Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: "Natürlich ist es ein Überlebenskampf"
In Straches Spesenverfahren tauchten zuletzt wieder neue Vorwürfe auf. Es soll einen Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft geben, den er selbst noch nicht kennt, der aber bereits einem Medium zugespielt wurde.
KURIER: Sie haben auf X die „linke Meinungsdiktatur“ kritisiert. Was meinen Sie denn damit?
Heinz-Christian Strache: Erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik sind die Freiheitlichen stärkste Kraft geworden, und es gibt – noch ohne konkrete Regierungsverhandlungen – bereits wieder Donnerstagsdemonstrationen. Will man jetzt Wahlen abschaffen oder passt es einem nicht, wie die Wähler entschieden haben? Das ist eine beängstigende Entwicklung – bis hin zum Eindruck der Einheitspartei, den die Wahlverlierer vermitteln: alle gegen die FPÖ und Herbert Kickl.
Das klingt jetzt, als wäre Ihnen die FPÖ noch sympathisch, aber die hat Sie ausgeschlossen. Waren Sie damals enttäuscht?
Natürlich, das hat mir das Herz herausgerissen. Die freiheitliche Gesinnungsgemeinschaft war immer meine Familie. Ich bleibe Teil davon, halt außerhalb der Partei. 2020 habe ich das „Team HC Strache. Allianz für Österreich“ gegründet und habe große Lust, in Wien noch einmal umzurühren. Ich denke, es gibt ein Potenzial, das wir neben der FPÖ Wien ansprechen können.
Sie treten zur Wien-Wahl an?
Ja. Ich bin jetzt Floridsdorfer und möchte mich speziell um die Bezirke jenseits der Donau kümmern. 7 bis 10 Prozent wollen wir erreichen.
Ist eine Fusion mit der FPÖ ausgeschlossen?
Ich habe immer die Hand ausgestreckt. Bis dato wurde sie nicht ergriffen. Viele sagen mir: „Du fehlst in der Opposition.“ Uns fehlt allerdings noch Budget, ehrlich gesagt. Das ist nicht leicht.
Das letzte Mal sind Sie gescheitert.
Ja, in der Phase der höchsten Verleumdung, wo 13 Verfahren gegen mich eröffnet wurden. Zehn habe ich bisher gewonnen. Auf den Kosten bleibe ich aber sitzen.
Wie viel hat Sie das gekostet?
Das möchte ich nicht sagen. Aber am Beispiel Chorherr: Ein Verfahren kostete ihn über 100.000 Euro. Man kriegt nach einem Freispruch dann vielleicht 3.500 Euro Kostenersatz, ein Witz. So kann man wen fertigmachen. Sogar meine letzten Ersparnisse wurden von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Ich habe daher in manchen Verfahren auf den Anwalt verzichtet. Aber ohne Mindestbetreuung ist man verloren.
Salon Salomon: Heinz-Christian Strache
Wovon leben Sie?
Ich mache Unternehmensberatung, Immobilienprojekte, Analyse. Natürlich ist es ein Überlebenskampf.
Welche Verfahren sind noch offen?
Das Casinos-Verfahren. Dann ein Inseratenverfahren, bei dem die WkStA eigentlich keinen Anfangsverdacht sah, die Oberstaatsanwaltschaft aber per Weisung Ermittlungen verlangt hat. Und das Spesenverfahren, wo mich ein ehemaliger Mitarbeiter mit Falschaussagen verleumdet. Dieser Polizist hat schon 2013/14 mit der Ibiza-Struktur zusammengearbeitet. Es gab Besprechungen, von Zeugen belegt, dass sie mich fertigmachen wollten.
Wer stand eigentlich hinter dem Ibiza-Komplott gegen Sie?
Den Machern ging es um Geld. Wenn es dahinter ein politisches Interesse gab, dann hat man das an so eine Struktur ausgelagert, weil man damit gerechnet hat, dass die erwischt werden.
Ging es darum, eine FP-Regierungsbeteiligung zu sprengen? Sie waren damals noch in Opposition.
Das ist nicht auszuschließen. Unter anderem der ehemalige deutsche Bundestagspräsident Schäuble hat ja offen darüber gesprochen, dass es nach Geheimdienst riecht.
Sind Sie vom Korruptionsvorwurf reingewaschen?
Ja, das Verfahren ist relativ rasch eingestellt worden. Aber eines steht fest: Ibiza war keine schauspielerische Glanzleistung, sondern es war extrem peinlich, wie ich mich da als oppositioneller Politiker im Urlaub privat verhalten habe. Ich spreche viel über Gerüchte – auch boshaft. Für manches habe ich mich persönlich entschuldigt. Aber am Ende ist von den zehn Verfahren, die aufgrund der Hausdurchsuchung entstanden sind, nichts übrig geblieben.
