Eigentlich hätte am Montag eine Routine-Sitzung des Wiener Gemeinderats werden sollen, der nicht einmal Feinspitze der Lokalpolitik größere Aufmerksamkeit gewidmet hätten. Mit dem Rechnungsabschluss für das Jahr 2021 stand ein eher sperriges Thema auf dem Programm.
Dass nicht nur über Zahlen und Budget-Daten diskutiert wurde, dafür sorgte ein Ausrutscher SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig auf dem internationalen Parkett, der seit Samstag für Aufsehen und zum Teil auch Belustigung sorgt: Wie berichtet hatte Ludwig am 22. Juni mit einer falschen Ausgabe seines Kiewer Amtskollegen Witali Klitschko ein knapp halbstündiges Videotelefonat abgehalten.
FPÖ-Chef Dominik Nepp, spätestens seit der Ibiza-Affäre ein Kenner von Videofallen, nutzte die Sitzung, um Ludwig ultimativ zur Veröffentlichung des Video-Mitschnitts des Gesprächs bis Dienstag Mittag aufzufordern. Ansonsten werde er eine Strafanzeige einbringen. Es bestehe immerhin der Verdacht des Verrats bzw. der Preisgabe von Staatsgeheimnissen oder der Unterstützung von fremden Geheimdiensten.
Ludwig wird freilich seiner Forderung nicht nachkommen können – es gibt keine Video-Aufzeichnung des Gesprächs, wie ein Bürgermeister-Sprecher gegenüber dem KURIER beteuert. Ein Protokoll müsse erst auf Basis einer Mitschrift angefertigt werden. Es soll dann den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Es sei davon auszugehen, dass auch die Öffentlichkeit über die Inhalte informiert werde, so der Sprecher. Zuletzt hatte Ludwig jedenfalls betont, keinerlei heiklen Inhalte mit dem vermeintlichen Klitschko besprochen zu haben.
Unabhängig davon, was bei dem Videotelefonat nun konkret Thema war und was nicht, steht nach wie vor die Frage im Raum, wieso man das Hereinfallen auf den falschen Klitschko in Wien nicht vermeiden konnte.
Gespräch abgebrochen
Auch die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey hatte ja mit ihm telefoniert, den Anruf aber abgebrochen, nachdem man misstrauisch über die Themen geworden war, die der Fake-Klitschko ansprach.
Das österreichische Außenministerium hält vor allem den Ablauf der Terminkoordination für ausschlaggebend für die Panne. Beim Gespräch mit dem vermeintlichen Klitschko sei auch kein Mitarbeiter des Außenministeriums oder der Botschaft persönlich oder virtuell anwesend gewesen. Außenministerium und Botschaft seien nämlich bei der Terminfindung nicht eingebunden gewesen. Der Botschafter in Kiew sei von Ludwigs Büro zwar am 10. Juni über den Termin in Kenntnis gesetzt worden – da sei dieser aber bereits fix vereinbart gewesen.
Kein Einzelfall, sagt das Außenministerium, ähnlich sei das schon beim Besuch Ludwigs beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gelaufen. Erst einen Tag vor der Abreise habe man den Außenminister über die Reisepläne informiert.
Im Büro Ludwig kann man die Kritik nicht nachvollziehen. Man habe den Außenminister persönlich vorab über den Erdoğan-Besuch informiert. Dieser habe sogar seine Unterstützung angeboten. Später habe man den Generalkonsul vor Ort über alle Gespräche informiert.
Und im Zusammenhang mit dem Termin beim vermeintlichen Klitschko sei die Botschaft „informiert und involviert“ gewesen. So habe man sich im Vorfeld abgestimmt, welche Themen angesprochen werden sollen, betont der Ludwig-Sprecher.
Kritik kommt jedoch auch von anderer Seite: Das Innenministerium wirft der Stadt Wien vor, diese bei der Aufklärung der Causa wenig kooperativ und habe den Verfassungsschützern im DSN bis dato kaum Informationen übermittelt. Die Behörde habe sich noch nicht einmal bei der Stadt gemeldet, kontert man im Büro Ludwig.
Polit-Inszenierung?
Hinter diesen Vorwürfen aus den ÖVP-Ministerien ortet man dort primär parteipolitische Motive und verweist auf Berlin, wo die Causa nicht zu einem derartigen Polit-Hick-Hack geführt hätte.
Mittlerweile wird jedenfalls in Zusammenarbeit mit der Botschaft ein Gespräch mit dem Kiewer Bürgermeister vorbereitet. Vielleicht hebt diesmal der echte Klitschko ab.
Kommentare