Proteste vor Parlament: So lief das umstrittene Treffen zwischen Kickl, Rosenkranz und Orbán
Unter gewaltigem Medieninteresse ging Donnerstagfrüh das Treffen zwischen Ungarns Premier Viktor Orbán und dem neuen Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz im Parlament über die Bühne.
Im Vorfeld hatte es von den anderen Parteien massive Kritik gegeben, dass Rosenkranz gleichsam als ersten Amtshandlung den aufgrund seines autoritären Kurses und seiner Nähe zu Russland umstrittenen Politiker empfängt.
Somit überrascht es nicht, dass keine andere Partei bei dem Treffen im Parlament anwesend war. Dafür begrüßten gleich mehrere FPÖ-Politiker den Premier. Neben Rosenkranz machten Parteichef Herbert Kickl, Generalsekretär Christian Hafenecker, Vorsitzender der parlamentarischen Freundschaftsgruppe mit Ungarn, Nationalratsabgeordnete Susanne Fürst und EU-Mandatar Harald Vilimsky Orbán ihre Aufwartung.
Seit langem steht die FPÖ der ungarischen Führung sehr nahe. So ist Orbáns Regierungspartei Fidesz gemeinsam mit den Freiheitlichen in der erst vor wenigen Monaten gegründeten EU-Rechtsaußen-Fraktion „Patrioten für Europa“ vertreten.
Rosenkranz betonte, das Zustandekommen des Termins sei eine glückliche Fügung gewesen, da Zufall dahinter stehe - auch wenn das „manche Beobachter nicht verstehen können“. Österreich und Ungarn verbinde ein halbes Jahrtausend gemeinsame Geschichte in Europa.
Orbán hoft auf einen Kanzler Kickl
FPÖ-Chef Kickl sagte über das Treffen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten: „Diesmal ist es im Parlament, wir arbeiten noch daran, dass es beim nächsten Mal im Bundeskanzleramt sein wird.“ Orbán wiederum erklärte, er sei sich sicher, dass der Moment komme, an dem der Bundeskanzler der Freiheitlichen Partei, den Ministerpräsidenten von Ungarn empfangen werde.
"Wiener Erklärung"
Ergebnis des Treffens ist eine "Wiener Erklärung", die Kickl und Orbán für ihre beiden Parteien unterzeichneten. Darin sprechen sie sich für eine Reform der EU aus: Weg vom Zentralismus, hin zu wieder mehr Macht für die Parlamente der Mitgliedsstaaten.
Weiteres Thema: Migration: "Wir sehen das Ausmaß illegaler Migration sowie den organisierten Missbrauch des Asylrechtes als größte Bedrohungen für die gewachsene Kultur Europas. Beides, illegale Migration sowie Missbrauch von Asyl, muss mit allen Mitteln der Rechtsstaatlichkeit bekämpft werden."
Und weiter: "Wir wenden uns auch ganz klar dagegen, dass es neben Frau und Mann noch eine absurde Vielzahl anderer Geschlechter geben soll und dass Kinder schon in jüngsten Jahren ihrer geschlechtlichen Identität durch linke Erziehungsexperimente verlustig gehen könnten."
Der Krieg in der Ukraine wird nur allgemein angesprochen: "Wir treten aktiv dafür ein, dass in der Welt entstandene Kriege durch Waffenstillstand und Verhandlungen möglichst rasch ein Ende finden."
Demo gegen Orbán vor dem Parlament
Vor dem Parlament demonstrierten die Sozialistische Jugend (SJ), sowie die SoHo, die Queer-Organisation der SPÖ, gegen den Orbán-Besuch. „Rosenkranz empfängt mit Orbán jemanden, der die Demokratie mit Füßen tritt und vor allem den Parlamentarismus abbaut“, betonte SJ-Chef Paul Stich gegenüber der APA. „Ihn hier als Parlamentspräsident zu empfangen, im Parlament, ist ein bewusstes Signal bis in rechtsextreme Kreise hinein“, so der SPÖ-Abgeordnete.
Ungarns Premier Orbán traf Kickl und Rosenkranz in Wien
Die rund 20 Teilnehmer der SJ-Kundgebung auf den Stufen des Parlaments entrollten ein Transparent mit der Aufschrift „Antidemokraten, raus aus dem Parlament!“. Auf einer Zusatztafel waren durchgestrichene Fotos von Orbán und Rosenkranz zu sehen. Stich erklärte dazu, die SPÖ habe versprochen, sie werde „sich wehren, wenn Rosenkranz die Werte der Demokratie attackiert“.
Als Orbán einfuhr, skandierten die SJ-Demonstranten lautstark Slogans. Die kleine Gruppe von der SoHo hatte sich am Eck des Parlaments mit Regenbogenfahnen und einem zweisprachigen Transparent mit der Aufschrift „Menschenrechte & Vielfalt verteidigen! Orbanisierung verhindern!“ platziert. Bundessekretär Sebastian Pay sagte gegenüber der APA, man wolle „ein Zeichen setzen“, damit „Orbán an Regenbogenfahnen vorbeifahren muss“.
Orbáns Regierung hatte in den vergangenen Jahren etwa die Zugänglichkeit von Medien mit Themen wie Homosexualität und Transgender für Kinder und Jugendliche stark eingeschränkt und auch die Möglichkeit einer Änderung des Geschlechtseintrags abgeschafft. Derartige Maßnahmen wurden international als Einschränkung der Rechte der LGBTQ-Gemeinschaft kritisiert.
Podiumsdiskussion mit Gerhard Schröder
Am Nachmittag steht ein zweiter Termin Orbans in Wien auf dem Programm: Auf Einladung der Schweizer Zeitschrift Weltwoche diskutiert er in den Sofiensälen unter dem „Titel Frieden für Europa“ mit dem deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder über den Ukrainekrieg.
Moderiert wird die ausgebuchte Veranstaltung von Weltwoche-Herausgeber Roger Köppel. Der hat Orbán erst Anfang Juli zu Russlands Präsident Wladimir Putin nach Moskau begleitet; der Besuch war heftig umstritten war. Der ungarische Regierungschef, der derzeit auch den EU-Ratsvorsitz innehat, trägt zwar die EU-Sanktionen gegen Russland wegen dessen Krieg gegen die Ukraine zwar im Wesentlichen mit, pflegt aber dennoch gute politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Moskau.
Deutschlands Altkanzler Schröder unterhält wiederum seit vielen Jahren eine persönliche Freundschaft mit Putin. Er hatte den Einmarsch Russlands in der Ukraine als „schweren Fehler“ bezeichnet, eine private Vermittlungsmission im März 2022 scheiterte.
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