Dafür geriet die ÖVP unter Korruptionsverdacht.
Der Putsch gegen meine Person war ein Dominostein, der auch Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek zu Fall gebracht hat, dann Sebastian Kurz und die gesamte Regierung.
War es vielleicht auch eine Intrige aus Ihrer eigenen Partei heraus?
Manches ist zumindest sehr verwunderlich.
War es richtig von der ÖVP, Herbert Kickl aus der Regierung zu werfen?
Da war vieles nicht richtig. Wir sind nach Veröffentlichung des Videos zusammengesessen. Ich habe dargelegt, dass ich peinlich war, ich mir aber nichts zuschulden kommen lassen habe. Ich wollte, dass die Regierung weitergeht. Sebastian Kurz versprach das, wenn ich mich aus allen Funktionen zurückziehe. Aber es wurde nicht eingehalten. Möglicherweise war der Druck der Landeshauptleute zu stark.
Haben Sie Herbert Kickl den jetzigen Wahlsieg zugetraut?
Ja. Ich habe viele Jahre lang gut mit ihm zusammengearbeitet. Er hat im Bereich Marketing und Analyse unglaubliches Talent.
Haben Sie noch zu ihm Kontakt?
Leider nicht. Ich hatte das letzte Mal persönlich Kontakt zu ihm im Juni 2019.
Und mit Sebastian Kurz?
Den habe ich immer wieder gesehen. Wir hatten auf der menschlichen Ebene ein gutes Verhältnis trotz mancher inhaltlicher Streitpunkte.
Werden die Blauen nun regieren?
Ich erwarte ein Zusammengehen der Verlierer: SPÖ und ÖVP, also Marx und Murks. Na, da wird sich die Industrie freuen!
Kickl und Nehammer verstehen sich auf einer persönlichen Ebene überhaupt nicht.
In der Politik muss man Befindlichkeiten hintanstellen. Der Wählerwille zeigt den Wunsch nach einer bürgerlichen Koalition.
Herbert Kickl schoss aber oft übers Ziel mit unflätiger Wortwahl.
Er wurde umgekehrt als Rechtsextremist bezeichnet. Im Wahlkampf hat er sachlich diskutiert.
Rot-Blau ist nicht möglich?
Die SPÖ stellt mit ihrer apodiktischen Ausgrenzung sicher, dass die VP in der Regierung einbetoniert ist.
Rechte Parteien sollen von Russland unterstützt worden sein. Sie waren selbst als Parteichef in Russland. Warum?
Internationale Kontakte waren uns ein Anliegen. In Russland, aber auch in den USA zu beiden Parteien und zum Likud in Israel.
Keine Geldflüsse aus Russland?
Mit mir gab es keine.
Was sagen Sie zum Rechtsextremismus-Vorwurf gegen die FPÖ?
Das Spiel gab es schon bei Haider. Aber was ist strafrechtlich relevant und was nicht? Da geht es immer darum, jemanden anzupatzen und mit der Moralkeule zu erschlagen. Das haben die Menschen satt. Setzen wir lieber auf inhaltlichen Wettbewerb.
Sind Sie eigentlich zornig? Auf sich, auf die Partei, auf die Medien?
Nein. Natürlich habe ich viele Fehler gemacht. Ich habe gelernt durch diesen Zusammenbruch: auch, dass viele Freunde wie Treibsand weg waren. Du bist auf dich allein gestellt, lernst, dich mit dir selbst auseinanderzusetzen, ins Innere zu gehen. Da lernst du auch, neben der Verzweiflung und der Depression, die ich hatte, dass du Dinge, die du nicht ändern kannst, annehmen musst. Ich habe gelernt, gesünder zu leben. Dadurch findet man seine Mitte wieder.
Auch mithilfe von Psychotherapie?
Ich habe Freunde, die geholfen haben, auch Mentalcoaches. Und ich habe Retreats besucht. Du musst schon an dir arbeiten und lernst dann eines: dass Hass überhaupt nichts bringt. Du musst dir und auch anderen verzeihen. Erst dann kannst du Dinge wieder authentisch machen, sonst bleibst du ein Getriebener.
Sie haben zwei Ex-Frauen und vier Kinder. Haben Sie Kontakt?
Ja, selbstverständlich! Familie ist mir sehr wichtig, Kinder sind letztlich DER Sinn des Lebens.
Zur Person
Heinz Christian Strache wurde 2017 Vizekanzler sowie Minister für Beamte und Sport in der schwarz-blauen Regierung von Sebastian Kurz. Im Mai 2019 trat er nach der Veröffentlichung des heimlich aufgenommenen Ibiza-Videos zurück. Norbert Hofer folgte, die Regierung zerbrach. Strache flog auch aus der FPÖ und gründete eine eigene Liste
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