpretiert. „Bei Männern wird etwa Zurückhaltung als ’reflektiert’ wahrgenommen, bei Frauen als ’schüchtern’.“

„Zweifellos ist die Finanzbranche immer noch stark von Männern dominiert“, sagt Barbara Katzdobler, Asset Managerin bei der heimischen Investmentgesellschaft Matejka & Partner. „Dennoch finden seit einigen Jahren starke Veränderungen statt – beschleunigt durch den Megatrend Nachhaltigkeit und der „Female Empowerment“-Bewegung.“ Katzdobler selbst ist laut eigener Aussage diesen – für eine Frau untypischen – Weg gegangen, „weil mich ein Besuch der Metallbörse in London für die Börsen und Kapitalmärkte inspiriert hat. Die Finanzindustrie mit ihren Facetten und Akteuren hat mich in ihren Bann gezogen.“

Podiumsdiskussion: Wege aus dem "Boys Club" im Finanzbereich

 Monika Rosen, Börsenexpertin Österr.-Amerik. Gesellschaft

Podiumsdiskussion: Wege aus dem "Boys Club" im Finanzbereich

 Christine Antlanger-Winter, Country Director Google Austria

Podiumsdiskussion: Wege aus dem "Boys Club" im Finanzbereich

Anita Frühwald, Country Head Austria & CEE, BNP Paribas Asset Management

Podiumsdiskussion: Wege aus dem "Boys Club" im Finanzbereich

Astrid Harz, österreichische Botschafterin in den Niederlanden

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 Natalie Westerbarkey, Director Fidelity International

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 Barbara Katzdobler, Fondsmanagerin, Matejka & Partner Asset Management

Podiumsdiskussion: Wege aus dem "Boys Club" im Finanzbereich

Martina Salomon, Chefredakteurin KURIER

Lösungswege

Die Frauen, die es in dieser Männerbastion ganz nach oben geschafft haben, seien die, die sich sichtbar und gezielt vernetzen könnten; Frauen, die stark und fokussiert seien und gezielt an ihren Qualifikationen und Fähigkeiten arbeiten würden.

In früheren Zeiten suchten laut Katzdobler viele Führungskräfte nach Mitarbeitern, die ihnen selbst ähnlich sind und die Dynamik innerhalb eines Teams nicht verändern. Gemischte Teams seien aber viel innovativer.

„Meiner Ansicht nach ist ein Lösungsweg, bereits jungen Frauen auch männlich-dominierte Berufswege aufzuzeigen, etwa Ingenieurin oder Fondsmanagerin, und ihr Interesse dafür zu wecken“, sagt Katzdobler. Dieser Weg sollte aktiv mit Coaching oder Mentoring begleitet werden. So kann man langfristig gemischte Teams im Finanzbereich etablieren.

Vorbildfunktion

Viel Aufholbedarf ortet auch Anita Frühwald, Country Head Austria  Central Eastern Europe bei BNP Paribas Asset Management, in der Finanzwelt. „Schauen wir uns doch den Vorstand von internationalen, aber auch österreichischen Banken an – der ist immer noch vorwiegend männlich!“, sagt Frühwald. Bei BNP Paribas wolle man als Vorreiter und Vorbild agieren. „Wir haben 28 Prozent Frauen im Senior Management, 2017 waren es noch 15 Prozent. Unsere Ambition mit 30 Prozent der Frauen im Board haben wir mit 40 Prozent bereits im Februar 2021 übertroffen“, zählt sie auf.

Und das sei nicht möglich, weil die Frauen in den Führungspositionen auf Familie verzichten, betont Frühwald. Das französische Arbeitsrecht und auch Steuerrecht würde insbesondere auch gut ausgebildete Frauen motivieren, Kinder zu bekommen. „Es ist keine Seltenheit, dass eine weibliche Führungskraft bei uns 3 oder mehr Kinder hat.“ In Frankreich gebe es das entsprechende Kinderbetreuungsangebot, die Karenzzeit dauert 6 bis maximal 12 Monate.

Planbarkeit

„Firmen können damit planen, dass Frauen nach 6-12 Monaten wieder voll zur Verfügung stehen“, erklärt sie – Teilzeitarbeit ist zwar möglich, aber wird, verglichen mit Österreich, weniger stark angenommen. Und: Man kann aufgrund der Karenzzeit in seiner Position nicht downgegradet werden. „Wer Führungskraft ist bleibt Führungskraft. Unternehmen sind es gewohnt, flexibel zu agieren.“ Frühwald plädiert dafür, dass Chancengleichheit „ehrlich gelebt“ werden muss. Und zwar auch dahingehend, dass Männer in ihren Rechten bestärkt werden – etwa beim Anspruch auf Kranenz und Elternteilzeit.

Christine Antlanger-Winter, Country Director bei Google Österreich, ortet beim Mangel an Frauen vor allem in Führungspositionen im Finanz- und Tech-Bereich eine Reihe von Gründen: Traditionelle Rollenbilder, unflexible Arbeitszeiten, zu wenig gesellschaftliche Unterstützung für Eltern und natürlich die Bildung von Stereotypen in der Schule, was Fächer, Studienrichtungen und Berufe angeht. „All dies beeinflusst natürlich die Ausbildungs-, Studien- und Berufswahl“, sagt sie.

Vernetzung als Ausweg

Ein Ausweg ist für sie etwa die Vernetzung von Frauen untereinander. „Wir bei Google unterstützen zum Beispiel die Initiative Women Techmakers, die Frauen in der Technologiebranche Sichtbarkeit, Gemeinschaft und Ressourcen durch Workshops, globale Veranstaltungen, Stipendien, Treffen und Vorträge bei hochrangigen Veranstaltungen bietet.“ Weiterer wesentlicher Faktor ist für sie neben attraktiveren ausbildungsmöglichkeiten in ihrer Branche der Ausbau der Kinderbetreuung und das Schaffen von Teilzeitführungspositionen.

Auf Vernetzung setzt auch Astrid Harz. Sie hat ein eigenes Mentoring-Programm mit dem Namen „Mentoring4Future“  ins Leben gerufen. Sie ist  österreichische Botschafterin in den Niederlanden. Das Mentoringprogramm richtet sich an junge Frauen in Diplomatie und internationalem Recht in Den Haag. Interessierte Damen können sich unter womenilnl@gmail.com als Mentee bewerben. Das Ziel des Mentoringprogramms: Gemeinsam die gläserne Decke zu durchbrechen – also jene unsichtbare Barriere, die es Frauen schwer bis unmöglich macht, in Führungspositionen aufzusteigen. Dafür sollen junge Frauen in diesen Fachgebieten mit erfahrenen weiblichen Führungskräften verbunden werden.

Diversität in Medien

„Im KURIER sind 50 Prozent der Führungskräfte weiblich“, erklärt Chefredakteurin Martina Salomon. Sie versucht auch in der Berichterstattung möglichst viele Frauen unterzubringen. „Ich bin ja immer wie die Teufelin dahinter, dass in unseren Publikationen nicht nur Männer abgebildet werden. Am Abend zähle ich manchmal sogar die Männer- und die Frauenköpfe in der Zeitung des nächsten Tages und übe Kritik, wenn das Ungleichgewicht ganz schlimm ist. Dann bemühen wir uns gelegentlich noch um Änderung für die Zeitung des nächsten Tages.“ Frauen seien medial zu wenig als aktive Fachfrauen präsent. Aber ganz oft als Opfer bzw. auf Event- und Society-Seiten. „Da muss sich noch viel ändern“, sagt Salomon.

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