Burkas statt Palmers: Warum Kickl in Floridsdorf die Nase vorne hat
Der Bezirk des Wiener Bürgermeisters hat sich bei der Nationalratswahl blau gefärbt. Ein älteres Ehepaar erzählt, warum die FPÖ zur Option geworden ist.
Kurz vor acht Uhr auf dem belebten Vorplatz des Floridsdorfer Bahnhofs: Zahlreiche Jugendliche treffen sich hier, um anschließend gemeinsam zu den Schulen in der nahen Franklinstraße zu streben. Alles wie vor vierzig Jahren, als die beiden älteren Wiener, die vor dem Bahnhofseingang warten, vom sechsten in den 21. Bezirk übersiedelt sind.
Alles wie vor vierzig Jahren? Anders als damals tragen etliche Mädchen ein Kopftuch, einige auch Burka.
„Seit dem Frühjahr fällt uns das verstärkt auf“, sagt die pensionierte Lohnverrechnerin besorgt. Bitte kein Name, auch kein Foto! Ihre Bitte wird hier respektiert.
Das entsetzt sie selbst
Sie hat sich nach Lektüre des Interviews mit Alfred Dorfer in der Sonntagsausgabe des KURIER an die Redaktion gewandt und in ihrem Mail offen erklärt, dass sie zum ersten Mal darüber nachdenkt, bei den kommenden Gemeinderatswahlen (2025) ungültig oder die FPÖ zu wählen – mit diesem Zusatz: „Dass ich dies einmal schreibe bzw. denke, entsetzt mich fast selbst.“
Ihr Mann, ein Polizist im Ruhestand, begleitet sie heute. Diese Spurensuche führt zunächst zum Floridsdorfer Spitz. Auch dort hat sich einiges gewandelt: Im alten Amtshaus führt mit Georg Papai so wie vor vierzig Jahren ein Sozialdemokrat die Bezirkspolitik an, allerdings längst nicht mehr mit gemütlicher Zweidrittelmehrheit.
Aber wo Mitte der 1980er-Jahre der „Kleiderbauer“ als gute Adresse im Bezirk galt, werden heute orientalische Teppiche verkauft. Und wo die beiden Pensionisten noch bis vor kurzem Unterwäsche und Schlafanzüge kaufen konnten, beim „Palmers“ am Beginn der Brünner Straße, hängen heute Burkas und Hidschabs in der Auslage.
Auch die kleine Kaffee-Konditorei daneben gibt es nicht mehr. Der neue Pächter verkauft Kebab statt Kaffee mit Apfelstrudel. Und wo sich die Floridsdorfer und Floridsdorferinnen, die etwas auf sich hielten, früher ihre Dauerwellen richten ließen, reiht sich heute ein Barbershop an den nächsten.
Die neuen Schilder über den Geschäftsportalen tragen für den 21. Bezirk immer noch exotische Namen: von „Kings Frisur“ bis „Tehran Market“. Sie haben „Foto Jeschofnig“, die „Eduscho“-Filiale und auch die Schulbuchhandlung abgelöst.
Kleine Nadelstiche
All das sind kleine Nadelstiche für Menschen, die das Gefühl haben, dass sie mit der Geschwindigkeit der Zeit nicht mehr mithalten können. „Früher sind wir öfters ins Bezirkszentrum zum Einkaufen gefahren“, erzählt eine Frau, die sich aufgrund einer chronischen Lungenerkrankung nur mit langsamem Schritt ihrem Siebziger nähert.
Heute fährt sie zum Einkaufen und zum Flanieren lieber in den ersten Bezirk. Mit dieser Begründung: „Wir fühlen uns in Floridsdorf nicht mehr zu Hause.“ Keine Einzelmeinung im Bezirk.
Der Bezirksvorsteher hat bei Veranstaltungen und auf Medienanfragen erklärt, dass er auf die Vermietung von privaten Geschäftslokalen keinen Einfluss nehmen kann.
Die beiden Pensionisten hören davon bei ihrem Rundgang zum ersten Mal. Auf die Frage, was sie anders machen würden, kommt die Antwort erst nach einem kurzen Moment der Ratlosigkeit: „Da müsste dann halt die Politik mit der Wirtschaft reden.“
Alleine die an sie gestellte Frage, was sie anders machen würden, ist ungewöhnlich für die beiden. Er sagt: „Für uns hat sich noch nie wer interessiert.“ Sie sagt: „Wir fühlen uns von der Politik nicht ernstgenommen.“ Besonders schlimm sei es, sagt die geborene Wienerin, seit sie in Pension ist: „Ich habe irgendwie das Gefühl, dass meine Meinung heute nichts mehr zählt.“
Übrigens besitzt sie eine Burka, die sie für eine private Reise in den Iran gekauft und seither nicht mehr getragen hat: „Das war wunderschön, die Menschen wollten dort offen mit uns reden.“ Ihr Mann sagt: „Wir haben uns aber auch an die landesüblichen Regeln gehalten.“
Ob denn FPÖ-Chef Herbert Kickl die globalen Fluchtbewegungen eindämmen kann? Leise Zweifel kommen jetzt auf der Straße nach Brünn auf.
Diese exklusive Führung endet jedenfalls dort, wo sie begonnen hat – am Bahnhof. Dort haben inzwischen mehrere Menschen mit Affinität zum Alkohol Platz genommen. Eine andere Geschichte. Hier könnte der Bezirksvorsteher in der Theorie gegensteuern. In der Praxis lassen ihn das aber seine Genossen im Rathaus nicht.
FPÖ? Das ist die Frage
Der treue KURIER-Abonnent sagt kurz vor der Verabschiedung: „Herr Redakteur, ich versichere Ihnen, den Kickl werden wir nicht wählen.“ Doch da hat er die Rechnung ohne seine Frau gemacht, die ihm jetzt resolut in den Ärmel greift: „Das ist noch lange nicht entschieden.“
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