Videobotschaft: Kurz weiter gegen die Aufnahme von Flüchtlingen

Bundeskanzler Sebastian Kurz
Der Bundeskanzler hat auf Facebook eine Erklärung zur Flüchtlingssituation in Moria abgegeben und bekräftigt darin sein Nein zur Aufnahme von Flüchtlingen. Vizekanzler Kogler will weiterverhandeln.

"In den letzten Tagen haben uns schreckliche Bilder aus dem Flüchtlingslager in Moria erreicht." Mit diesen Worten beginnt Bundeskanzler Sebastian Kurz eine Erklärung auf Facebook und reagiert damit auf die humanitäre Flüchtlingskatastrophe in Moria und seine Kritiker in dieser Causa. Er schildert in der Folge seine Eindrücke von Besuchen in syrischen Flüchtlingslagern. Er beschreibt die "furchtbaren Bedingungen" unter denen die Flüchtlinge leben. "Das alles sind Erlebnisse, wo es nur eine Emotion gibt, nämlich den Wunsch zu helfen", sagt Sebastian Kurz.

Es werde einem aber auch bewusst, dass man nicht alle Flüchtlinge in Österreich aufnehmen könne. Die Hilfe vor Ort sei "der richtige Ansatz", so Kurz.

Damit bekräftigt der Kanzler sein Nein zur Aufnahme von Flüchtlingen, was nicht zuletzt auch zu Misstönen in der Koalition geführt hat. Erst letzte Woche hat Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer die Linie der ÖVP in Sachen Flüchtlingsaufnahme nach dem Brand in Moria scharf kritisiert. 

Kogler will weiterverhandeln 

Vizekanzler Werner Kogler will hingegen weiterhin mit der ÖVP über die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem niedergebrannten Lager Moria in Griechenland verhandeln. "Wenn das sogar der Herr Söder schafft und jetzt auch der niederländische Premier, der Herr Rutte, ja dann kann das Österreich auch schaffen", sagte er im Ö1-Radio am Samstag. Das Gespräch wurde allerdings vor Kurz´ Videobotschaft aufgenommen.

Kurz für Hilfe vor Ort

Kurz spannte in seiner Videobotschaft auch einen Bogen in das Jahr 2015: "Jetzt haben einige Migranten das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos angezündet, um Druck zu machen, dass sie weiter von Lesbos auf das europäische Festland kommen.“ Und Kurz weiter: "Wenn wir diesem Druck nachgeben – riskieren wir, dass wir dieselben Fehler machen wie 2015. Wir riskieren, dass sich Menschen falsche Hoffnungen machen, nach Griechenland aufbrechen, das Schleppergeschäft floriert und wieder Unzählige im Mittelmeer ertrinken."

"Dieses menschenunwürdige System aus 2015, das kann ich mit meinem Gewissen nicht vereinbaren,“ schließt Kurz ab. Vielmehr werde man "vor Ort helfen, damit eine menschenwürdige Versorgung sichergestellt ist.". Mit den Grünen soll es dazu schon Gespräche geben. Es gehe dabei nicht nur um Moria, sondern auch um andere Orte in der Welt, die nicht im Scheinwerferlicht der Medien sind, so Kurz.

Es seien die "schrecklichen Bilder am Bahnhof in Budapest" im Sommer 2015 gewesen, die dazu geführt hätten, "dass die europäische Politik dem Druck nachgegeben hat und die Grenzen geöffnet hat", sagte Kurz. Daraufhin hätten sich zunächst Tausende, dann Zehntausende und am Ende eine Million auf den Weg gemacht. Schlepper hätten Unsummen verdient, unzählige Menschen seien im Mittelmeer ertrunken, wiederholte Kurz seine seit fünf Jahren unveränderte Argumentation, von der er offenbar auch unter wachsendem innenpolitischen Druck nicht abrücken möchte.

Kurz wandte sich in dem siebenminütigen Clip auch gegen den Eindruck, dass Österreich nichts für Flüchtlinge tue. "Allein in diesem Jahr hat Österreich 3.700 Kinder aufgenommen. Das sind rund 100 Kinder pro Woche, die einen positiven Asylbescheid bekommen haben und hier in Österreich Sicherheit gefunden haben." Kurz sprach nicht aus, dass es sich dabei aufgrund der geschlossenen Grenzen praktisch ausschließlich um Aufnahmen im Rahmen der Familienzusammenführung handeln kann.

Erste Reaktion ebenfalls auf Facebook

Eine erste Reaktion kam von Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien, ebenfalls auf Facebook. Er sei selbst auf Lesbos gewesen und sei erschüttert, dass Österreich nicht handle. Man dürfe nicht schweigen. Die meisten hätten zwar "nicht so eine große Reichweite auf Socialmedia wie der Bundeskanzler", trotzdem müsse man die Stimme erheben. "Gerade jetzt sollten wir es tun. Weil es um Menschlichkeit, um Menschenrechte geht, um unsere Werte."

Kurz´ Argumente würden laut Schwertner außerdem nicht stimmen. Hilfe vor Ort sei zwar wichtig, Österreich leiste aber international betrachtet "vergleichsweise wenig". "Hilfe vor Ort und die Aufnahme von einer überschaubaren Anzahl von Familien und Kindern" seien zudem "kein Widerspruch".

Außerdem gebe es bereits Erfahrungen mit dem Umgang mit Flüchtlingen aus Griechenland. Schwertner führt hier ein Relocationprogramm mit 20.000 Menschen aus Griechenland 2016 an. Diese seien damals auf andere europäische Länder aufgeteilt worden. Das habe damals weder zu mehr Toten noch zu mehr Neuankünften geführt, so Schwertner.

Scharfe Kritik von SPÖ und FPÖ

Auch SPÖ und FPÖ haben inzwischen reagiert und Kurz scharf kritisiert - freilich aus unterschiedlichen Gründen.

Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried forderte in einer Aussendung die türkis-grüne Bundesregierung "eindringlich" dazu auf, "endlich Haltung zu zeigen und das Elend der Kinder zu beenden". Dazu kündigt er die Einbringung eines entsprechenden parlamentarischen Antrags an.

"Leben zu retten ist niemals Symbolpolitik", schrieb SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner unterdessen auf Twitter in Richtung Kurz. "Denn 'Wer ein Menschenleben rettet, dem wird es angerechnet, als würde er die ganze Welt retten...' (Talmud) - Wer nicht hilft, macht sich mitschuldig. An dieser Wahrheit ändern auch Ihre Belehrungen nichts", so die Vorsitzende. Leichtfried bezeichnete die Aufnahme von Kindern aus Moria als "humanitäre Notmaßnahme" und verweist darauf, dass zahlreiche Gemeinden von Vorarlberg bis Wien längst zu diesem Schritt bereit seien.

Die FPÖ will die ÖVP hingegen auf ihre harte Haltung abtesten: "Wir werden mit der ÖVP den Lackmustest machen und im Parlament die entsprechenden Anträge einbringen. Ich bin gespannt, wie die ÖVP dann tatsächlich abstimmt", sagte Klubobmann Herbert Kickl via Aussendung. Denn ohne einen Beschluss im Parlament bestünde "die Gefahr, dass die ÖVP nach der Wien-Wahl einknickt".

Auf Linie seines Parteichefs hatte sich zuvor der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) im Ö1-Morgenjournal gezeigt, wo er sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria aussprach, weil er "die Methode der Erpressung zutiefst ablehne", sagte er mit Blick auf Berichte, wonach das Lager von Insassen angezündet worden sei.

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